Hagen. Die Sperrung der Ebene 2 für den Lkw-Verkehr ist der jüngste Höhepunkt im Hagener Brückendesaster. Das Bauwerk erscheint nicht mehr sanierbar
Der Ausfall der Altenhagener Hochbrücke (Ebene 2) zumindest für den Lkw-Verkehr wird zu einer weiteren Belastungsprobe für die Bürger, die in der Hagener Innenstadt leben. Denn plötzlich müssen alle Fahrzeuge über 3,5 Tonnen, die ja eigentlich über die Bahnhofshinterfahrung und die Hochbrücke die City queren sollten, jetzt wieder über weite Teile des Innenstadtrings rollen. Der direkte Weg zur A46 führt sogar aufgrund des weiterhin geltenden Lkw-Durchfahrtsverbots in der Finanzamtsschlucht die Remberg und Eppenhauser Straße hinauf, um den Autobahnzubringer zu erreichen.
„Diese Sperrung zeigt: Mehr und mehr wird der Infrastrukturkollaps in unserer Region zu einem realistischen Szenario“, blickt Christoph Brünger, Geschäftsbereichsleiter bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK), voller Sorgen in die Zukunft. Denn der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) geht angesichts des jetzt offensichtlich gewordenen Schadensbildes und der unterschiedlichen baulichen Probleme davon aus, dass eine Sanierung des Ebene-2-Bauwerks wirtschaftlich keinen Sinn machen würde. „Wir können jetzt bloß versuchen, die Brücke über die Zeit zu retten“, macht Torbjörn Dahlhaus, Gruppenleiter im WBH-Brückenressort und dort zuständig für die Objekte mit Spannungsrisskorrosionsschäden, deutlich, dass der Verfall in dem Stahlbetonbauwerk auch ohne den Lkw-Verkehrsfluss weiterlaufe.
Brücke wird stetig überwacht
Ein Prozess, der schon an der Außenhaut eklatant sichtbar wird. Innerhalb weniger Monate haben sich die im Juni vergangenen Jahres entdeckten Rissbildungen deutlich erweitert: „Einzelrisse würden mich da nicht nervös machen“, betont Dahlhaus, dass es sich in diesem Fall jedoch um einen aktiven Schädigungsprozess handele. Daher seien an der Brücke bereits rote Messmarken angebracht worden, die als Referenzpunkte für künftig regelmäßig anstehende Untersuchungen (geodätische Durchbiegungsmessungen) dienen. Hier lässt sich bei jeder Folgemessungen exakt überprüfen, inwieweit der Baukörper sich bewegt.
In einem nächsten Schritt wird jetzt ein Ingenieurbüro an dem Brückenkörper mehrere Punkte bestimmen, an denen Materialproben des Spannstahls und des Verpressmörtels entnommen werden, um den Gesamtzustand besser einschätzen zu können. Sollte sich hierbei herausstellen, dass die verwendeten Stoffe durchaus noch belastbar sind, würde es künftig ausreichen, an dem Bauwerk mithilfe faseroptischer Messungen die Rissentwicklung zu überwachen. Sind die Materialien hingegen mürbe, müsste – ähnlich wie bei der Stennertbrücke in Hohenlimburg oder auch bei der sich direkt anschließenden Eckeseyer Brücke über die Bahngleise hinweg– ein deutlich aufwändigeres Schallmonitoring installiert werden. Denn wenn es tatsächlich zu Spanndrahtbrüchen kommt, ergibt der dann entstehende Knall ein eindeutiges Schallbild, was dem Aus des Bauwerks gleichkommt.
Mängel bei der Konstruktion
Parallel dazu zeigt sich auch im Inneren der Hochbrücke ein alarmierendes Bild. Der Chlorideintrag und die Nässe in den Hohlkästen beweisen, dass beispielsweise über die inzwischen abgedichteten Einstiegsschächte in den Fahrbahnen über Jahre Streumittel und Wasser eingedrungen sind. „Das ist einfach konstruktiv schlecht gelöst“, erläutert Dahlhaus. Zudem seien für die Kabelführungen der Straßenbeleuchtung die dauerelastischen Fugen geöffnet worden, durch die ebenfalls Nässe eindringt. Das Wasser erreicht dort auch die oberflächennahe Bewehrung, die bereits korrodiert ist und damit schlechter die Kräfte aufnimmt. „Wir haben die Baupläne von damals überprüft – die sind alle korrekt, doch die Umsetzung war mangelhaft, damals wurde einfach geschludert“, ist der WBH-Experte von den heute auftretenden Rissbildung in den Hohlkästen der Brücke wenig überrascht.
Sorgen bereiten Dahlhaus zudem die stark verrosteten Lager am Pfeilerfuß: „Sie sind kaputt und können die Bewegungen nicht mehr aufnehmen. Damit wirken Kräfte, für die die Brücke nicht bemessen wurde.“ Entsprechend muss die Traglast jetzt reduziert werden, zumal auch die Brückenpfeiler mit dem Überbau durch womöglich minderwertige Spannstähle miteinander verbunden wurden.
Bis sämtliche Ergebnisse der weiteren Prüfverfahren auf dem Tisch liegen, dürfte in Hagen der Herbst angebrochen sein. Bis dahin wird der Baukörper monatlich vermessen, und im Quartalsrhythmus findet eine Brückenprüfung statt, mit einem besonderen Fokus auf die Rissstellen. Danach stehen weitere Entscheidungen an. Sicher scheint nur: Schwere Lkw werden nie wieder über die Hochbrücke fahren.