Hagen/Lüdenscheid. Iptihal Z. (20) aus Schwerte musste sterben, weil ihr Lebensstil „zu westlich“ war. Ende August 2008 wurde die junge Libanesin auf einem Autobahnparkplatz an der A45 erschossen. Ein Cousin wurde bereits vor drei Jahren zu 14 Jahren Haft verurteilt. Jetzt müssen sich weitere Familienangehörige in Hagen vor Gericht verantworten.

Iptihal Z. war erst zwanzig, als sie sterben musste. Die Libanesin wurde auf einem Rastplatz an der A45 durch einen Kopfschuss hingerichtet. Das Familientribunal hatte es kurz zuvor so beschlossen. Begründung: Der Lebenswandel der jungen Frau sei „zu westlich“ gewesen.

Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen beginnt am Freitag, 13 Uhr, im Hagener Landgericht der Prozess gegen vier Angehörige: Die Mutter (49) der Getöteten, der jüngere Bruder (zur Tatzeit 16 Jahre), sowie zwei Onkel (49 und 51 Jahre) sitzen nebeneinander auf der Anklagebank . Sie sollen entweder an der Planung oder der unmittelbaren Ausführung des Familienverbrechens beteiligt gewesen sein.

Mord mit großem Medieninteresse

Der „Mord im Namen der Ehre“, ein Begriff, den es im deutschen Strafrecht gar nicht gibt, stößt auf großes Medieninteresse. „Nahezu 30 Journalisten und sechs Fernsehteams haben sich angesagt“, weiß Gerichtssprecher Jan Schulte.

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Rückblende auf die Nacht zum 31. August 2008. Über die Autobahn 45, der Sauerlandlinie, rauschen zahlreiche Autos in Richtung Lüdenscheid. Aber kein Fahrer bemerkt, dass sich nur wenige Meter entfernt, auf dem Parkplatz „Sterbecker Siepen“, ein grausames Todesdrama abspielt. Drei Männer zerren die 20-jährige Iptihal aus dem Kofferraum eines Fords, schleppen sie auf eine Wiese, halten sie fest. Dann fallen drei Schüsse. Eine Kugel ist tödlich und durchschlägt den Kopf der jungen Frau aus Schwerte.

Großfamilie habe die Hinrichtung beschlossen

So hat es das Hagener Landgericht bereits in einem rechtskräftigen Urteil vom 19. Januar 2010 festgestellt. An diesem Tag wurde der syrische Cousin (21) der Getöteten, der bei der Tat auf dem Parkplatz dabei war, zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Die gesamte Großfamilie habe die Hinrichtung beschlossen, stellte die Kammer fest. „Das war keine Spontantat“, befanden die Richter, „sondern von langer Hand geplant.“

Was hatte die 20-Jährige aus Sicht ihrer traditionell-muslimischen Familie falsch gemacht?

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Von Von Sylvia Mönnig und Michael Schuh

Es lag an ihrem westlich orientierten Lebensstil. Iptihal mochte es, sich betont weiblich anzuziehen, mit Freunden in die Disco zu gehen. Sie rauchte in der Öffentlichkeit, und zog mit ihrem türkischen Freund zusammen. Ein Verhalten, das die übrigen Familienmitglieder verachteten, weil es nicht ihren Wertevorstellungen entsprach. Deshalb war die junge Frau zuletzt ständigen Vorwürfen, Nachstellungen und Bedrohungen ihrer Angehörigen ausgesetzt.

Sie floh in ein Frauenhaus. Die letzten Wochen im Leben der Libanesin waren geprägt von großer Angst. Die Mutter drohte, es werde ein Unglück geschehen. Um die vermeintlich besudelte Familienehre wieder herzustellen, hätten Onkel und Bruder schließlich Iptihals Tod gefordert.

Im nun beginnenden Verfahren sind 33 Verhandlungstage anberaumt. Die vier Angeklagten, die in Untersuchungshaft sitzen, werden von acht Anwälten verteidigt.