Hagen/Breckerfeld. . Anklage hat die Staatsanwaltschaft Dortmund gegen einen 91-jährigen Breckerfelder erhoben. Der Mann soll 1944 einen Widerstandskämpfer erschossen haben. Ob das Hauptverfahren eröffnet wird, muss das Landgericht Hagen entscheiden.

Es wäre nicht der erste Kriegsverbrecher-Prozess, der vor dem Hagener Landgericht stattfindet. So die Richter das Hauptverfahren eröffnen, könnte es aber der letzte sein: Die Staatsanwaltschaft in Dortmund hat gegen einen 91-Jährigen Rentner aus Breckerfeld Anklage erhoben. Mord lautet der Vorwurf.

Vier Schüsse von hinten

Dem gebürtigen Niederländer Siert B. wird vorgeworfen, im September 1944 als Angehöriger eines deutschen Grenzpolizeipostens gemeinsam mit einem verstorbenen Mittäter den niederländischen Widerstandskämpfer Aldert Klaas Dijkema mit vier Schüssen von hinten getötet zu haben.

„Nach jetziger Bewertung des Sachverhalts sind wir von der Schuld und Täterschaft überzeugt“, so Andreas Brendel von der Staatsanwaltschaft Dortmund, die Zentralstelle in NRW für die Bearbeitung nationalsozialistischer Massenverbrechen ist. „Aus juristischer Sicht kommt es nicht darauf an, ob B. selbst geschossen hat. Er war aus unserer Sicht aktiv beteiligt. Der Widerstandskämpfer war am Vorabend festgenommen worden. B. und der Mittäter hatten vom Chef ihrer Dienststelle den Befehl erhalten, den Mann zu erschießen.“

„Und dann fiel der Mann um.“

Der Angeklagte hatte zunächst behauptet, zum Zeitpunkt des Mordes gar nicht am Tatort gewesen zu sein. Erst in einem Fernseh-Interview der ARD-Sendung Panorama, das am 26. Juli dieses Jahres ausgestrahlt worden war, hatte er eingeräumt: „Und dann bin ich ins Auto eingestiegen, habe mich neben den Mann gesetzt. Unterwegs blieb das Auto stehen. Und dann sind wir ausgestiegen, sind die Straße entlanggelaufen.“ Der Mittäter habe geschossen, erklärte Siert B. weiter. „Ich lief rechts und er links neben ihm. Und dann auf einmal hörte ich den Knall. Und dann fiel der Mann um.“

Die Vorwürfe der Dortmunder Strafverfolger lesen sich anders. Siert B. und der Mittäter hätten das Opfer mit einem Auto auf ein Gelände in der Nähe einer Fabrik gebracht. Dort hätten sie den Widerstandskämpfer aufgefordert, „mal eben pissen“ zu gehen. Vier Schüsse seien abgegeben worden. Zwei davon seien tödlich gewesen. Sie hätten das Opfer in den Hinterkopf getroffen. Später hätten B. und sein Mittäter angegeben, Dijkema auf der Flucht erschossen zu haben.

1949 zum Tode verurteilt

In den Niederlanden hatte ein Sondergericht B. 1949 zum Tode verurteilt. Durch einen Führer-Erlass aus Mai 1943 hatte er aber als Ausländer, der in nationalsozialistischen Verbänden Dienst tat, die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Das schützte ihn nach dem Krieg vor Auslieferung.

Auf der Anklagebank des Landgerichts hat Siert B. schon gesessen. 1980 wurden er und der Mittäter wegen der Ermordung zweier jüdischer Brüder zu sieben Jahren Haft verurteilt. Fünf Jahre davon saß er ab.

Ob Siert B. noch einmal auf die Anklagebank muss, müssen nun die Hagener entscheiden. Sie befinden darüber, ob das Hauptverfahren eröffnet wird.