Hagen.

Ein Hauch schlüpfriger Reeperbahn-Atmosphäre schwebt über den tristen Gemäuern des alt-ehrwürdigen Gutshofs in Vorhalle, der seine besten Tage schon lange hinter sich hat. Das einst stolze denkmalgeschützte Fachwerkensemble, dessen Haupthaus 1785 von Johann Peter Niederste-Hülsberg errichtet wurde, ist in einem erbärmlichen Zustand. Geborstene Fensterscheiben, zersplitterte Schieferplatten und hässliche Graffiti an Wänden und Mauern sind nur die offenkundigen Zeichen für das augenscheinliche Dahinsiechen des Hofes. Die Stadt Hagen muss seit vielen Jahren für die Sicherung und den baulichen Erhalt der Gebäude sorgen, damit wenigstens die bauliche Substanz erhalten bleibt.

Nun hat der Geschäftsführer eines großen Bordellbetriebs auf St. Pauli nach Recherchen dieser Zeitung das Gut Niederste Hülsberg in Hagen-Vorhalle erworben. Dort plant der Investor eine erotische Vergnügungsstätte.

Hohe Investitionskosten verschreckten bis dato Interessenten

Für das Gut hatten sich immer wieder Investoren interessiert, schreckten aber nicht zuletzt vor den hohen Investitionskosten zurück. Zuletzt sollte dort ein Restaurant entstehen, ein anderer Investor plante einen Fortbildungssitz für ökologisches Bauen mit Strohballen. Vor einigen Jahren sollte dort eine Hühnerfarm etabliert werden.

Das Gut Niederste Hülsberg in Vorhalle. Foto: M. Kleinrensing
Das Gut Niederste Hülsberg in Vorhalle. Foto: M. Kleinrensing © WP Michael Kleinrensing

Jetzt soll ein Gewerbe für die Rettung des Guts Pate stehen, das deutlich älter ist als das Fachwerkensemble selbst. Wie berichtet hat die Verwaltung der Stadt Hagen eine Bauvoranfrage für eine Umwidmung des Komplexes in eine „Vergnügungsstätte mit erotischem Séparée und Wellnessbereich und 54 Parkplätzen“ vor einigen Wochen positiv beschieden. Bei dem Investor handelt es sich nach Informationen dieser Zeitung um den Geschäftsführer eines der größten Bordellbetriebe auf der Reeperbahn.

"Paradise Point of Sex" auf St. Pauli

Im Grundbuch am Amtsgericht Hagen ist als aktueller Eigentümer des Grundstücks Redjep Ganiju eingetragen, der auch Geschäftsführer des "Paradise Point of Sex", einem lukrativen Erotikbetrieb auf St. Pauli, ist. Er ist darüber hin­aus als Geschäftsführer der St. Joseph Hotels GmbH eingetragen, die ebenfalls auf der sündigen Meile in Hamburg beheimatet ist. Das Paradise Point of Sex wirbt damit, mit 100 Zimmern einem Dominastudio und verschiedene Themenzimmern das größte Laufhaus Hamburgs und das zweitgrößte Europas zu sein. In einem Laufhaus mieten Prostituierte Zimmer an, um bei geöffneter Tür auf Kunden zu warten.

Welches Genre eines Erotikbetriebs – Bordell, Laufhaus, Swingerclub oder ein Etablissement anderer Art fleischlicher Sinnesfreuden – am Gut Niederste Hülsberg geplant wird, ist laut Aussage des Bruders des Eigentümers Redjep Ganiju noch unklar. „Wir haben das Gebäude gekauft und zunächst einmal auf die Seite gelegt“, sagte Imir Ganiju im Telefongespräch mit dieser Zeitung. Er selbst sei bereits vor Ort in Vorhalle gewesen. „Da muss viel Geld investiert werden“, urteilt Ganiju. Er glaube nicht, dass sein Bruder und er noch im Laufe des kommenden Jahres in einen Umbau des Gebäudekomplexes investieren werden. Nach dem positiven Bescheid der Bauvoranfrage bleiben dem Eigentümer jetzt zwei Jahre Zeit, um einen Bauantrag zu stellen.

Während für die Stadtverwaltung die Umwidmung des Guts Niederste Hülsberg in einen Erotikbetrieb unter Einhaltung denkmalrechtlicher Auflagen unproblematisch wäre, wird die aktuelle Nutzung des Ensembles als rechtlich heikel eingeordnet. Denn die Gebäude dienen seit einigen Monaten als Lager für Elektroartikel. Dafür, heißt es seitens der Verwaltung, seien weder eine Baugenehmigung noch eine denkmalrechtliche Erlaubnis beantragt beziehungsweise erteilt worden. Die Verwaltung hat daher ein ordnungsbehördliches Verfahren gegen den Eigentümer eingeleitet. Bis zum 15. Dezember dieses Jahres muss er demnach das Lager aufgelöst haben.