Hagen. Der westfälische Friede wackelt - und die Erschütterungen in Münster strahlen aus ins Land. In der Stadt der Backsteinbauten wird über den Namen für d e n zentralen Platz diskutiert. Eine rechtsgerichtete Initiative möchte aus dem amtierenden Schlossplatz wieder den Hindenburgplatz machen. Während Paul von Hindenburg (1847-1934) zurzeit in Münster keine Ehrung im Straßenbild erfährt, ziert er in Hagen weiterhin ein Schild und die Liste der Ehrenbürger. Die Hindenburgstraße schlägt im Bahnhofsviertel die Verbindung von der Körner- zur Elberfelder Straße.

Hindenburg spaltet. Einigen gilt er als größter deutscher Nationalheld nach Otto von Bismarck, dabei ist geschichtlich erwiesen: „Hindenburg war der Steigbügelhalter Hitlers.“ Ralf Blank vom Historischen Centrum Hagen, dessen Spezialgebiet das Dritte Reich ist, räumt zwar ein: „Hindenburg war kein Nazi, eher schwarz-konservativ, aber er war der Totengräber der Weimarer Demokratie.“

Ohne Hindenburg wäre Hitler 1933 nicht Reichskanzler geworden. Blank vertritt beileibe keine Einzelmeinung. Die Historiker von heute – zuletzt durch die Biografie Hindenburgs von Wolfgang Pyta zementiert – sind sich einig: „Hindenburg war kein tattriger Greis, als den er sich selbst hinzustellen versuchte. Er hat bis zuletzt politisches Gespür gezeigt.“

Blank selbst hat auf Hindenburgs fragwürdige Persönlichkeit bereits vor zehn Jahren wissenschaftlich hingewiesen. Hindenburgs Beziehung zu Hagen ist eine besondere: Er ist Ehrenbürger der Stadt. Das Ehrenbürgerrecht ist die höchste Auszeichnung. „Die hat er nicht verdient“, resümiert Blank. „Sie wurde ihm parallel zu Hitler im April ‘34 vom ersten faschistischen Stadtparlament verliehen.“ Hindenburg bedankte sich freundlich in einem Schreiben. Das Dokument liegt im Stadtarchiv.

Umdenken in Bevölkerung hat eingesetzt

„Inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt“, begründet Blank die kommunalen Initiativen landauf, landab zur Umbenennung von Straßen, Plätzen oder Gebäuden. „Das ist eine Generationenfrage. Die Verantwortlichen von heute fangen jetzt an, das Dritte Reich anders zu bewerten.“ Zuletzt wurde in Hagen beispielsweise auf Betreiben der Bezirksvertretung Eilpe/Dahl die Carl-Diem-Straße in An der Turnhalle umbenannt. „Carl Diem war ein übler Geselle“, kommentiert Blank den Sportfunktionär im Hinblick auf sein Gebaren im Dritten Reich. Beim Sport fällt Blank auch Willy Weyer ein, der Hagener FDP-Landespolitiker.

„Was kaum einer weiß“, sagt Blank, „Willy Weyer war seit 1937 in der NSDAP.“ Das waren zu der Zeit allerdings viele. Dennoch: „Es wird behauptet, alles sei erforscht. Das stimmt nicht. Mindestens findet heute eine Neubewertung statt, aus der Distanz, aus der Nichtbetroffenheit.“ So lässt sich vielleicht erklären, dass erst 1971 eine Straße auf der Kipper nach einer Schriftstellerin benannt wurde, die als literarisches Aushängeschild der Nazis gilt: Agnes Miegel (1879-1964). Sie war seit 1937 in der NS-Frauenschaft und glorifizierte Adolf Hitler. In Hagen wurde ihr die Straße auf Wunsch des Bundes der Vertriebenen gewidmet.