Hagen. .

Seine ersten Arbeitstage in dieser Stadt begannen mit einem Prozess-Marathon. Jetzt, mehr als 20 Jahre später, verabschiedet sich Pinguin-Apotheker Michael Brachtendorf (52) mit leisem Groll aus Hagen – und einem letzten Prozess vor dem Amtsgericht.

Aktenzeichen 90 OWi 342/11 wird im Amtsgericht verhandelt und lockt Michael Brachtendorf aus Hamburg, wo er inzwischen eine neue Apotheke betreibt, ein vorerst letztes Mal in die rund 350 Kilometer entfernte Volmestadt. Es geht um einen Bußgeldbescheid über 200 Euro. Den hatte man ihm fünf Tage vor seiner Geschäftsaufgabe mit Juni noch aufs Auge gedrückt.

Der Vorwurf in dem Knöllchen: Der Pinguin-Apotheker habe sich am 6. Juni in der Zeit von 9.20 Uhr bis 9.35 Uhr nicht in seinem Ladenlokal befunden, aber trotzdem seien von seinen drei Mitarbeiterinnen Arzneimittel gegen Rezepte an Kunden herausgegeben und apothekenpflichtige Medikamente verkauft worden.

Überraschende Kontrolle

Im Hintergrund steht die Apotheken-Betriebsordnung. Sie schreibt vor, das Pharmazeutisch-technische Assistenten nur unter Aufsicht eines approbierten Apothekers tätig sein dürfen. Doch als Amtsapothekerin Julia Schumacher (43) an jenem Montagmorgen im Auftrag des Gesundheitsamts überraschend zur Kontrolle erschien, waren drei Mitarbeiterinnen im Verkaufsraum, der Chef jedoch „kurzzeitig abwesend“. Eine Viertelstunde „ohne Apotheker“ ließ die strenge Prüferin aber nicht durchgehen. Sie ordnete an, die Pinguin-Apotheke schließen zu lassen. Obendrein gab’s die 200-Euro-Knolle.

Der Kampf gegen die Mühlen der Justiz hat Apotheker Brachtendorf von Anfang an begleitet. Bereits im Sommer 1990, als er die Pinguin-Apotheke an der Elberfelder Straße 29 eröffnete, sorgte eine ungewöhnliche Werbeaktion für Riesenwirbel in der eingessenen Apothekerschaft: Der neue Mitbewerber ließ einen Studenten im Pinguinkostüm durch die Fußgängerzone tanzen und an die belustigten Passanten päckchenweise Tempo-Taschentücher verschenken.

Von „Kundenfang durch übertriebenes Anlocken“ bis hin zu „standeswidrigem Verhalten“ reichten die Vorwürfe, die durch alle Instanzen ausgefochten wurden. Das letzte Urteil sprach der Bundesgerichtshof - übrigens zugunsten von Apotheker Brachtendorf.

Vor Richter Heinz-Michael Siemon sah es am Dienstag aber nicht so günstig aus: „Sie können ein teureres Urteil bekommen oder ihren Einspruch gegen die 200 Euro zurücknehmen.“ Der Apotheker entschied sich zähneknirschend für die billigere Variante.