Hagen. . Das Handelsforum bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen beschäftigt sich mit den Auswirkungen des demografischen Wandels. 2030 wird es in Deutschland 33 Prozent mehr Menschen über 65 Jahre geben. Der Handel sollte sich darauf einstellen.
Sitzt eine alte Dame in einer Buchhandlung. Jeden Tag eine Stunde - ohne je etwas zu kaufen. Der Verkäufer spricht sie an, hat den Auftrag, sie notfalls hinauszuwerfen. Flehentlicher Blick: „Wo soll ich denn sonst hin? Mein Mann ist vor ein paar Wochen gestorben.“
Das Beispiel macht das Dilemma des Handels in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich: Einerseits die Kunden vom Sofa und vom Internet wieder in die Innenstädte zu bekommen und sich andererseits darauf vorzubereiten, dass diejenigen, die dann kommen, in der Mehrheit nicht die von der Werbung umschmeichelte jung-dynamische Zielgruppe sein wird.
„Wir werden weniger, älter und bunter“, umriss Hans-Peter Rapp-Frick, Hauptgeschäftsführer der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen zum Auftakt des gemeinsamen Handelsforums der drei südwestfälischen Kammern das Problem. Älter heißt, dass sich der südwestfälische Handel auf die speziellen Bedürfnisse der älteren Kundschaft einstellen muss. Wie, das beschrieb Prof. Andreas Kaapke von der Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart ebenso amüsant wie kurzweilig.
Erlebniseinkauf? Sozialeinkauf!
Seine erste Erkenntnis: Die Einzelhändler müssen sich darauf einstellen, dass zum Bedarfseinkauf, Erlebniseinkauf oder Frusteinkauf der Kunden künftig immer stärker die soziale Funktion des Einkaufens treten wird. Die Älteren wollten unter Menschen sein - ob in den Wartezimmern der Ärzte oder beim Shoppen: „Das wird auf uns zukommen“, so Kaapke.
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Die Statistik liefert beunruhigende Zahlen: Die Bevölkerung in Deutschland wird bis 2030 um fünf Millionen auf 77 Millionen abnehmen, es wird 33 Prozent mehr Menschen über 65 Jahre geben. Die Babyboomer-Generation der starken Jahrgänge 1955 bis 1965 mit bis zu 1,3 Millionen Geburten (1964) kommt langsam in die Nähe der Rente.
Was unterscheidet Ältere als Kunden von Jüngeren: Höhere Markentreue, höhere Nachfrage nach Beratung, mehr Besuche in Fachgeschäften, weniger Kenntnis von Produkten und Trends und eine größere Distanz zur Sprache der Werbung, zählt der Professor auf.
Parkplätze sind wichtig
Und der Einzelhandel kann seiner Ansicht nach viel tun, um ältere Kundschaft anzulocken und nicht abzuschrecken. Das beginnt bei der Größe und Nähe der Parkplätze, der Gestaltung der Außenfront mit Sortiment und Öffnungszeiten, Sauberkeit, Beleuchtung, Barrierefreiheit, breiten Gängen, geht über Ruhezonen, Klimatisierung, zuziehbare und ausreichend lange Vorhänge an Umkleidekabinen und endet bei rutschfesten Bodenbelägen, lesbaren Preisschildern, schnell erreichbaren Toiletten und nicht zuletzt Verkäufern im Alter der Kunden.
„Irgendwann steht im Laden immer eine Renovierung an“, machte Kaapke den anwesenden Einzelhändlern Mut. Unterstützung beim Einpacken an der Kasse habe sich dagegen nicht bewährt und führe rasch zu lautstarken Missverständnissen, so der Experte. „Viele Ältere glauben dann, man wolle ihnen die Ware wieder wegnehmen.“