Hagen. Der Hagener Stadtrat wurde mit einiger Wahrscheinlichkeit bunter: Sowohl die Piratenpartei als auch die Alternative für Deutschland (AfD) wollen in allen Wahlkreisen antreten und auch eigene OB-Kandiaten aufstellen. Da es keine Fünf-Prozent-Hürde gibt, reichen etwa 2 Prozent für einen Sitz.

Alles schaut derzeit auf die Oberbürgermeister-Kandidaten: Macht Jamaika-Kandidat Erik O. Schulz das Rennen oder SPD-Bewerber Horst Wisotzki? Doch im Schatten dieser Personalien geht unter, dass der Stadtrat nach dem 25. Mai mit großer Wahrscheinlichkeit noch bunter sein wird. Und dass Mehrheitsfindungen jenseits einer „Großen Koalition” aus CDU und SPD noch schwieriger sein dürften. Denn Piratenpartei und Alternative für Deutschland (AfD) klopfen an die Tür des Kommunalparlaments – beide wollen flächendeckend in Hagen antreten, auch für die Bezirksvertretungen. Am Wochenende haben beide ihre Nominierungsversammlungen.

Dank der nicht mehr existierenden Fünf-Prozent-Hürde auf kommunaler Ebene haben sie auch große Chancen, demnächst mitzumischen. Und mit eigenen Oberbürgermeister-Kandidaten machen sie es noch wahrscheinlicher, dass es eine Stichwahl um den Chefsessel im Rathaus geben wird.

Informationen zur AfD

Könnte die AfD ihren Erfolg von der Bundestagswahl im vergangenen September wiederholen, dann wären ihr wohl ein bis zwei Ratsmandate sicher. 4,3 Prozent der Stimmen erreichten die Euro-Kritiker damals aus dem Stand im Hagener Stadtgebiet. Doch für den 25. Mai streben Kreisvorsitzender Michael Eiche (49) und sein Stellvertreter Mehmet Cosgunoglu (24) im Kielwasser der parallel stattfindenden Europawahlen ein noch besseres Ergebnis an.

Doch die Kritik am Euro soll im Kommunalwahlkampf nicht im Mittelpunkt stehen. Bildung, Wissenschaft, Integration, Kulturpolitik und Mittelstandsförderung -- das sind Themen, die die AfD für Hagen besetzen will. „Wir wollen etwas verändern und die erreichen, die mit der Kommunalpolitik unzufrieden sind”, so Michael Eiche. Aber totale Opposition sei keinesfalls die Strategie. Man sei natürlich bereit, mit den anderen Fraktionen zum Wohl der Stadt zusammenzuarbeiten. „Wir sind keine reine Protestpartei. Von uns gibt es kein generelles Nein zum Hagener Sparpaket.”

Mit welchem Team die AfD in Hagen genau antreten wird, das soll am 2. März beim Nominierungsparteitag festgelegt werden. 32 Mitglieder zählt der Stadtverband derzeit, dazu noch etwa 40 registrierte Sympathisanten. Dass sich solche mit rechtsextremer Gesinnung darunter gemischt haben könnten, schließt Michael Eiche aus: „Das wird inzwischen von der Partei sehr genau überprüft.” Und er schaut zu Mehmet Cosgunoglu. „Dass mein Stellvertreter türkische Wurzeln hat, spricht doch auch für sich.” Man ist sich sicher, dass alle 29 Wahlkreise mit Direktkandidaten besetzt werden können. Und gleiches soll auch für die Bezirksvertretungen gelten, lautet das erklärte Ziel.

Michael Eiche, der bei der Arbeitsagentur beschäftigt ist und in seiner Freizeit als Kreischorleiter aktiv ist („Das ist aber streng getrennt von meinem politischen Engagement”) wird ebenso kandidieren wie Mehmet Cosgunoglu, der studierter Lehrer ist und derzeit an der Fern-Uni arbeitet. Klar ist auch, dass die AfD einen eigenen OB-Kandidaten präsentieren will. Sollte es Michael Eiche werden, wäre das durchaus pikant. Neben Erik O. Schulz wäre er das zweite ehemalige SPD-Mitglied, das nun für eine andere Partei kandidiert.

Informationen zu den Piraten

Kommen sie gar nicht oder nur knapp rein oder wird es gleich ein Durchmarsch bis zur Fraktionsstärke? Schaut man auf die vergangenen Wahlen, lässt sich für die Piraten kein eindeutiges Bild malen. Bei der Bundestagswahl im September waren es in Hagen stadtweit enttäuschende 2,2 Prozent. Das könnte knapp für ein Ratsmandat reichen. Bei der Landtagswahl im Mai 2012 waren es dagegen 8,3 Prozent im Stadtgebiet -- die Piraten würde damit in einer Liga mit Hagen aktiv und der FDP spielen.

Dass die Piraten in allen Wahlbezirken für Stadtrat und Bezirksvertretungen antreten wollen, haben sie bereits beschlossen. Derzeit laufen noch Nominierungsversammlungen (die Listen für Mitte, Nord und Hohenlimburg stehen schon), am 2. März soll die Liste für den Stadtrat endgültig beschlossen werden. Auch am kommunalen Wahlprogramm arbeiten die etwa 60 Hagener Mitglieder der Piraten schon: Mehr Einflussmöglichkeiten für Bürger soll es geben, einen freien Zugang zu Wissen und Kultur strebt man an.

Auch die Piraten wollen keine Total-Opposition: „Wir sind offen für die Zusammenarbeit”, so Pressesprecher Udo Tillmann. „Es gibt auch jetzt schon Kontakte zu anderen Parteien.” Und auch einen eigenen Wahlvorschlag für das Oberbürgermeister-Amt streben die Piraten an. „Wir waren ja ursprünglich auch von etablierten Parteien angesprochen worden, ob wir einen gemeinsamen Kandidaten unterstützen würden”, so Udo Tillmann. „In die Personalie Erik O. Schulz sind wir dann aber doch nicht eingeweiht worden. Deshalb läuft es jetzt auf einen OB-Kandidaten hinaus.”

Sollte es am Ende die Hagener Parteivorsitzende Kerstin Brinkmann werden, dann hätte diese ihren Marktwert schon einmal ausgetestet. Bei den Landtagswahlen 2012 erreichte sie als Direktkandidatin immerhin 9,3 Prozent der Erststimmen.