Hagen. Die Fotos in der Gerichtsakte lassen erahnen, was die 68-jährige Frau aus Hagen-Wehringhausen an schlimmen Qualen durchlitten hat: Ihre Augen sind stark angeschwollen und tiefblau eingefärbt. „Ich war total schockiert, als sie mir am Tag nach der Tat gegenüber saß“, erinnert sich Opferanwalt Wolfgang Pitrowski. Im Landgericht ist jetzt der Mann angeklagt, der die Frau so übel verletzt haben soll.
Die Vorwürfe lauten auf schwere Körperverletzung und sexuelle Nötigung. Der 51-jährige Angeklagte habe die Frau unvermittelt angegriffen und ihr mehrere heftige Faustschläge ins Gesicht versetzt. Er soll sie aufgefordert haben, sich auszuziehen, was diese aus Angst auch tat. Dann habe er sie im Intimbereich angefasst, sie zu Boden gestoßen und, als sie dort lag, mehrmals auf sie eingetreten. Soweit die Anklagevorwürfe.
Soeben aus der Haft entlassen
Der Angeklagte und die Frau kennen sich seit über 15 Jahren. Sie waren früher einmal Nachbarn und wohnten im selben Haus in Essen. Zwischenzeitlich hatte man sich jedoch aus den Augen verloren, denn sie war nach Hagen gezogen. Doch im März klingelte es an ihrer Wohnungstür in Wehringhausen, der ehemalige Nachbar stand überraschend davor. Er war soeben aus einer zweijährigen Strafhaft entlassen worden. Sie ließ ihn herein – was ihr letztlich zum Verhängnis wurde. Der Besuch endete mit Wodkatrinken, mit Streit und zwei völlig unterschiedlichen Versionen, was schließlich noch passiert sein soll.
Sie hätte ihm eine schwere Glasschale auf den Kopf schlagen wollen, er habe ihr daraufhin lediglich „mit der flachen Hand ein paar gelangt“, sagt der Angeklagte. Vorsitzender Richter Marcus Teich hinterfragt das: „Auf den Fotos sieht man im Gesicht erhebliche Verletzungen.“ „Ein paar Faustschläge gegen den Arm“ räumt der Angeklagte noch ein, „wahrscheinlich auch gegen die Rippen“. Doch gleich mehrfach betont er: „Blaue Augen, die habe ich nicht gesehen.“ Zu der ihm vorgeworfenen sexuellen Nötigung sagt er: „Warum sollte ich sie zwingen, sich auszuziehen? Die war von sich aus schon halbnackig. Außer einem Büstenhalter hatte sie nichts an.“
Zeugin schämte sich für Verletzungen
Für die geschädigte Zeugin sind das „alles Lügen“, sie sei vollständig angekleidet gewesen und von ihm gezwungen worden, sich auszuziehen. „Er ist auf einmal grundlos auf mich losgegangen. Wie ein Tier, immer und immer wieder. Acht- bis zehnmal, bestimmt. Immer wieder mit seiner Faust in mein Gesicht rein.“ Die 68-Jährige: „Ich habe mich geschämt, zum Arzt zu gehen.“ Der Prozess geht am Montag weiter.