Siegen/Hagen/Arnsberg. . Die Branche sieht sich nach Skandalen um Bespitzelungen von Mitarbeitern und Dumping-Löhnen in schiefem Licht und hat eine Studie in Auftrag gegeben, die jetzt auf dem Handelsforum in Siegen vorgestellt wurde

Der Einzelhandel hat es nicht leicht bei jungen Leuten, ob Schüler oder Uni-Absolventen. Für den Einkaufsbummel sind etwa die großen Filial-Modehausketten durchaus beliebt, aber als Arbeitgeber schlagen ihnen deutliche Vorbehalte entgegen. Und das in Zeiten des demografischen Wandels, in denen Unternehmen händeringend nach qualifizierten Nachwuchskräften suchen. Das ist eines der Ergebnisse einer Grundlagenstudie, die Dipl. Psychologin Bettina Willmann vom Institut für Handelsforschung in Köln auf dem Handelsforum der drei südwestfälischen Industrie- und Handelskammern gestern in Siegen vorstellte.

Demnach hat die Diskussion um Mitarbeiter-Bespitzelung und Dumping-Löhne bei einigen Ketten ihre Wirkung auf die jungen Leute nicht verfehlt. Das Image des Einzelhandels könnte besser sein, und damit hat die Branche ein Problem. Allein schon die Frage nach den beliebtesten Arbeitgebern bei Universitäts- und Fachhochschule-Absolventen brachte Bettina Willmann zufolge für die Unternehmen ernüchternde Ergebnisse. Während etwa Autohersteller weit vorn lagen, folgten, wie sie formulierte, „die Fußgängerzonenkönige“ erst ab Platz 20. Bei den Schülern rangierte der Einzelhandel auf Platz 6 der beliebtesten Branchen als Arbeitgeber, bei den Absolventen immerhin auf Platz 3. Dafür wusste knapp die Hälfte der Befragten laut Studie keinen Wunsch-Arbeitgeber in der Branche zu benennen. Und, noch schlimmer: 44 Prozent der befragten Absolventen bezeichnete den Handel als schlechter als andere Arbeitgeber, 30 Prozent hatten schon mal ein Unternehmen boykottiert.

Das kann nicht nur daran liegen, dass Personalgewinnung und -Entwicklung in der Branche in der Regel eine nachrangige Rolle zukommt, am geringsten ist sie offenbar bei kleinen inhabergeführten Betrieben ausgeprägt. Augenscheinlich trauen potenzielle Bewerber dem Einzelhandel in punkto Arbeits-Inhalte und -Atmosphäre sowie Karrieremöglichkeiten und Vergütung nicht viel zu, wie Willmann ausführte. Bei jungen Frauen komme noch eine vermutete geringe Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinzu.

Wenn sie sich für einen Arbeitgeber in der Branche entscheiden müssten, zuckten immerhin 39 Prozent der Absolventen ratlos mit den Schultern, 13 Prozent nannten den Metro-Konzern, fünf Prozent den Discounter Aldi. Bei den Schülern konnte sich Willmann zufolge gar kein Handelsunternehmen mit einem Arbeitgeber-Image profilieren. Und das, obwohl erwiesenermaßen Karrieren im Einzelhandel, etwa der Weg zum Filialleiter, in der Regel weit schneller verlaufen als in anderen Branchen und befragte Mitarbeiter laut Studie deutlich positiver über ihre Arbeitgeber urteilten als Externe. Als Stärken ihrer Tätigkeit nannten sie etwa eigenverantwortliches Handeln und Abwechslung, Schwächen waren für die Einzelhandels-Beschäftigten Weiterbildung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Nachdem Bettina Willmann in die etwas betroffenen Gesichter der auf dem Forum versammelten südwestfälischen Einzelhändler geblickt hatte, konnte sie mit konkreten Vorschlägen zur Personalgewinnung doch noch etwas Zuversicht verbreiten. „Betonen Sie die Vorteile des Handels als Arbeitgeber“, forderte sie die Zuhörer auf, „machen Sie die Branche zur Marke, schaffen Sie früh Begeisterung, setzen Sie sich für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein.“

Als vorbildliche Beispiele für moderne Personalgewinnung nannte sie den Internet-Auftritt des Möbel-Riesen Ikea, in dem interessierte junge Leute anhand eines Fragebogens schon früh ihre Eignung zum Mitarbeiter testen können. Und auch die jüngere Rentner-Generation wird eingebunden. So glänzt ihren Worten zufolge die Lebensmittel-Gruppe Rewe regional mit einem kinderlieben Senior. Droht Dienstliches an fehlender Kinderbetreuung der Mitarbeiterin zu scheitern, springt ein freundlicher „Leih-Opa“ ein.