Hagen/Bayreuth. . Der Hagener Regisseur Jan Philipp Gloger plant bereits, wie er seine „Holländer“-Inszenierung im nächsten Jahr weiterentwickelt. Für junge Regisseure wie ihn eine besondere Erfahrung: Keine anderen Inszenierungen erfahren international mehr Interesse als die Bayreuther.

Unter einem Wagner-Regisseur stellt man sich gerne etablierte, sogar weltberühmte Künstler vor. Doch auf dem Grünen Hügel haben immer sehr junge Theatermacher eine Chance erhalten. Patrice Chereau kannte keiner, als er mit 32 Jahren 1976 seinen Jahrhundertring inszenierte, Katharina Wagner war sogar erst 29, als sie 2007 mit den „Meistersingern“ an den Start ging. Und Jan Philipp Gloger, der Hagener Regisseur des neuen „Holländers“, ist 30 Jahre jung.

Keine anderen Inszenierungen erfahren international mehr Interesse als die Bayreuther. Wie geht man in diesem Alter mit derart überwältigender Öffentlichkeit um? Öffentlichkeit, die nicht nur wohlwollend ist, sondern gnadenlos sein kann. „Die Aufmerksamkeit ist toll, man will sich doch als Regisseur mitteilen“, bilanziert Gloger seine Erfahrungen nach der zweiten Vorstellung des „Holländers“ am Dienstagabend.

Bayreuth ist für den Regisseur keine "mythische Erfahrung"

„Man überlegt sich ja für jede Arbeit an jedem Theater sehr genau, welche Geschichte man mit dieser Oper erzählen möchte. Aber an einem Ort wie Bayreuth überlegt man sich das noch einmal so genau.“ Daher darf es nach Glogers Ansicht ruhig kritische Stimmen geben. „Wenn man weiß, dass man hinter dem steht, was man erzählt, kann man mit dieser Aufmerksamkeit umgehen.“ Für den Leitenden Schauspielregisseur am Staatstheater Mainz ist es eine überwältigende Erfahrung, dass in seinem Publikum Besucher sitzen, die zehn Jahre auf eine Karte gewartet haben und für die sich mit einem Bayreuth-Besuch ein Lebenstraum erfüllt.

Und wie ist es, wenn man vor den Vorhang tritt und diesen riesigen Saal vor Augen hat, in dem das Publikum Bravo ruft – aber eben auch Buh? In diesem Punkt muss Gloger die Erwartungen an mythische Momente enttäuschen: „Wenn man vor den Vorhang tritt, ist man Teil einer ausgeklügelten Choreographie. Es ist ganz dunkel, man sieht keine Zuschauer. So ein richtiges Gefühl, wie das ankommt, erhält man vor dem Vorhang nicht.“

Publikum war beim "Holländer" zweieinhalb Stunden mucksmäuschenstill

Mucksmäuschenstill saß das Publikum in den zweieinhalb „Holländer“-Stunden, kaum ein Husten war zu vernehmen. „Es ist großartig, diese andächtige Stille schon vor dem Vorspiel zu erleben. Die Stille und Spannung im Publikum ist ein gutes Zeichen. Ich war erleichtert, weil ich Angst hatte, dass irgendwas passiert.“

Passieren kann in Bayreuth immer etwas, man erinnere sich nur an Chereaus „Ring“. Der spaltete die Wagnerianer anfangs derart, dass es zu Schlägereien kam und zu gezielten Versuchen, die Aufführungen zu stören. Heute gilt die Produktion als Jahrhundertring, nicht nur, weil sie zum 100-jährigen Bestehen der Bayreuther Festspiele gezeigt wurde. Die Inszenierung wurde 1980 mit einem Applaus von 90 Minuten Länge und 101 Vorhängen verabschiedet. Auch Gloger musste vor der Premiere starke Nerven beweisen, nachdem sein „Holländer“-Sänger wegen seiner NS-Tätowierungen von der Rolle zurücktrat und er in wenigen Tagen einen Einspringer einarbeiten musste. „Man rechnet ja mit dem Schlimmsten“, verrät Gloger die Ängste der Regisseure, „ich hatte damit gerechnet, dass ich nur Buhrufe höre und hatte fast den Eindruck, dass es mehr Bravorufe gab.“

Um ein Gefühl für die Reaktionen des Publikums zu erhalten, will sich Gloger in jedem Fall unerkannt bei einer weiteren Vorstellung zwischen die Besucher setzen. Und er plant jetzt schon, was er im nächsten Jahr alles anders machen will. Dann wird der „Holländer“ wieder zur Eröffnung der Festspiele gezeigt und die Bundeskanzlerin wird voraussichtlich erneut im Publikum sitzen. „Man ist ja nicht resistent gegen Rückmeldungen von Freunden“, betont er und ergänzt: „Dieser Werkstatt-Charakter in Bayreuth ist ein großes Geschenk, denn Theater wird nie ­fertig.“