Hagen. Winfried und Cordula Knesia aus Hagen hatten Unterkunft und Tickets für Olympia in Paris bereits gebucht. Doch jetzt hat die Angst sie eingeholt.
Olympia steht bevor. Ein Fest in Paris. Die Eröffnungsfeier in Booten auf der Seine. Beachvolleyball unterm Eiffelturm. Surfen, Skateboarding, Sportklettern und 3X3-Basketball auf dem Place de la Concorde, Bogenschießen vor dem Invalidendom. Und mittendrin: Winfried „Winnie“ Knesia (70) aus Hagen. Super-Fan, Sport-Verrückter, Olympia-Veteran.
Nein, doch nicht. Eigentlich muss diese Geschichte ganz anders beginnen. Denn Winfried und Cordula Knesia haben ihre Reise in die französische Hauptstadt storniert. Aus Angst. Aus Angst davor, Zeugen oder vielleicht sogar Opfer eines Terroranschlags zu werden: „Ich bin ehrlich, ich habe Angst. Und wenn man Angst hat, hat man keine Lust mehr“, sagt Knesia: „Der Krieg im Nahen Osten hat mir den Rest gegeben.“
Unterkunft bei einem Bekannten
Vor eineinhalb Jahren waren Knesias noch voller Vorfreude, damals begannen sie mit ihren Planungen für den Besuch bei den Olympischen Spielen, die vom 26. Juli bis 11. August die ganze Welt in ihren Bann ziehen werden. Eine Unterkunft fanden sie bei einem Bekannten, der in Hagen aufgewachsen ist und bei Winfried Knesia, damals Juniorentrainer beim Hasper SV, kickte. „Er ist später nach Paris gezogen, ich habe ihn angerufen und gefragt, ob wir während der Spiele eine Woche bei ihm wohnen dürfen. Und was sage ich? Das hätten wir gedurft.“
Soviel bezahlte Knesia für die Tickets
Knesia kümmerte sich auch frühzeitig um Eintrittskarten, die man nur dann zu halbwegs erschwinglichen Preisen ergattern kann, wenn man sich beizeiten darum bemüht. Und weil es bei Olympia nicht nur um die Rosinen aus dem Angebot geht, sondern darum, überhaupt dabei zu sein, kaufte Knesia, was er kriegen konnte: Breakdance und 3X3 Basketball für 25 Euro („Bei Olympia gehört es einfach dazu, auch was Komisches anzugucken“), die Handballspiele Ägypten gegen Dänemark und Schweden gegen Spanien für 90 Euro, Bogenschießen (samt Entscheidung und Medaillenzeremonie) für 70 Euro.
Zudem erwarb er für 40 Euro ein Fußballticket, obwohl damals die Kontrahenten noch nicht bekannt waren. Mittlerweile ist die Qualifikation abgeschlossen und er weiß, dass er das Spiel zwischen Usbekistan und der Dominikanischen Republik sehen würde.
Die Angst verdrängt die Vorfreude
Eine Woche beim größten Sportereignis der Welt live dabei zu sein und „so nebenbei“ die schönsten Sehenswürdigkeiten von Paris zu bestaunen - Sportlerherz, was willst du mehr? Doch Winni und Cordula Knesia ist die Vorfreude vergangen. Paris halten die beiden für einen zu gefährlichen Ort, die Sommerspiele für ein Ereignis, das Extremisten für feige Anschläge ausnutzen könnten. Schließlich habe es in der französischen Hauptstadt schon öfter verheerende Attentate gegeben, verweist Knesia auf die Terroranschläge auf die Zeitschrift Charlie Hebdo oder das Vergnügungsetablissement Bataclan im Jahre 2015.
Der Überfall der Hamas auf Israel und der folgende Krieg im Gaza-Streifen habe seine Frau und ihn zum Umdenken gebracht, gesteht Knesia ein: „Der Gedanke, dass das jemand als Anlass für einen Anschlag bei Olympia nimmt, ist uns einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Wir haben jetzt zwei Enkel bekommen. Nein, wir wollen nicht mehr nach Paris.“
Erinnerungen an Olympia in London
Aber weh tut sie doch, so eine Entscheidung. Denn Knesias kennen das wunderbare Olympia-Flair aus eigener Erfahrung, 2012 besuchten sie mit zwei befreundeten Paaren aus Haspe die Spiele in London. Winfried Knesia schwärmt bis heute von der einzigartigen Atmosphäre: „Eigentlich spielt Fußball in meinem Leben die Hauptrolle. Aber Olympische Sommerspiele sind das Nonplusultra.“ Es wäre zu schön gewesen, sie noch einmal vor Ort erleben zu dürfen, denn in Europa werden sie so bald nicht mehr zu sehen sein, 2028 finden sie in Los Angeles, 2032 in Brisbane statt.
Winfried Knesia wird jetzt versuchen, die acht Eintrittskarten, bei deren Erwerb ihm seine Nachbarin - eine Lehrerin, die Französisch spricht - geholfen hat, wieder zu verkaufen. Auf Olympia freut er sich trotzdem, nachdem seine Frau und er sich dazu durchgerungen haben, nicht nach Paris zu reisen, können sie wieder freier atmen. Und Winnie Knesia wird die Tage vom 26. Juli bis 11. August vor dem Fernseher verbringen, von morgens bis abends. Das ist doch Ehrensache für einen Super-Fan.