Vorhalle.

Die eine Hälfte der Straße in der Imke ist frisch asphaltiert, die andere Hälfte hat Risse und Krater. Die Grenze zwischen den beiden Straßenteilen markiert das Straßenbau- , das Finanz- und das Sanierungsstau-Dilemma, in dem Hagen steckt.

Ziemlich genau in der Mitte befindet sich eine niedrige, schwarze Asphaltkante. Sie trennt die Menschen, die in der oberen Straßenhälfte wohnen, von den Anliegern im unteren Teil. Denn die Straße in der Imke hat ein Janusgesicht: Eine Hälfte ist sauber und frisch asphaltiert. Die andere ist mit Rissen, Spalten und Kratern übersät.

Die schwarze Kante, exakt abgeschnitten von einer Asphaltfräse, bildet eine bedeutsame Grenze, nicht nur für die Menschen in der Imke, sondern für alle Hagener. Sie markiert das Straßenbau- , das Finanz- und das Sanierungsstau-Dilemma, in dem die Stadt steckt. Denn die Straßenbauer haben ihre Arbeit ganz bewusst an dieser Stelle beendet. Weiter reichte das Geld nicht. Die Stadt hatte nur Geld für die ersten 90 Meter.

Zweite Hälfte wird erst dann gemacht, wenn Geld da ist

Ingo Wolf (38) wohnt in der Imke, er glaubte nicht recht zu sehen, als der Bautrupp abzog: „Ich bin natürlich davon ausgegangen, dass die gesamte Buckelpiste, anders kann man’s nicht nennen, saniert wird.“ Wolf wohnt an der kaputten Straßenhälfte, wenn er sein Haus verlässt oder nach Hause kommt, sieht er die schwarze, akkurate Kante, man kann sagen, dass er täglich mit dem Hagener Finanzdebakel konfrontiert wird. Wann der restliche Teil der Imke instandgesetzt wird? „Vielleicht nächstes Jahr“, so Michael Haneke, Leiter des Fachbereichs Grünanlagen- und Straßenbetrieb. „Auf jeden Fall erst dann, wenn wir das Geld dazu haben.“

3,5 Millionen Euro stehen Haneke und seinem Stab pro Jahr für die Pflege von 651 Kilometern Straße (inklusive der Bürgersteige) zur Verfügung. Um die Fahrbahnen halbwegs in Schuss zu halten, wären mindestens fünf Millionen von Nöten. Gemessen am städtischen Ausgabevolumen von 602 Millionen Euro fehlten für eine Vollsanierung der Imke lediglich Peanuts: 19 500 Euro hätte es gekostet, auch die zweite Straßenhälfte zu asphaltieren. „Dieselbe Summe wie für den ersten Teil“, nickt Haneke, um dann noch einmal zu bekräftigen: „Das Geld war aber nicht da.“

Beim Straßenbau ist aktuell Improvisationstalent gefragt

In Zeiten wie diesen hat Straßenbau etwas von Ste­greifdichtung, von Improvisationstalent. Der Mann, auf den es in Hagen ankommt, heißt Markus Falkenroth (27) und ist städtischer Bauingenieur. Sein Fachwissen und seine Einfälle machen es möglich, dass Straßen saniert werden können, die mangels knapper Kassen eigentlich nicht saniert werden können.

Hätte sich Falkenroth in der Imke an den vorgesehenen Sanierungsweg (Erneuerung von Deck-, Binder- und Tragschicht sowie Untergrund) gehalten, hätte selbst für die ersten 90 Meter kein Geld zur Verfügung gestanden. Weil die Straße jedoch kaum von schweren Lastern und Bussen frequentiert wird, verzichtete der Experte kurzerhand auf den Einbau der Binderschicht, die normalerweise die Funktion eines Puffers innehat. „Wir gehen mit logisch-fachlichem Menschenverstand vor“, nennt Haneke das.

Löcher stopfen ist auf Dauer teurer als eine komplette Erneuerung

Vielerorts wird jedoch nur geflickt, werden Löcher in der Straße, um kurzfristig die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, notdürftig mit Asphalt gefüllt. Die erforderliche Sub­stanzerhaltung sei aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht möglich, so Haneke.

Dabei ist das ständige Löcher stopfen auf lange Sicht teurer als eine komplette Erneuerung der Verschleißdecken. „Wir wissen ganz genau, dass das, was wir derzeit machen, nicht halten wird”, so Haneke. „Eigentlich ist das rausgeschmissenes Geld. Aber als Alternative bliebe nur, die Straßen zu sperren.“ Die sintflutartigen Regenfälle im August haben das Problem potenziert, indem sie die Asphaltpfropfen, mit denen die Arbeiter nach dem harten Winter die Fahrbahnen geebnet hatten, an zahlreichen Stellen wieder aus dem Belag spülten.

Mit der fachgerechten Beseitigung von Straßenschäden ist in Hagen also, die schwarze Asphaltkante in der Imke ist das Symbol dafür, höchstens auf halber Strecke zu rechnen. Ansonsten herrscht Flickschusterei.