Hagen. 160 Taten schweren sexuellen Missbrauchs an Schülerinnen soll der Hagener Lehrer begangen haben. Nun ergriffen Zeugen das Wort.
Die Frau auf dem Zeugenstuhl ist heute 33 Jahre alt. Im Missbrauchs-Prozess vor dem Landgericht muss sie sich jetzt daran zurückerinnern, was sie vor mehr als 20 Jahren erlebt hat. Ihrem einstigen Grundschul-Lehrer werden 160 Sexualdelikte, begangen an kleinen Schülerinnen, zur Last gelegt. Der angeklagte Pädagoge (59) aus Hagen hatte am ersten Verhandlungstag die Vorwürfe bestritten: „Ich kann mich nicht erinnern, was ich getan hätte.“
Deshalb blieb es drei betroffenen Frauen am Freitag leider nicht erspart, ihre traumatischen Kindheitserlebnisse vor den Richtern der Jugendschutz-Kammer ausführlich darlegen zu müssen. Dabei kamen auch längst vergessene oder auch verdrängte Übergriffe wieder hoch. Was sich ab Mitte März 2005 bis ins Jahr 2014 hinein an der Grundschule im sauerländischen Altena abgespielt haben soll, kann aus Opferschutzgründen hier nur angedeutet werden: Sie war neun Jahre alt, als sie der Angeklagte, seinerzeit ihr Sport- und Schwimmlehrer, in seine Umkleidekabine lockte. Als Vorwand hätte ihm dazu eine Anwesenheitsliste gedient, auf der sie ihre Mitschüler abhaken sollte.
Wiederkehrende Übergriffe
„Ich musste mich auf seinen Schoß setzen“, sagt die heute 33-Jährige und erzählt mit stockender Stimme, wie es weiterging: „Der Lehrer fasste in meine Unterwäsche, fingerte in meinem Intimbereich.“ Das hätte sie als Kind noch nicht richtig einordnen können, „das fand ich aber nicht schön“. Als Reaktion auf die wiederkehrenden Übergriffe hätte sie schließlich nur noch enge Textilien getragen. Eine andere Zeugin berichtete vor Gericht, dass der Angeklagte stets „sehr körperlich mit seinen kleinen Schülerinnen umgegangen“ sei, er hätte sie gerne in den Arm genommen oder auf seinen Schoß gesetzt. Im Schwimmunterricht hätte er die jungen Mädchen „von oben nach unten begutachtet“ - und in der Jugendherberge jeder einen Gute-Nacht-Kuss gegeben: „Ob auf die Wange oder den Mund, das weiß ich nicht mehr.“
In den Jahren 2008/2009 hatte eine bereits erwachsene Frau ihren ehemaligen Grundschullehrer wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs bei der Polizei angezeigt. Doch das Verfahren gegen den Hagener war seinerzeit eingestellt worden. Die Anwältin der Geschädigten, Julia Kusztelak (Iserlohn) ist fest davon überzeugt, dass bislang nur die Spitze eines Eisbergs bekannt geworden ist: „Nach den heutigen Aussagen der Zeuginnen drängt sich auf, dass eine unübersehbar große Zahl von weiteren Schülerinnen zu Opfern eines Missbrauchs durch den Angeklagten wurden.“