Vorhalle. . Der Gutshof Niederste Hülsberg in Vorhalle verfällt zusehends. Von dem Besitzer aus St. Pauli hat man seit dessen Bauvoranfrage im Rathaus nichts mehr gehört. Die Wachhunde sind inzwischen von dem Gelände verschwunden.

Aus dem Gut Niederste Hülsberg sollte schon alles Mögliche werden: ein Ponyhof, eine Geflügelzucht, eine Fahrradstation, eine Herberge. Und jetzt also ein Puff, pardon: ein Erotikbetrieb. Seit 2011 schon liegt im Rathaus eine Bauvoranfrage für eine Nutzungsänderung des Gutshofes, der so idyllisch an der Grenze zur Stadt Wetter liegt, in ein „erotisches Separée mit Wellnessbereich“ und 54 Parkplätzen vor. Geschehen ist bislang freilich nichts, das Gelände wuchert zu, das im Dämmerzustand liegende Gebäude verfällt zusehends. „Das Gut ist eines unserer Sorgenkinder“, sagt Georg Thomys, Leiter des städtischen Bauordnungsamtes.

Frist läuft im Oktober ab

Von Redjep Ganiju aus St. Pauli, der im Grundbuch am Amtsgericht als Eigentümer des Grundstücks eingetragen ist, hat Thomys ebenso wie andere Beamte im Rathaus lange nichts gehört. Auf der Reeperbahn fungiert Ganiju als Geschäftsführer der St. Joseph Hotels GmbH und des „Paradise Point of Sex“ mit 100 Zimmern, einem Dominastudio und diversen Themenzimmern einer der größten Bordellbetriebe in Europa.

Auf Anfrage unserer Zeitung war er nicht zu erreichen, möglicherweise schreckt er vor den immensen Kosten zurück, die eine Instandsetzung des Gutshofes mit sich bringen würde. Experten schätzen, dass die Restaurierung der unter Denkmalschutz stehenden Immobilie um die fünf Millionen Euro verschlingen dürfte – viel Geld, für das auch auf der sündigen Meile in Hamburg lange gearbeitet werden muss.

„Wir haben das Gebäude zunächst einmal auf die Seite gelegt“, hatte Imir Ganiju, der Bruder des Besitzers, im Wissen um die erforderlichen Investitionen schon vor zwei Jahren nach dem Erwerb des verwunschenen Gutes in Vorhalle gesagt.

Dem Eigentümer bleibt jetzt noch bis Oktober Zeit, um einen Bauantrag zu stellen, dann läuft die mit der Bauvoranfrage verbundene Zwei-Jahres-Frist ab und das umständliche, behördliche Nutzungsverfahren müsste von vorn beginnen.

Hundertjähriger Schlaf

Den meisten Vorhallern wäre ein Swingerclub oder ein ähnliches Etablissement fleischlicher Sinnesfreuden in ihrer Nähe wohl ohnehin nicht recht, obwohl die Bevölkerung wegen der versteckten Lage kaum etwas vom dortigen Treiben mitbekommen würde. Günter Mosch beobachtet seit Jahrzehnten den Verfall des denkmalgeschützten Fachwerkensembles an der Weststraße 145, als engagierter Lokalpolitiker und Mitglied der Bezirksvertretung Nord durfte er das altersschwache Haus vor einigen Jahren betreten: „Auch im Inneren sieht es nicht gut aus. Man muss aufpassen, wo man hintritt.“

Der ins Kraut geschossene Park mit dem lieblichen Pavillon ist längst mit einem hässlichen Metallzaun abgesperrt, das gusseiserne Tor mit den stilisierten Blättern durch ein Schloss gesichert. Immerhin sind die beiden großen Wachhunde, die hier eine Zeit lang patrouillierten, verschwunden, und seitdem das Bauordnungsamt dem Besitzer untersagt hat, das Gebäude weiterhin als Elektrolager zu missbrauchen, scheint Gut Niederste Hülsberg in einen hundertjährigen Schlaf versunken zu sein. „Es lässt sich schon lange niemand mehr blicken“, berichtet Rentner Karl-Hans Lange aus der benachbarten Kleingartenanlage In der Aue.

Solange das Gebäude gesichert sei, seien Zwangsmaßnahmen gegen den Inhaber nicht gerechtfertigt, erläuterte Ina Hanemann von der Denkmalschutzbehörde im Rathaus jüngst auf Anfrage von Günter Mosch. Sicherlich befinde sich das Haus in einem traurigen Zustand, es sei auch regelmäßig Gegenstand der Dienstbesprechungen, doch der Inhaber habe sich seit langem nicht mehr gemeldet: „Wir warten und warten auf den Bauantrag.“

Gut Niederste Hülsberg droht, ähnlich wie das ehemalige Kekswerk der Firma Brandt in Haspe, zu einer dieser unendlichen Hagener Geschichten zu werden, in denen der Denkmalschutz zumindest eine unglückliche Rolle spielt. „Wir können doch nicht abwarten, bis das Haus in ein paar Jahren einfach zusammenfällt“, empört sich Günter Mosch.

Genau danach sieht es derzeit leider aus.