Hagen. . Thalia-Chef Michael Busch im Interview: Die Konzernmutter Douglas steht hinter der Neuausrichtung des Filialisten. Noch vor Weihnachten kommt ein Tablet ins Sortiment. Entgegen anderslautenden Medienberichten will Thalia aber keine Bobbycars verkaufen.

Die Krise der Buchhandelsgruppe Thalia macht Schlagzeilen. Denn sie zeigt exemplarisch die Gefährdung des stationären Buchhandels durch das Internet und den damit verbundenen Umbruch der gesamten Buchbranche. Gleichzeitig ist sie ein Indiz für die schwierige Situation des Einzelhandels mit allen stadtplanerischen Konsequenzen. Derzeit gibt es zudem täglich neue Spekulationen, ob der Finanzinvestor Advent die Douglas-Tochter nicht doch verkaufen wird. Thalia-Geschäftsführer Michael Busch will den angeschlagenen Filialisten wieder in profitables Fahrwasser führen. Im Interview mit der WAZ Mediengruppe spricht der Manager über das Neuausrichtungs-Konzept der Buchhandelsgruppe.

Welche Fehler hat Thalia in der Vergangenheit gemacht?

Michael Busch: Wir haben eine Dekade hinter uns, in der wir Umsatz und Ergebnisse jedes Jahr steigern konnten. In den letzen beiden Jahren war das leider nicht mehr so, weil wir die Verschiebung ins Internet sehr stark zu spüren bekommen haben. Das schlimmste Jahr der Firmengeschichte liegt hinter uns. In der Wachstumsphase gab es Entscheidungen, zum Beispiel bei der Dimension der Buchhandlungen, die aus damaliger Sicht richtig waren. Aus heutiger Sicht wären zum Teil kleinere Flächen besser gewesen – aber hinterher ist man immer schlauer. Wir werden um eine Bereinigung des Standortnetzes nicht herumkommen, und es erhärtet sich unsere Aussage, dass wir im Rahmen des Neuausrichtungsprogramms etwa 15 Standorte schließen müssen. Das ist nicht schön – vor allem, weil damit auch menschliche Schicksale verbunden sind. Insgesamt wird das große Schiff Thalia künftig etwas kleiner und leichter für das gebaut, was vor uns liegt. Wir sind zuversichtlich, dass wir in den nächsten zwei, drei Jahren das Unternehmen zukunftsorientiert aufstellen können.

Die Konkurrenz durch das Internet, besonders durch Amazon, gilt als Ursache für die Thalia-Krise. Mit welchen Instrumenten wollen Sie Thalia wieder auf Kurs bringen?

Busch: Die Verlagerung ins Internet und die zunehmende Digitalisierung treffen die gesamte Branche, nur eben jeden ein bisschen anders. Die gute Nachricht für uns ist: Unsere Kunden bescheinigen uns enorme Kompetenz für Bücher und eine große lokale Verankerung. Darauf bauen wir auf und erfinden wir uns neu, ohne dabei unsere Seele als Buchhändler zu verlieren. Wir setzen auf ein Zusammenspiel aus flächendeckender lokaler Präsenz und Kompetenz, einem digitalen Angebot auf Augenhöhe mit den großen internationalen Anbietern und einem adäquaten Internetauftritt, wo unsere Kunden gern einkaufen.

Es wird derzeit viel über buchbegleitende Artikel gesprochen.

Busch: Der neue Kurs sieht auch eine Standortoptimierung vor, indem wir unser Kerngeschäft Bücher mit ergänzenden Sortimenten flankieren oder mit Shop-in-Shop-Partnern zusammenarbeiten. Es macht jedoch keinen Sinn, die Fläche irgendwie zu füllen und dabei unser buchhändlerisches Selbstverständnis zu verwässern. Die Sortimente müssen im Zusammenspiel mit den Büchern eine Geschichte erzählen, welche unsere Kunden verstehen.

In der Buchbranche sorgt die Tatsache für Kopfschütteln, dass Sie künftig Bobbycars verkaufen.

Busch: Bobbycars wird es bei Thalia nicht geben – da hat sich wohl jemand einen Scherz erlaubt. Wir setzen bei Spielwaren auf unsere Kernkompetenz von Wissensvermittlung und Bildung. Sie sind eine gute Ergänzung zum Kinderbuch, weil ein Kind nicht nur liest, sondern auch spielt, und gute Spielwarenfachgeschäfte sind weitgehend aus den Innenstädten verschwunden.

Wann starten Sie mit diesem Konzept?

