Hagen. . „Hallo Babys - Willkommen in Hagen“ lautet das Motto unserer Weihnachtsaktion. Gemeinsam mit der Caritas unterstützen wir die Arbeit von Familienhebammen in bedürftigen Familien, die Nachwuchs erwarten oder schon haben. Ein Gespräch mit Dr. Gerhard Koch, Chefarzt der Kinderklinik am Allgemeinen Krankenhaus Hagen, über frühe Hilfen, Hebammen und veränderte Familienstrukturen.
Frage: Weihnachten ist das Fest der Geburt. Warum ist gerade die erste Zeit danach so wichtig?
Koch: Die Geburt ist ein einschneidendes Ereignis. Die ersten Jahre danach prägen das Schicksal möglicherweise lebenslang. Unter dem Aspekt, dass wir heute 90 Jahre alt werden, müssen wir uns auf die ureigensten Bedürfnisse besinnen. Auf die Zuwendung der Eltern. Aber auch auf eine Ernährung, wie sie die Natur optimiert hat. Gekaufte Nahrung ist Fast Food fürs Baby. Super wäre es daher, wenn Mütter vier bis sechs Monate voll stillen und die Beikost selbst kochen. Diese Chance sollten wir nutzen. Das geht nur über die Hebammen als Multiplikatoren.
Frage: Inwiefern können frühe Hilfen und insbesondere die Hebammen dazu beitragen?
Koch: Eine Frau bekommt im Schnitt nur noch ein Kind und kann daher die erforderlichen Fertigkeiten nicht üben. Früher lagen Mütter nach der Geburt mit ihrem Kind eine Woche bis zehn Tage im Krankenhaus und konnten angeleitet werden. Heute geht alles hop hop. Da brauchen Frauen auch zu Hause fachlichen Zuspruch. Es ist super, dass es da die Hebammen gibt. Sie genießen hohes Vertrauen, sind Partner der Familie und eine gute Informationsquelle für die Eltern. Wir waren daher sehr traurig, dass die Stadt die Finanzierung der Familienhebammen gestrichen hat. Erfreulicherweise sind Caritas und Diakonie eingesprungen.
Frage: Auch die Elternschule am AKH will Eltern Grundfertigkeiten vermitteln, damit diese ihr Kind gut versorgen können. Erreicht man auch benachteiligte Familien?
Koch: Das ist schwierig. Wir können unsere Vorträge und Kurse nur anbieten und nicht aufzwingen. Unser Angebot wird noch zu wenig in Anspruch genommen. Die Eltern, die es sowieso können, kommen. Und die, die es brauchen, bleiben fern.
Frage: Was brauchen Familien denn am meisten?
Koch: Hagen hat sehr viel an frühen Hilfen zu bieten. Da gibt es keinen Mangel. Die Rahmenbedingungen haben sich jedoch geändert. Familien wohnen nicht mehr mit den Großeltern unter einem Dach. Wenn Eltern arbeiten und das Kind krank wird, ist das ein Problem. Wir erleben es auch häufig, dass Frauen schon vor der Geburt von den Männern allein gelassen werden. Ungefähr ein Drittel der Mütter ist alleinerziehend. Das ist ein Punkt, wo man mehr hinschauen muss. Denn schon das Milieu im Mutterleib prägt ein Kind vermutlich ein Leben lang. Es gibt zwar viele Instrumente der Hilfe. Aber das ist nur Reparatur im Nachhinein.