Hagen-Haspe. . Als 2011 die Erde in Japan bebte, dachte Kazuhiko Kobayashi, dass er das Beben, das auch das Atomkraftwerk in Fukushima zerstörte, nicht überleben würde. Doch er tat es. Nun reist er durch die Welt, um von seinen Erfahrungen zu berichten. Dabei wird er vom japanischen Geheimdienst streng beäugt.
Kobayashi, das ist in Japan so geläufig wie Müller oder Schmidt. Kazuhiko Kobayashi ist also in gewisser Weise ein sehr geläufiger Japaner. Was man übrigens auch daran erkennt, dass er als Redner erstmal ein Foto von seinem Publikum knipst, bevor er einen Vortrag hält, der die Augen öffnet. Der auch Angst macht. Der überrascht. Weil er so echt ist.
Kazuhiko Kobayashi hat sich schützend über seine 94-jährige Mutter gelegt, als am 11. März 2011 in Tokyo die Erde bebte. „In meinem Kopf war klar: Ich überlebe das nicht.“
Station im Christian-Rohlfs-Gymnasium
Er hat es überlebt. Und mit seinen Erfahrungen und vor allem seinem Hintergrundwissen reist der 67-Jährige durch die Welt. Am Montag machte er Station im Christian-Rohlfs-Gymnasium, am Hildegardis-Gymnasium und abends im Rahel-Varnhagen-Kolleg.
In der Aula des Christian-Rohlfs-Gymnasiums stieß der Japaner, der 29 Jahre lang in Deutschland lebte und daher fließend Deutsch spricht, auf eine Mucksmäuschenstille. „Es kann sein, dass die japanische Geheimpolizei mich vielleicht irgendwann verschwinden lassen wird“, erklärte Kobayashi, „dann möchte ich, dass ihr den Protest weiter aufrecht erhaltet.“
Fukushima ist bei Kobayashis Vortrag nah
Es ist eine Sache, im Unterricht über Dinge zu sprechen, die nicht im eigenen Lebensbereich geschehen. Geschichte aufzuarbeiten. Die Theorie zu studieren. Ein Zeitzeuge allerdings wirft alles Abstrakte über den Haufen. Als Kazuhiko Kobayashi vor den rund 200 Schülern spricht, ist Fukushima plötzlich so nah wie das Ennepe-Ufer.
Kobayashi war auf Einladung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) nach Hagen gekommen, um im Rahmen der Tschernobyl-Aktionswoche zu referieren. Heute reist der Japaner weiter nach Paris, ehe es zurück in seine Heimat geht, wo Geheimdienste und die Regierung den Aktivisten streng beäugen.
Fotos aus dem Umkreis von Fukushima sorgten für Entsetzen
Für besondere Erschrockenheit in der CRG-Aula sorgten Fotos, die Plätze in einem Umkreis von 60 Kilometern um Fukushima herum zeigten. Auf vielen Bildern waren spielende Kinder zu sehen. Die Millisievert-Werte (Anm. der Red: So wird radioaktive Strahlung gemessen) überschreiten an diesen Orten die Zulässigkeit teilweise um das 60-fache.
Kobayashi ging hart ins Gericht mit der Verschleierungstaktik der japanischen Regierung, die die mächtige Atomindustrie zu schützen versuche. „Ich hoffe, dass euch dieser Vortrag hilft, euch eine bessere Meinung über die Geschehnisse zu bilden. Nichts ist in Japan, wie es scheint. Große Regionen müssten eigentlich evakuiert werden.“