Hagen. Der Schauspieler Sabin Tambrea spielt im gleichnamigen Kinofilm den bayerischen König “Ludwig II“. Ein Jahr lang hat sich der 27-Jährige auf die Rolle vorbereitet, sogar Reitunterricht genommen und alle Stunts selbst gemacht. Ein “Adrenalin-Rausch“ seien die Dreharbeiten für ihn gewesen.

Eine große, schlanke Gestalt mit tief ins Gesicht gezogener Mütze betritt den Hagener Theatervorplatz. Ist das der Mann, der Ludwig II. von Bayern den Staub der vergangenen Verfilmungen vom Königsmantel pusten will? Er drückt die Zigarette aus und lächelt verschmitzt. Spätestens jetzt ist klar: ja, es ist Sabin Tambrea.

Fünf Monate Drehzeit liegen hinter ihm. Er wirkt ein wenig abgespannt, doch seine Augen leuchten, wenn er von dem Film „Ludwig II.“ (Regie: Peter Sehr und Marie Noelle), der im Dezember 2012 in die Kinos kommt, erzählt. Es ist seine erste große Hauptrolle in einem Kinofilm. „Ich habe versucht, Ludwig nah an mich heran zu holen, seinen Ängsten und Wünschen auf den Grund zu gehen“, erklärt er. „Der Film versucht ihn als Menschen zu zeigen. Bei uns wird er nicht zu einem Gott stilisiert wie in der Visconti-Verfilmung.“

Ein Jahr Vorbereitung

Der 27-jährige Absolvent der renommierten Ernst-Busch-Schule in Berlin hat sich knapp ein Jahr auf „die große Aufgabe“, den Erbauer von Neuschwanstein und Herrenchiemsee zu spielen, vorbereitet. „Ich habe mir alle Verfilmungen angeschaut, Bücher gelesen, Wagner-Opern angehört.“

Eine Redakteurin des Ludwig-Films sah ihn in einer Folge der TV-Serie „Polizeiruf 110“ und schlug ihn für die Rolle vor. Das Castingprofil, das an 370 Schauspieler geschickt wurde, lautete: ein 1,93 m großer Mann mit Reit- und Französischkenntnissen. „Auf mich traf nur die Größe zu“, lacht er. Beim Auswahlverfahren in München nach den Reitkenntnissen befragt, antwortete der gebürtige Rumäne: „Natürlich kann ich reiten, ich muss es nur noch lernen.“ Drei- bis viermal in der Woche nahm er in Berlin Reitstunden. „Ich habe zwar alle Stunts selbst gemacht, aber es gehörte viel Mut dazu.“

Reiten musste noch gelernt werden

Bereits während des Schauspielstudiums engagierte ihn Claus Peymann an das Berliner Ensemble. Bevor die endgültige Zusage für die Ludwig-Rolle kam, schauten sich die Verantwortlichen eine „Philotas“-Vorstellung mit ihm in der Titelrolle in Berlin an. „Ich habe an diesem Abend um mein Leben gespielt!“, erklärt er und krempelt die Ärmel seines grauen Pullovers hoch. Uhr und Lederarmband betonen die schmalen Handgelenke.

Was verbindet neben der filigranen Erscheinung den jungen Schauspieler mit dem Bayernkönig, der nur in seinen Traumwelten wirklich lebte? „Wahrscheinlich meine Leidenschaft, mit einer gewissen Naivität an das Unmögliche zu glauben und die künstlerische Ader“, erläutert Tambrea nachdenklich, während er in seinem Pfefferminztee rührt.

Ohne Instrument sicherer auf der Bühne

Die künstlerische Ader wurde früh von seinen Eltern, die als Komparsen im Film mitwirken, gefördert. Beide sind Musiker mit festen Engagements in Dortmund und Hagen, seine Schwester ist Dozentin für Violine an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt. „Mit vier Jahren bekam ich meine erste Geige“, beschreibt er. „Mit 18 habe ich dann endgültig mit dem Musikunterricht aufgehört.“ Trotz zahlreicher Preise war für ihn früh klar, dass er aus der Tradition der Musikerfamilie ausbrechen möchte. „Ich fühlte mich ohne Instrument sicherer auf der Bühne“, erinnert er sich an die ersten schauspielerischen Versuche auf der Bühne des LUTZ, des Hagener Kinder- und Jugendtheaters. „Von da an haben mich meine Eltern bei meinem Wunsch, Schauspieler zu werden, immer unterstützt.“