Busch: Wir werden in 140 von 240 Filialen in Deutschland noch vor Weihnachten Spielwarensortimente einführen. Außerdem haben wir Papeterie, DVDs und CDs sowie Trend- und Geschenkartikel – aber immer mit Augenmaß, damit die Bücher nicht in den Hintergrund gedrängt werden. Und es ist uns wichtig, diese Sortimente mit der Kompetenz und dem Anspruch eines Fachhändlers zusammenzustellen und zu inszenieren. Mit externen Partnern arbeiten wir in den Bereichen Fotografie, Reise, Elektronik und Basteln zusammen. Wir setzen aber auch weiter auf lokales Engagement, beispielsweise mit eigenen Veranstaltungen wie Autorenlesungen oder mit lokalen Partnerschaften wie bei der lit.Cologne, die wir nun schon mehrere Jahre begleiten.

Welche Umsatzanteile erwarten Sie von den buchbegleitenden Sortimenten?

Busch: Bücher werden immer deutlich mehr als die Hälfte des Sortiments ausmachen. Aktuell liegen die ergänzenden Sortimente bei rund 20 bis 25 Prozent Anteil am Gesamtgeschäft, also bei rund 900 Millionen Gesamtumsatz etwa 200 Millionen Umsatz. Das Umsatzwachstum lag hier im letzten Jahr im zweistelligen Bereich.

Warum ist das Thema „Nonbooks“ dennoch so kompliziert?

Busch: Man muss das möglichst professionell und zielorientiert machen und wissen, was der Kunde möchte, sonst bleibt man auf den Beständen sitzen. Im Bereich Trend und Geschenke, beispielsweise, haben wir einiges ausprobiert und gesehen, dass weniger mehr ist. Hier greifen wir nun Themen gezielt auf, die eine sinnvolle Ergänzung zum Buch darstellen. Zum Beispiel den Schulanfang, wo es unser Anspruch ist, vom Buch kommend den gesamten Bedarf eines schulpflichtigen Kindes zum Schulanfang zu decken. Das passt zu unserem Selbstverständnis als Buchhändler und bietet Kunden zusätzliche Vielfalt.

Thalia wollte auch im Internet-Handel die Nr. 1 sein. Wie gehen Sie künftig mit dem Thema Online um?

Busch: Hier denken wir inzwischen anders. Die Marktforschung zeigt, dass Thalia den höchsten Prozentsatz von Kunden hat, die unsere Buchhandlungen zu ihrer Lieblingseinkaufsstätte erklären. Das ist höher als bei anderen Filialisten und auch höher als bei manchen Standortbuchhändlern. Diese Kunden möchten wir aus einer Hand und mit konstant hohem Service bedienen – egal über welchen Kanal sie zu uns kommen. Daher halten wir für sie einen adäquaten Online-Auftritt bereit, so dass sie auch für Internet-Einkäufe und Downloads bei Thalia bleiben und wir für sie auch dort die Nr. 1 sind.

Betrachten Sie die viel diskutierten E-Lesegeräte oder E-Bücher nicht als Konkurrenz zum Buch, sondern als parallele Nutzungsform des Buchs?

Busch: Elektronische Bücher haben aktuell noch einen Marktanteil zwischen ein und zwei Prozent, sie sind aber das Thema der Zukunft. Wir haben uns in diesem Markt früh engagiert und Kompetenz aufgebaut – heute haben wir bei den Geräten das breiteste Angebot unter den deutschsprachigen Buchhändlern. Noch vor Weihnachten bieten wir neben dem Einstiegssegment zwei neue Lesegeräte an – im Qualitätssegment und im Premiumsegment. Damit sind wir bestens aufgestellt. Ergänzt wird die Gerätefamilie durch ein Tablet für Multimedia-Nutzer, welches ebenfalls im Weihnachtsgeschäft erhältlich sein wird.

Unser großer Vorteil ist, dass Interessierte in unseren Buchhandlungen alle Geräte ausprobieren und fachkundigen Rat von den Buchhändlern einholen können. Wir haben da viel investiert und auch einen guten Marktanteil, der sich in Richtung 20 Prozent entwickelt.

Wie groß ist Ihre Sorge, dass Thalia verkauft wird?

Busch: Ich gehe davon aus, dass wir im ­Geschäftsjahr 13/14 wieder auf Reiseflughöhe sind und wieder profitabel arbeiten. Unser Ziel und der Weg, den wir beschreiten wollen, findet die Zustimmung aller relevanten Entscheidungsträger. Mit unserem Restrukturierungsprogramm kommen wir gut voran und konnten so Vertrauen gewinnen. Seit Start im April sind wir besser, als wir es uns vorgenommen haben, und sehen uns darin bestätigt, dass wir die richtigen Schritte eingeleitet haben.