Hagen.. Schmerzensgeld-Klagen, ein nackter Mann auf dem Balkon und ein Rechtsanwalt, der seine Robe in den Saal warf - vor den Hagener Gerichten spielte sich im vergangenen Jahr so manches Ereignis ab.

Verzweiflung, Trauer, Wut. Und Tränen: manchmal aus Ärger, oftmals aus Freude. Die Gerichte in Hagen boten 2012 eine Bühne für große Emotionen. Einiges blieb hängen. Ein ganz subjektiver Rückblick auf Prozesse, die uns bewegten.

Große Gage für keinen Auftritt: An diesen lyrischen Tenor wird man sich im Stadttheater noch lange erinnern, obwohl man ihn dort weder sah noch hörte. Aber genau das war der Fehler. Thomas S. (58) stammt aus München und hatte sich in Hagen als Chorsänger beworben. Doch dummerweise war er nicht zum Vorsingen eingeladen worden. Eine verhängnisvolle Unterlassung. Der Tenor ist schwerbehindert und fühlte sich diskriminiert. Das Arbeitsgericht, aber auch das Landesarbeitsgericht, gaben ihm recht. Knapp 3000 Euro „Entschädigung“ mussten am Ende fließen: „O Kohle mio.“

Schmerzensgeld-Klagen mit tragischem Hintergrund

Schmerzensgeld-Klagen mit tragischem Hintergrund. So wie im Fall des vierjährigen Hamza. Der Junge stürzte in einem Hagener Kaufhaus auf der Rolltreppe, geriet mit seiner Hand zwischen die Stufen. Ein Ringfinger musste amputiert werden. Vor dem Landgericht gab’s 10.000 Euro.

Ein weiterer Horror-Unfall beschäftigt derzeit eine andere Zivilkammer am Landgericht. Während der Fahrt mit einer historischen Dampflok hatte sich der Heizer (50) aus dem Fenster gelehnt. Im Rembergtunnel prallte er voller Wucht mit dem Kopf gegen eine Leuchte. 100.000 Euro fordert die Schwester des Schwerverletzten. Der liegt seit 21 Monaten im Wachkoma.

Der nackte Mann vom Balkon gegenüber

Der nackte Mann vom Balkon gegenüber. Dem Rentnerpaar (beide 70 Jahre) schmeckte das Frühstück nicht mehr. Denn jedesmal, wenn sie aus ihrer Küche Am Waldesrand aus dem Fenster blickten, räkelte sich auf dem Balkon gegenüber ihr nackter Nachbar (44). Der hatte offenbar ganz viel Freude daran, sich hüllenlos zu zeigen. Jetzt ist der Spuk (vorerst) vorbei. Beim nächsten ungewollten FKK-Anblick muss der Nackedei für vier Monate hinter Gitter.

Kann man am Wasserkran katholisch werden? Mit dieser Frage musste sich das Amtsgericht befassen. Eine Oma hatte behauptet, sie hätte ihre Enkeltochter nach der Geburt im Allgemeinen Krankenhaus heimlich „notgetauft“. Am Waschbecken im Wöchnerinnenzimmer. Das darf sie nun nicht mehr sagen, befand Amtsrichter Dr. Harald Barkam. Der Volltext seiner Entscheidung wurde unter dem Titel „vorgetäuschte Zwangstaufe“ sogar in der „FamRz“ abgedruckt – der unter Juristen angesehenen „Zeitschrift für das gesamte Familienrecht“.

Der peinlichste Anwalts-Auftritt

Der peinlichste Anwalts-Auftritt. Den hat Richter Wolfgang Saur in einem Zivilverfahren erleben müssen. Vor ihm saß ein Advokat aus der Innenstadt und flegelte sich auf seinem Stuhl – weit zurückgelehnt, die Arme verschränkt und die Beine so übereinander gelegt, dass das Knie über die Tischkante ragte.

Vom Richter auf sein ungebührliches Verhalten vor Gericht angesprochen, flippte der Anwalt regelrecht aus. Er sprang auf, zog wütend seine Robe aus und warf sie in den Gerichtssaal. Dort blieb der schwarze Stoff auf dem Boden liegen. Gut 45 Minuten lang, wie Zeugen zu berichten wissen.

Der Rechtsvertreter ist für solche Exzesse bekannt. Gerne gibt er auch zum Besten, dass seine Ehefrau eine Richterin am Landgericht sei. Glücklicherweise aber nicht in Hagen. Und außerdem: Was kann die arme Gattin dafür, dass sich ihr Mann nicht benehmen kann?