Hagen. . Nach mehr als 30 Jahren konnte der Mord an einer 18-Jährigen in Hagen im vergangenen Mai dank DNS-Spuren geklärt werden. Doch ein Prozess gegen den mutmaßlichen, einschlägig vorbestraften Täter lässt auf sich warten - das Gericht hat keine Zeit. Für die Familie des Opfers ist das Warten belastend.
Vor 33 Jahren wurde Brunhilde Entz (18) nach einem Kneipenbesuch auf dem Weg nach Hause überfallen und brutal ermordet. Im Mai vergangenen Jahres konnten Staatsanwaltschaft und Mordkommission mit Hilfe von DNS-Spuren auf der Hose des Mädchens endlich den Täter ermitteln: Dieter F., einer der wohl brutalsten Verbrecher der Kriminalgeschichte. Wegen eines weiteren Mordes sitzt der Sexgangster seit 1980 in einem hessischen Gefängnis.
Doch eine juristische Aufarbeitung des Mordes an Brunhilde Entz ist nicht in Sicht. Das zuständige Schwurgericht, die vierte Strafkammer des Hagener Landgerichts, ist seit Monaten mit dem so genannten Mafia-Prozess befasst, hinter dem alle anderen Anklagen zurückstehen müssen. „Dieses Verfahren ist sehr zeitaufwendig, es bindet viele Kräfte“, bestätigt Gerichtssprecherin Alexandra Bubenzer.
In der Verhandlung geht es um den Auftragsmord an einem Pizzeriabesitzer aus Köln. Der wichtigste Zeuge, der zugleich der Mörder ist, hat sich im Gefängnis erhängt, was die Beweisführung gegen die mutmaßlichen Auftraggeber, unter ihnen ein Gastronom aus der Nähe von Hagen, ausgesprochen schwierig macht. Der Prozess zieht sich hin, nicht zuletzt weil die Verteidigung der Vorsitzenden Richterin Heike Hartmann-Garschagen mit allerlei Anträgen und juristischen Finessen das Leben schwer macht.
„Es handelt sich um einen schweren Tatvorwurf, der gewissenhaft aufgeklärt werden muss“, begründet Alexandra Bubenzer das umfangreiche Verfahren, das am 21. Oktober eröffnet wurde und noch bis zum 27. September terminiert ist. Und in einem zweiten, abgetrennten Verfahren gegen zwei Angeklagte wegen des Vorwurfs des gemeinschaftlichen Mordes bzw. der Anstiftung zum Mord sind noch einmal 36 Verhandlungstermine bis zum 28. September angesetzt.
Das endlose Warten auf die Verhandlung belastet die Angehörigen
Bis dahin bleiben dem Schwurgericht, vor dem alle Untaten mit Todesfolge verhandelt werden müssen, keine Kapazitäten für die Aufarbeitung weiterer Kapitalverbrechen. Insbesondere für die Angehörigen von Brunhilde Entz, die seit nunmehr elf Monaten darauf warten, dass der Mörder endlich zur Rechenschaft gezogen wird, bedeutet dies eine enorme Belastung.
Dem Vater des Mädchens, Dietrich Entz (82), bleibt durch das ständige Hinauszögern des Prozesses eine späte Genugtuung verwehrt, er ist am ersten Ostertag gestorben. „Wie gern hätte er noch erlebt, dass Brunis Mörder verurteilt wird“, berichtet sein Sohn Jürgen Entz (55). „Bis zuletzt hat er immer wieder davon gesprochen. Am Ende hatte er einfach keine Kraft mehr.“
Die verhärmte, verzweifelte Mutter von Brunhilde, die das Verbrechen an ihrer Tochter nie überwand, starb bereits vor einem halben Jahr in geistiger Umnachtung. Auch für ihn selbst, so Jürgen Entz, und für die übrigen zwei Geschwister entwickele sich das endlose Warten auf die Verhandlung mehr und mehr zu einer Belastung.
Das Gerechtigkeitsgefühl bleibt auf der Strecke
Am Gericht wisse man, dass der Entz-Prozess der Öffentlichkeit wichtig sei, versichert Sprecherin Bubenzer. Gleichwohl genieße er keine Priorität, da der mutmaßliche Täter bereits lebenslang in Haft sitze und deshalb nicht die Sechs-Monats-Frist beachtet werden müsse, innerhalb derer die Entscheidung über Anklage und Verfahrenseröffnung gegen einen Untersuchungshäftling getroffen werden müsse.
So wird dem Gesetz Genüge getan, aber die Familienangehörigen, die seit über 30 Jahren die Erinnerung an den Mord mit sich herumtragen, bleiben auf der Strecke. Und auch das Gerechtigkeitsgefühl.