Hagen. . Man traut es ihm auf den ersten Blick einfach nicht zu: Mit 74 Lebensjahren hat sich Peter Beuker der Streetart-Kunst verschrieben. Mit seinem Fotoapparat dokumentiert er allerorten gesprühte Motive, die ihn faszinieren. Demnächst beteiligt er sich sogar an einer Ausstellung in der Kooperative K.

Ganz ehrlich: Als Peter Beuker die Redaktion betrat, war man geneigt zu denken, das sei ein Trick. Man hätte denken können, dass irgendein Grafitti-Sprüher dem 74-Jährigen seine Hauswand beschmiert hat und er den Jungs jetzt mal unter einem Vorwand die Löffel lang ziehen will. Falsch. Denn Peter Beuker meinte das absolut ernst: „Wie kommt man an diese Jungs aus der Streetart-Szene? Ich habe starke Werke im Untergrund gefunden.“ Ein Rentner, ein alter Fotoapparat mit 36er-Film und der Wunsch, Dinge zu sehen und zu erleben, die ihn alles werden lassen - nur nicht alt.

Abseits aller Klischees

Man denkt wahrscheinlich viel zu oft in Klischees, ist mit viel zu vielen vorgefertigten Meinungen unterwegs. Ein älterer Herr und die junge Szene, die ihre Kunst und ihre Botschaften an Wänden, Straßenlaternen oder Stromkästen platziert. Das ist in vielen Köpfen so weit voneinander entfernt wie Kühe von der Raumfahrt. „Kann ich nicht verstehen“, sagt Peter Beuker, als wir uns mit ihm und dem Kurator Ihsan Alisan im Allerwelthaus auf ein Wasser treffen. Alisan wird im September eine zehntägige Streetart-Ausstellung in der Kooperative K in Haspe präsentieren. Und gesammelte Werke des Rentners, der gerade neben ihm sitzt, werden dabei auch zu sehen sein.

Ausstellung mit Workshop und Diskussion

Die Streetart-Ausstellung „Urban Heroes“ wird vom 19. bis zum 29. September in der Kooperative K in der Karlstraße 26 in Haspe stattfinden. Streetart-Künstler sind dort ausdrücklich eingeladen, ihre Werke zu präsentieren. Darunter zu sehen sind Arbeiten von Werner Rappaport, „Bender“ oder Dietmar Schneider.

Beiträge aus den Sammlungen privater Hagener Bürger ergänzen die Präsentation mit Werken internationaler Künstler. Es wird während der Ausstellung Filmvorführungen, Podiumsdiskussionen und Workshops geben.

Anfang des Jahres, da bekam Peter Beuker plötzlich diesen Ruck. Der pensionierte Techniker war zu Gast im Gelsenkirchener Zoo, wo er an einem großen Streetart-Objekt vorbeispazierte. „Das hat mich fasziniert. Ich dachte: Wie machen die das? Wie kriegt man so große Bilder mit diesen Proportionen an die Wand gesprüht?“ Jetzt weiß er es. Er hat sich schlau gemacht. Nicht zuletzt, weil er mit Ihsan Alisan lange zusammengesessen hat und eingetaucht ist in die Welt der Graffiti, des Alternativ-Denkens und der kleinen künstlerischen Rebellion. „Es gibt Leute, die bekriegen sich im Untergrund richtig auf ihren Werken“, sagt Beuker. Und wenn er „Untergrund“ sagt, dann bekommt man eine Ahnung davon, wo dieser 74-Jährige unterwegs ist, um „diese tollen Bilder zu finden“, wie er sagt.

Streetart-Führung durch Hagen angeregt

Seitdem er in Rente ist, mache er Dinge, zu denen er früher nie die Zeit gehabt habe. Er zieht mit seiner Kamera durch die Stadt, trifft junge Leute und führt Gespräche, die Menschen dieser Altersklasse für gewöhnlich nicht führen. „Hip Hop“, sagt Peter Beuker, „passt super zur Streetart.“ Und er nickt zustimmend, wenn Ihsan Alisan die Begriffe „oldschool“ oder „Urban heroes“ benutzt. Und er muss lachen, als wir ihm sagen, dass er ein ziemlich cooler Typ ist. Cool? Sagt man das eigentlich noch? Aber was sind schon Trends, Szenen-Jargon oder Junge-Leute-Sprache, wenn man vor Peter Beuker sitzt. Gar nichts.

Jetzt hat der Mann mit dem Jute-Beutel und dem Fotoapparat („Was soll ich mit digital? So muss man wenigstens vorher über jedes Bild genau nachdenken.“) die nächste Idee. „Es gibt doch genug Hagener, die nicht in den Urlaub fahren können. Für die wäre doch eine Streetart-Führung durch Hagen und den Untergrund eine tolle Sache.“ Er würde das übrigens persönlich übernehmen. Man müsse aber vorsichtig sein. Er sei auch schon ein paar Mal auf die „Schnauze gefallen.“ Wer Kunst im urbanen Raum entdecken will, der müsse auch mal was wagen.

Keine Frage des Alters

„Einen Mann wie Herrn Beuker zu treffen, ist schon unglaublich. Es zeigt aber, dass es nicht nur junge Menschen sind, die sich mit Streetart beschäftigen“, sagt Ihsan Alisan. Erst neulich habe er mit einem Mittfünfziger von der Fleyer Straße zusammengesessen und Werke begutachtet. Im Herbst beginnt die Ausstellung in der Kooperative K. „Da bin ich am Start“, sagt Peter Beuker. Nicht nur dabei, sondern „am Start“. Peter Beuker. 74 Jahre. Ganz sicher alles, aber nicht alt.