Hagen. .

Tagelang hatte sich Osman Ö. (40) vor dem Schwurgericht anhören müssen, was seine Kinder und sein Schwager von ihm halten: Nämlich nichts. Der Mordangeklagte sei ein gewalttätiger Familientyrann gewesen, der seine Frau und seine sechs Kinder regelmäßig schlug und sich als Pascha aufspielte. Osman Ö. schwieg dazu – bis gestern.

Die erste Überraschung im Prozess zeichnete sich bereits ab, als der sechsfache Vater kurz nach halb zehn in den Gerichtssaal geführt wurde: Der zottelige Bart ist ab. Sein weißgrauer Kinnbart, den sich Osman Ö. im Gefängnis hatte wachsen lassen und der an jedem Prozesstag zum ungepflegten Hingucker wurde, war wegrasiert. Und dann kündigte Verteidiger Lutz Mollenkott auch noch an, sein Mandant wolle sich jetzt zum Tatvorwurf einlassen.

„Danach ist es in mir geplatzt“

Die Anklage geht davon aus: Es sitzt ein Mörder vor Gericht, der im Dezember in einer Dachgeschosswohnung am Graf-von-Galen-Ring ein Blutbad anrichtete, seine Ehefrau Elif (37) mit zwei Pistolenschüssen regelrecht hinrichtete, seinen Sohn Serdar (19) ebenfalls töten wollte und schwer verletzte.

Osman Ö. sieht alles anders: „Was die Kinder gesagt haben, ist alles gelogen. Ich schwöre es auf den Namen Allah.“ So habe er am Tattag nicht zum Bügeleisen gegriffen, um damit auf seine Frau einzuschlagen, er habe das Bügeleisen genommen, um damit seine Hose zu bügeln.

Und die Ehefrau, die sich vor dem brutalen Angriff ins Badezimmer flüchtete und dort ängstlich verbarrikadierte? Er hätte doch nur Wasser zum Bügeln aus dem Bad holen wollen. „Danach ist es in mir geplatzt, wie es passiert ist, weiß ich nicht“, blendete Angeklagter Osman Ö. das grausame Verbrechen einfach aus.

Urteil noch nicht gefallen

Das tödliche Projektil drang direkt in den Hinterkopf von Elif Ö. ein. Aber der Angeklagte beteuert: „Ich glaube nicht, dass irgendjemand seine Frau mehr geliebt hat als ich.“ Und die zahlreichen Schüsse auf den Sohn? Eine Kugel traf Serdar an der Hand und am Ohr, eine weitere durchschlug die linke Wange. „Ich wollte ihn doch nur einschüchtern.“ Deshalb habe er zweimal in die Tür geschossen, hinter der er sich verschanzt hatte: „Papa, töte mich nicht!“ Und lediglich, um ihm mehr Angst zu machen, „habe ich noch zweimal hin- und hergeschossen.“

Osman Ö. entschuldigt die Tat mit Depressionen: „Eine Krise. Ich bin seit Jahren in Behandlung.“ Er jammert: „Mein Kopf ist leer. Ich bin verrückt, habe keinen Verstand mehr.“ Der Gerichtsgutachter sieht es anders, erklärte ihn für voll schuldfähig. Am Mittwoch soll das Urteil verkündet werden.