Hagen/Bayreuth. . Heldentenor Klaus Florian Vogt ist ein Star und ein bodenständiger Familienvater zugleich. Im Interview spricht er über Verwundbarkeit und den Bildungsauftrag der Kultur: „Zum richtigen Singen und zur darstellerischen Arbeit gehört auch Emotion.“

So stellt man sich einen Heldentenor vor: blond, hochgewachsen, mit Pilotenschein, eigenem Flugzeug, Motorrad und – nicht zu vergessen - einer Jahrhundertstimme. Doch Klaus Florian Vogt ist viel mehr als das: nicht nur Tenor, sondern Musiker aus Leidenschaft, nicht nur ein Star, sondern bodenständiger Familienvater aus Überzeugung. Im Interview mit unserer Zeitung spricht er über die Verwundbarkeit eines Sängers und die Bedeutung seiner Frau für seine Karriere.

In Bayreuth werden Sie aktuell als Lohengrin enthusiastisch gefeiert. Ihre Stimme ist farbenreicher geworden und erhält dunklere Töne. Kann man das steuern?

Klaus Florian: Das ist eine Entwicklungssache. Man muss ein bisschen Geduld haben, dann stellt es sich von alleine ein. Persönlich halte ich es für gefährlich, das selber herzustellen. Weil man in diesem Moment die Stimme verstellt, und dann ist es nicht mehr die Stimme, die man eigentlich hat, sondern man drückt sie in eine Richtung, und ich glaube nicht, dass das auf Dauer förderlich ist. Ich warte lieber, bis es von alleine kommt. Und das bestätigt sich ja auch. Im Laufe der Jahre hat sich die Stimme etwas verändert und wird von ganz alleine heldischer, wenn man das so bezeichnen will.

In der Regel kann man Wagner-Sänger nicht verstehen. Bei Ihnen versteht man jedes Wort. Wie kommt das?

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Florian: Das hängt damit zusammen, dass ich mit meiner Stimme singe, das Material nehme, was da ist und nicht versuche, irgendwas schon hervorzuholen, was einfach noch nicht hervor will sozusagen.

Ihre Stimme ist reine Emotion, und ihr Gesang wirkt völlig unangestrengt. Das macht Ihre Zuhörer glücklich...

Florian: In dem Moment ist es eben auch nichts Aufgesetztes, sondern etwas, das natürlich kommt. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass man mit ein bisschen Bühnenerfahrung und natürlich mit mehr Lebenserfahrung mehr emotionale Register ziehen kann.

Sitzt immer jemand in der Vorstellung, der Ihnen Rückmeldung gibt?

Florian: In der Regel ist es meine Frau, die mir Rückmeldung gibt und die ein sehr gutes Ohr hat. Wir können Gottseidank ohne Rivalität ganz gut darüber reden. Meine Frau hat eine sehr wichtige Funktion.

Ist sie auch Sängerin?

Florian: Ja, sie hat den Hintergrund, und sie hat eben auch das Verständnis für sängerische oder künstlerische Belange. Auch für die Sorgen, die man in diesem Beruf hat, das ist ein wichtiger Faktor.

„Es geht mir um das Musizieren und um die Musik“

Sie haben zunächst Horn studiert und waren Hornist bei den Hamburger Philharmonikern. Das Horn gilt als das singende Instrument überhaupt. Und dann wird ein Hornist zum Tenor…

Florian: Ich bin in erster Linie Musiker, darauf lege ich Wert. Es geht mir um das Musizieren und um die Musik.

Sie werden als bester jugendlicher Heldentenor in deutscher Sprache verehrt. Aber auf dem Weg dahin gab es mancherlei Kritik. Wie schafft man es, nicht den Mut zu verlieren?

