Hagen. . Im Januar wird Superintendentin Verena Schmidt zwar erst in ihr neues Amt eingeführt. Doch die 49-Jährige hat natürlich schon jetzt Vorstellungen, wie sie ihre Aufgabe ausfüllen möchte. Doch zunächst liegt ihr Fokus auf dem Champions-League-Spiel ihrer Schalker gegen Chelsea.

„In der Schalker Nordkurve – da bin ich Verena.“ Das gönnt sie sich. Eine bodenständige Erdung in ihrer Geburtsstadt zwischen dem Malocher und dem Vorstandschef. So auch heute Abend in der Champions-League gegen Chelsea. Ansonsten teilt sich die neue Superintendentin für den Kirchenkreis Hagen, die in Gelsenkirchen-Schalke das Gymnasium besuchte und dort auch konfirmiert wurde, ihre Bundesliga-Dauerkarte für die Königsblauen mit ihrem Breckerfelder Kollegen Gerd Nowak. Seelenverwandte im Kirchen- und Fußball-Geiste.

Am 17. Januar wird die 49-Jährige offiziell in ihr neues Amt als Oberhirtin von 78.000 evangelischen Christen in Hagen, Wetter, Herdecke und Breckerfeld eingeführt. Vermutlich mit einem Weihnachtsgottesdienst in ihrer Christuskirche verabschiedet sich Verena Schmidt von ihrer Pfarrstelle in Eilpe, die sie dort seit 15 Jahren ausfüllt. „Dass ich diese neue Rolle übernehmen würde, hätte ich im Leben nicht gedacht. Ich hätte mich auch nirgendwo anders beworben als in diesem Kirchenkreis“, erinnert sie sich an den Moment zurück, als ihr Vorgänger Bernd Becker sie ansprach, ob sie nicht seine Nachfolge übernehmen wolle: „Hier kenne ich die Menschen und die Strukturen, hier finde ich die Verbindungen gut und kann mit meiner Arbeit auch direkt anknüpfen.“

Geistliches Amt mit pastoralem Anspruch

Dabei hält die Theologin sich keineswegs für eine Wirtschafts- oder Verwaltungsexpertin. Sie möchte in den nächsten acht Jahren die Superintendenten-Tätigkeit als ein geistliches Amt mit pastoralem Anspruch interpretieren. Anlässlich ihrer Wahl bei der Synode in der vergangenen Woche stellte die leidenschaftliche Krimi-Leserin, die Reisen nach Namibia und Kanada ebenso liebt wie nach Texel und Südtirol, den Fragen dieser Zeitung:

Wie würden sie die Rolle von evangelischer Kirche im 21. Jahrhundert beschreiben?

Verena Schmidt: Die zentrale Frage bleibt, wie Kirche lebendig sein kann. Kirche ist kein statisches Konstrukt, sondern muss auf die Leute zugehen. Denn wir haben auch was zu sagen und dürfen selbstbewusst sein. Liebe, Vergebung, Versöhnung – in diesem Sinne möchten wir Menschen mit auf den Weg nehmen. Unsere Familienkirche in Eilpe zeigt mir, dass die Institution alles andere als tot ist. Allerdings müssen wir die Leute abholen und uns auch bewegen.

Wie macht man das am besten?

Schmidt: Die Zeit ist wichtig, in der ich den Kontakt suche, und auch die Sprache, die ich spreche. Theologische Hochsprache ist da sicherlich eher ungeeignet. Wir müssen aus dem stillen Kämmerlein nach draußen treten. Das haben in Eilpe die Beispiele Kleiderkammer und Klöncafé gezeigt. Authentizität ist zwar manchmal ein abgehalftertes Wort, aber wichtig. Als mir jetzt nach einer Taufe einer der Gottesdienstbesucher einen „coolen Spirit“ bescheinigte, wusste ich, dass ich die Köpfe der Menschen erreicht hatte. So bleibt unsere Botschaft aktuell. Natürlich muss ich nicht jedes Niveau mitmachen, aber die Sprache sollte schon bei den Menschen sein. Das ist für mich gleichzeitig auch immer ein Seismograph, wie die Leute in Hagen so ticken.

Wie ticken denn in Ihren Augen die Hagener?

Schmidt: Sie tragen das Herz auf der Zunge, sind manchmal auch sehr direkt, aber auch sehr offen, gepaart mit einem gesunden Schuss westfälischer Skepsis.

Werden Sie sich nach Limburger Vorbild zunächst für 31 Millionen Euro einen neuen Superintendenten-Sitz gönnen?

Schmidt: Ich bleibe mit meinem Mann in Eilpe, ganz bodenständig. Wenn ich das Geld hätte, würde ich zunächst einmal versuchen, unsere Einrichtungen und Gemeinden zu erhalten – das ist ganz wichtig. Aber natürlich färbt die Affäre um Bischof Tebartz-van Elst auf die gesamte Kirche ab, und wir müssen auch Stellung beziehen. Aber ich bin sicher, dass der Papst die richtigen Worte findet. Natürlich steht die Kirche unter besonderer Beobachtung. Dagegen kann man nur die Transparenz setzen, damit der Verdacht der Verschwendung gar nicht erst aufkommt. Ich würde mir wünschen, dass der Limburger Fall auch zu Konsequenzen führt. Margot Käßmann hat ja auch zu ihrer Verantwortung gestanden.

Die evangelische Kirche hat sich zuletzt zusammen mit Dechant Dieter Osthus und DGB-Chef Jochen Marquardt im Rahmen des Projektes „Sozial gerechtes Hagen“ als soziale Instanz in der Stadt einen Namen gemacht. Werden Sie dieses Bündnis fortführen?

Schmidt: Ich habe diese Arbeit im Team mit Bernd Becker bereits engagiert begleitet und möchte sie selbstverständlich fortführen. Wir haben uns inzwischen eine wichtige Stellung in der Kommune erarbeitet. Daher ist hier Kontinuität besonders wichtig, zumal wenn auch Dieter Osthus bald Hagen den Rücken kehrt.

Kirchenarbeit wird zuletzt auch immer wieder vom Rotstift mitbestimmt. Wie werden sie das Thema Sparen mit Inhalt füllen?

Schmidt: Selbst wenn die Einnahmen bei uns im Moment stabil sind, auch bei uns werden die zurückgehenden Zahlen vor allem durch die Demografie diktiert: Es gibt eben immer weniger evangelische Menschen in Hagen. Ich möchte unsere künftigen Ziele gemeinsam mit den Gemeinden definieren. Strategien kann man nicht von oben verordnen, sondern nur gemeinsam erarbeiten. Aber wir sind vor allem eine Kirche, die etwas zu sagen hat: Kirche lebt nicht vom Geld, sondern von der Botschaft. Daher müssen wir uns – trotz fortschreitender Verknappung – weiter öffnen. Es muss eine Verknüpfung von Kirche, Gemeinde und Fantasie geben. Wir dürfen nicht in Strukturen verharren, Querdenken muss unser ständiger Begleiter werden, und auch Verrücktes ist nicht verboten. Es gibt so viele engagierte Leute und Mitdenkende in dieser Stadt, die müssen wir zusammenführen. Hagen ist allemal lebenswert.