Hagen. Der Friedhof in Garenfeld soll geschlossen werden. Das ruft das ganze Dorf in Hagen auf den Plan. Es geht um Geld, vor allem aber um Gefühle.
Die Sitzung der Bezirksvertretung Nord in Hagen hatte kaum begonnen, da war sie auch schon wieder zu Ende. Weil etwa 50 Bürger aus Garenfeld gekommen waren, um für den Erhalt ihres Friedhofs zu kämpfen, unterbrach Bezirksbürgermeister Heinz-Dieter Kohaupt die Tagesordnung, um eine offene Diskussion mit den Garenfeldern zu ermöglichen. Es ging sehr emotional zu.
Denn der Vorschlag eines im Auftrag des Wirtschaftsbetriebs Hagen (WBH) erstellten Gutachtens, den Friedhof aus Kostengründen stillzulegen, hat die Menschen in Garenfeld bis ins Mark erschüttert. „So wird die Struktur unseres Dorfes kaputt gemacht“, sagte Jochen Müller: „Man muss doch an die Bevölkerung vor Ort denken. Sollen die Garenfelder demnächst nach Haspe fahren, wenn sie die Gräber ihrer Angehörigen besuchen wollen?“
Vertreter der Stadt haben es schwer
Angesichts der aufgeladenen Stimmung hatten Christoph Gerbersmann, Kämmerer der Stadt Hagen, und WBH-Vorstand Jörg Germer einen schweren Stand. Die Vorteile, die eine Schließung der Friedhöfe in den Hagener Dörfern (neben Garenfeld stehen auch Holthausen und Berchum auf der Streichliste) mit sich bringen soll, sind aber auch schwer vermittelbar.
Der Friedhof in Garenfeld verursache zwar Unterhaltungskosten von 100.000 Euro pro Jahr, so Germer, doch Einsparungen lassen sich im Falle eines Schließungsbeschlusses zunächst kaum erzielen. Denn selbst bei einem entsprechenden Votum des Stadtrates könne eine solche Entscheidung frühestens in einigen Jahrzehnten umgesetzt werden: „Das werden wir alle nicht mehr erleben.“ Alle derzeitigen Nutzungsrechte behielten ihre Gültigkeit, so Germer. Selbst, wer sich jetzt noch eine Grabstelle sichere, habe die Gewähr, dass diese nach seinem Tode 30 Jahre lang bestehen bleibe.
Friedhöfe sind viel zu groß geworden
Und so lange der Friedhof existiert, muss er auch unterhalten werden. Doch der WBH will die Pflegekosten langfristig reduzieren. Denn angesichts der veränderten Begräbniskultur - immer mehr Urnen statt Erdgräber - sind die Friedhöfe inzwischen viel zu groß. Viele Flächen liegen brach, müssen aber trotzdem gepflegt werden. In Hagen, das stellte Kämmerer Gerbersmann klar, würden die Gebühren schon jetzt nicht ausreichen, um die kommunalen Friedhöfe kostendeckend zu bewirtschaften. Deshalb steuere die Stadt pro Jahr zwei Millionen Euro aus Steuergeldern zu.
Aber müssen deshalb gleich ganze Friedhöfe geschlossen werden? Können die Unterhaltungskosten nicht reduziert werden? Warum müssen die Dörfer die Konsequenzen tragen und die großen Friedhöfe in Hagen kommen ungeschoren davon? Das sind Fragen, die die Garenfelder umtreiben. „Die angeblichen Kosten von jährlich 100.000 Euro schockieren mich“, zweifelte Jochen Schulte-Höfinghoff die WBH-Zahlen an: „Auf unserem Friedhof wird gerade achtmal im Jahr der Rasen gemäht, sonst nichts. Die Wege werden kaum in Ordnung gehalten. Hier werden Bewirtschaftungskosten verschleiert dargestellt. Wir zweifeln das Gutachten stark an.“
Garenfelder schlagen Alternativen vor
Die Garenfelder vermuteten, so Schulte-Höfinghoff, dass das Schließungsvorhaben nicht zu Ende gedacht sei, da anschließend durchschnittlich 50 Jahre bis zur Entwidmung des Friedhofs anstünden, in denen dem WBH keinerlei Einnahmen mehr entstehen: „Selbst das Gutachten besagt, dass das Schließen der Friedhöfe keine Kosteneinsparung bringt.“
Er schlug vor, mit Bäumen, die klimawandelbedingt dringend benötigt würden und deutlich geringere Pflegekosten verursachten, zukünftig Friedwald-Bestattungen anzubieten, was die Attraktivität des Garenfelder Friedhofes deutlich steigern würde: „Dann brauchen wir auch keine zusätzlich angebotenen Waldfriedhöfe vom Fürst von Hohenlimburg.“
Ähnliches Einsparpotential gäbe es beim Anlegen von Blühstreifen auf den Freiflächen: „Für die Dorfbewohner ist der Friedhof wichtiger als für jemanden, der aus der Stadt kommt. Hier gibt es seit Generationen gewachsene Strukturen. Diese Werte lassen sich nicht monetär bewerten.“
Bürger sollten nicht verprellt werden
Das Friedhofsgelände in Garenfeld sei 1928 von anliegenden Landwirten unentgeltlich abgegeben worden, für die Anpflanzung der Hecke sei seinerzeit noch von den Garenfeldern gesammelt worden, so Schulte-Höfinghoff: „Das hat die Stadt Hagen alles geschenkt bekommen und nun soll es geopfert werden.“
Ähnlich argumentierte Landwirt Ernst Sirringhaus: „Ein Friedhof ist ein Generationenvertrag. In Garenfeld liegen vier Generationen meiner Familie bestattet, und ich möchte, dass es so weitergeht.“
Schließlich gab Jochen Müller zu bedenken, dass ein Friedhof einfach zu einem Dorf gehöre, gewisse Strukturen dürfe man nicht zerstören. Hagen habe wahrlich genug Probleme, er warne davor, jetzt auch noch die Menschen in der Peripherie zu verprellen, die die Stadt stützten und ernährten: „Sonst werden die Gefühle, die diese Menschen noch für Hagen hegen, geringer werden. Statt ihnen das Leben schwer zu machen, sollten Sie alles dafür tun, diese Menschen hier zu halten“, appellierte er an die Verantwortlichen.
Zumindest die Mitglieder der Bezirksvertretung Nord zeigten sich beeindruckt und votierten, ohne dass jemand von ihnen selbst das Wort ergriff, einstimmig für den Erhalt des Friedhofs Garenfeld. Das letzte Wort hat allerdings der Stadtrat.