Durch die Proben und bis zu 100 Vorstellungen pro Jahr im „LUTZ- junge Bühne Hagen“, deren Gründungsmitglied Tambrea ist, hat er die Basis des Schauspielhandwerks gelernt. „Diese Zeit ist die bisher wichtigste Erfahrung für mich, da ich dort die Realität eines Schauspielers kennen gelernt habe“, erklärt er. „Auf der Schauspielschule ist alles viel theoretischer.“

Nach sieben Vorsprechen am Ziel

Besonders die Arbeit mit LUTZ-Leiter und Regisseur Werner Hahn sowie dem Autor, Schauspieler und Namenspaten der jungen Bühne Lutz Hübner hat ihn sehr geprägt. „Lutz Hübner hat vor meiner zweiten Aufnahmeprüfung an der Ernst-Busch-Schule die vorbereiteten Monologe komplett umgeworfen“, beschreibt Tambrea. „Er hatte recht damit, ich wurde angenommen.“ Nach sieben Vorsprechen war er am Ziel. Diese Zeit war nicht einfach. „Die Dozenten sind aufgrund der riesigen Zahl an Bewerbern gezwungen sehr streng auszusieben“, betont er. „Man darf sich nicht verunsichern lassen, wenn man keine gutmütige Reaktion bekommt.“

So etwas hat er während der Dreharbeiten nicht erlebt. Berühmte Kollegen wie Katharina Thalbach, Edgar Selge und Hannah Herzsprung ließen ihn von ihrer Erfahrung profitieren.

Gedreht wurde teilweise an Originalschauplätzen wie in Versailles und Neuschwanstein. Dort konnte das Team aufgrund der Touristen nur nachts drehen. Den Zauber der Originalschauplätze erklärt Tambrea so: „Schon durch Maske und Kostüm bekommt man ein anderes Körpergefühl, aber durch die Architektur kommt noch eine weitere Dimension hinzu. In den Schlössern ist Ludwigs Seele spürbar.“ Die Rolle spielte sich dann fast von selbst.

Fasziniert von der Perfektion

Sabin Tambrea ist fasziniert von der Perfektion, auf die es beim Film ankommt. „Es gibt einen Moment, auf den alle warten, in dem es passiert. Manchmal ist das nur eine Sekunde, auf die 120 Menschen hinarbeiten.“ Beim Theater könne man sich dagegen austoben. „Man weiß am Anfang des Abends nicht, wo die Reise der Figur endet.“ Für die Zukunft wünscht er sich, beide Elemente des Schauspielerberufs vereinen zu können.

Der Pfefferminztee ist getrunken, die Zuckertütchen hat er gedankenverloren in kleine Teile zerrissen. Eine Art Metapher für seine gegenwärtige Situation? Auch er scheint ein wenig zerstreut, weiß noch nicht genau, wohin es geht.

Adrenalin-Rausch während der Dreharbeiten

„Während der Dreharbeiten war ich die ganze Zeit in einem Adrenalin-Rausch. Ich konnte kaum abschalten. Doch durch die Rolle hatte ich ein Ziel, das einem Kraft gibt – nun muss ich meinen inneren Kompass neu ausrichten“, beschreibt er. Jetzt im Januar steht wieder eine Vorstellung am Berliner Ensemble an, wo er als Gast engagiert ist. Auch einige Angebote hat er bereits bekommen. Gibt es eine Traumrolle? „Gustav Mahler! Ich bin mit seiner Musik aufgewachsen und sein vielschichtiger Charakter würde mich reizen.“

Sabin Tambrea schaut auf die Uhr. „Ich muss noch dringend ein Frackhemd für den Münchener Filmball kaufen“, sagt er leise und streicht sich verlegen durchs Haar. In diesem Moment fällt seine Ähnlichkeit mit Alain Delon auf.

Vielleicht ist er auf dem Weg genauso ein großer Schauspieler zu werden, auf eine leise, angenehm zurückhaltende Art.