Wetter/Hagen/Dortmund. Nach dem tödlichen Unfall auf der A1 bei Hagen steht fest: Die 23-Jährige starb, weil sie auf der Fahrbahn überrollt wurde. Die Ermittlungen zum Unfallhergang laufen auf Hochtouren. Tödliche Unfälle mit Fahrerflucht sind zwar extrem selten - Unfallflucht an sich in NRW aber ein Massenphänomen.

Wie kam es zu dem verheerenden Unfall auf der A1 bei Volmarstein? Warum geriet der überbesetzte Renault Twingo außer Kontrolle? Viele Fragen sind noch offen nach dem Unglück vom späten Samstagabend.

Spekulationen gibt es am Dienstag, neue Informationshäppchen von verschiedenen Seiten - aber kaum Definitives. Fest steht: Die 23-jährige Düsseldorferin, die aus dem Unfallauto geschleudert wurde, starb, weil sie auf der Fahrbahn überrollt wurde. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstagnachmittag mit.

Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Noch am Montag hatten Experten vom LKA die Autobahn für die Spurensuche gesperrt, Luftaufnahmen und Messungen am Unfallort gemacht. Es werde "zahlreichen Hinweisen von möglichen Zeugen" nachgegangen.

"Aussagekräftige Ergebnisse" erst in einigen Wochen

Mehr wollen Polizei und Staatsanwaltschaft nicht sagen. "Mit aussagekräftigen Ergebnissen kann erst in einigen Wochen gerechnet werden", heißt es in der Pressemitteilung. Vorher und darüber hinaus: Sendepause.

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Manches, was bereits als zweifellos erschien, ist im Laufe der vergangenen Tage wieder unsicher geworden. In der ersten Pressemitteilung der Polizei vom frühen Sonntagmorgen hieß es noch, die 23-Jährige sei "von zwei Pkw überrollt worden. Anschließend entfernten sich die beiden Fahrzeuge, ohne an der Unfallstelle anzuhalten und Feststellungen zu ermöglichen". Mittlerweile äußern sich die Ermittler dazu deutlich zurückhaltender. Ob wirklich zwei weitere Autos beteiligt waren - das ist fraglich.

Ein Unfallflüchtiger hat sich gemeldet

Zumindest ein Unfallflüchtiger hat sich derweil am Sonntag gemeldet. Offiziell teilen die Ermittler dazu mit: "Ein 36-jähriger Mann aus Schwerte hatte sich bereits kurz nach dem Unfallgeschehen gemeldet und angegeben, er habe zur Unfallzeit mit seinem Pkw die Unfallstelle durchfahren." Er sei vernommen worden und habe sein Auto freiwillig für die Spurensicherung zur Verfügung gestellt.

Noch am Montag hatte es vonseiten der Staatsanwaltschaft geheißen, der Mann habe vermutlich unmittelbar nichts von dem Vorfall mitbekommen.

Fahrerflucht als Massenphänomen bei jedem fünften Unfall 

Kann das sein? Dass man einen Menschen an- oder überfährt und es nicht mitbekommt? Ulrich Chiellino, Verkehrspsychologe beim ADAC, schließt das zumindest nicht aus. "Bei Tag", sagt er, "würde ich sagen: nein, das geht nicht." Aber nachts, in der Dunkelheit, womöglich bei hoher Geschwindigkeit - da entscheide ein winziger Moment. Einmal kurz nicht auf die Straße geguckt, ein Schlag gegen das Auto, ein Rumpler, Dunkelheit im Rückspiegel - da fragt sich der Autofahrer womöglich erst einmal: War da was?

Wer Fahrerflucht begeht, will sich der Situation nicht stellen

Chiellino will nicht rechtfertigen, er versucht, das Phänomen theoretisch zu erklären. "In solch einer Situation klammert man sich womöglich an alle Argumente, die die Gegenthese zulassen", sagt er. Eben: Da war nichts, ein Kleintier vielleicht... Und schon ist man weitergefahren, und der Schritt zum Umkehren und Anhalten wird ungleich schwerer.

Solche Situationen, sagt Verkehrspsychologe Chiellino, seien "extrem außergewöhnlich". Deshalb fehlten Betroffenen womöglich entsprechende Verhaltensmuster. Dann könne es in der Kurzschlussreaktion einfacher erscheinen, sich der Situation nicht zu stellen - und abzuhauen.

Unfallflucht ist eine Straftat - und ein Massenphänomen

Insgesamt aber kann man Unfallflucht als Massenphänomen bezeichnen, bestätigt auch das nordrhein-westfälische Innenministerium. In knapp 116.000 der rund 577.000 Verkehrsunfällen, die sich laut Statistik 2012 auf NRW-Straßen zugetragen haben, haben sich Beteiligte unerlaubt vom Unfallort entfernt. Heißt: Bei jedem fünften Unfall kam es zu Fahrerflucht. Tendenz in den vergangenen Jahren: steigend.

Polizei"Bei den allermeisten Fällen", sagt ein Ministeriumssprecher, "handelt es sich um Unfälle nur mit Sachschaden." Rempler auf dem Supermarktparkplatz etwa; das, was man als Bagatellfälle bezeichnen könnte. Wobei der Sprecher auch direkt betont: "Wer sich vom Unfallort entfernt, begeht eine Straftat!"

Von 14 tödlichen Unfällen mit Fahrerflucht wurden 13 aufgeklärt

Die Chance, unentdeckt zu bleiben, ist in den Fällen ohne Personenschaden indes relativ groß: Nur 45,6 Prozent der Unfallfluchten wurden laut Innenministerium aufgeklärt. Zwei Drittel aller Fälle sind es bei Unfällen mit Verletzten - und gar 93 Prozent bei jenen mit Todesopfern.

14 tödliche Unfälle mit Fahrerflucht gab es im vergangenen Jahr. 13 von ihnen wurden aufgeklärt. In diesem Jahr stellt nicht nur der Unfall auf der A1 die Ermittler vor Rätsel. Erst Ende Mai 2013 war ein lebloser Mann auf der Bottroper Straße in Essen gefunden worden; mutmaßlich überrollt von einem Autofahrer. Der Unbekannte ist bis jetzt nicht gefunden.