Heldentenore beschäftigen sich nicht mit Kritik 

Florian: Ich bin relativ früh dazu übergegangen, mich mit Kritiken nicht so sehr zu beschäftigen. Das kann man nicht ganz von sich fernhalten, aber als ich gemerkt habe, dass es mir nicht gut tut, mich zu viel damit zu befassen, habe ich es einfach gelassen, soweit das ging. Es sind ja nicht nur Kritiken, es sind ja auch andere Leute, die einem was ins Ohr flüstern. Lernen, zu filtern, was für einen gut ist und was nicht, das ist ein sehr schwieriger Vorgang. Aber auch hier ist es für mich ein Glücksfall, dass ich meine Frau habe, die mich in diesem Punkt auch beschützt und mich oft wieder in die richtige Richtung geschickt hat.

Ein Sänger ist ja besonders verwundbar, oder?

Florian: Zum richtigen Singen und zur darstellerischen Arbeit gehört eben auch Emotion, gehört, dass man sich öffnen muss. Und es gehört sehr viel Mut dazu, dass man die Schutzhülle fallen lässt. Und wenn in dem Moment da einer reinpiekt, dann tut das natürlich richtig weh. Das ist ein sehr komplizierter Prozess. Einerseits muss man sehr offen sein und Offenheit üben, für sich selber. Andererseits muss man sich auch schützen und sich ein dickes Fell zulegen. Das ist eigentlich unmöglich.

Mit den Kindern zu einem Konzert der Philharmoniker und Igudesman & Joo

Sie sind vor einiger Zeit mit Ihren vier Söhnen nach Hagen geflogen zu einem Konzert der Philharmoniker und Igudesman & Joo. Machen Sie so etwas öfter?

Florian: Klar, wenn ich merke, die Kinder haben Interesse daran. Wir suchen intensiv nach Angeboten, bei denen wir denken, das finden die bestimmt klasse. Wir waren jetzt zum Beispiel in Wunsiedel bei den „Blues Brothers“, eine Super-Show, daran habe ich ebenfalls einen Riesenspaß.

Es ist doch sicher eine Frage des Zeitfaktors, dass der Vater sagt: Kommt, Kinder, jetzt steigt mal ins Flugzeug?

Florian: Es ist eben aber auch schön, wenn die Kinder merken: Das ist natürlich ein anderer Papa, wenn der nicht selber auf der Bühne zu tun hat, sondern mit uns ins Theater geht.

Pilot mit eigenem Flugzeug

Sie sind Pilot mit eigenem Flugzeug, fahren Motorrad, übernachten lieber im Wohnmobil als im Hotel. Haben Sie auch einen Segelschein?

Florian: Doch, den habe ich auch. Ich bin als Kind 100 Meter vom Segelverein aufgewachsen, und da habe ich als Jugendlicher mit einem Opti angefangen und dieses Interesse am Segeln nie verloren.

Was fasziniert Sie daran?

Florian: Das ist wie beim „Parsifal“: Zum Raum wird hier die Zeit. Die Zeit spielt eigentlich gar keine Rolle mehr. Das ist das Schöne daran.

Die einmalige deutsche Theaterlandschaft erhalten

Die deutsche Theaterlandschaft ist massiv von Kürzungen bedroht. Was müsste passieren, damit auch Ihre Enkel noch in die Oper gehen können?

Florian: Es lohnt sich, Oper und Theater zu erhalten, sie sind ein Teil unserer Kultur. Niemand käme doch auf die Idee, Rothenburg ob der Tauber abzureißen oder den Kölner Dom. Die Theaterlandschaft, die wir in Deutschland haben, gerade mit den kleinen Theatern, das ist eine ganz einmalige Sache, das gibt es in keinem anderen Land. Das ist ein Teil unserer deutschen Identität, darauf können wir stolz sein, und ich sehe da auch einen Bildungsauftrag. Natürlich kostet Kultur Geld, aber das ist gar nicht so viel, wenn man den Budgetanteil sieht am Gesamthaushalt. Da sollte man nicht an der falschen Stelle sparen.