Hagen. Vor drei Wochen wurde das Cannabis-Gesetz gelockert. Von Feinwaagen für Streifenwagen, Hausrecht von Gastronomen und Kifferzonen in Biergärten.

Seit dem 1. April, also seit etwa drei Wochen, ist das umstrittene Cannabis-Gesetz in Kraft. Besitz und Anbau von Cannabis (das Rauschmittel wird aus der indischen Hanfpflanze hergestellt) sind damit in Deutschland und somit auch in Hagen für Erwachsene unter bestimmten Vorgaben erlaubt.

Stadtredaktion fragt nach

Die Polizei in Hagen reagiert und schafft in Kürze Feinwaagen, mit denen die Polizistinnen und Polizisten auf den Streifenwagen ausgestattet werden, an. Und was sagen Polizei, Ordnungsamt, Gastronomen und Hotel- und Gaststättenverband im Allgemeinen zu dem am 1. April eingeführten Gesetz? Die Stadtredaktion hat nachgefragt:

Wer „eine Tüte“ in der Öffentlichkeit rauchen will, muss sich auch weiterhin an Regeln halten.
Wer „eine Tüte“ in der Öffentlichkeit rauchen will, muss sich auch weiterhin an Regeln halten. © DPA Images | Karl-Josef Hildenbrand

Wer „eine Tüte rauchen will“, muss sich auch künftig an bestimmte Regeln und Sperrzonen halten. So ist der Konsum in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr verboten, außerdem „in unmittelbarer Gegenwart“ von unter 18-Jährigen. Untersagt wird Kiffen auch auf Spielplätzen, in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und jeweils in Sichtweite (heißt 100 Meter Luftlinie um den Eingangsbereich).

Das sagt die Polizei

„Seit dem Inkrafttreten des Konsum-Cannabisgesetzes wurden keine Verstöße in dem Bereich rund um Kitas, Schulen oder Spielplätze in Hagen polizeilich registriert“, unterstreicht Polizeisprecher Tim Sendler. Auch gäbe es bislang keine Wirte, die die Polizei um Hilfe gebeten hätten, da sie mit Cannabis-Konsumenten nicht klargekommen seien, „es gab keine derartigen Einsätze oder Anfragen von Gastronomen“, so Tim Sendler. Grundsätzlich könnten Gastronomen natürlich über ihr eigenes Hausrecht bestimmen und festlegen, ob Cannabis im Außenbereich ihrer Gaststätten konsumiert werden dürfe oder nicht.

Seit dem Inkrafttreten wurden keine Verstöße in dem Bereich rund um Kitas, Schulen oder Spielplätze in Hagen polizeilich registriert.
Tim Sendler - Sprecher der Polizei Hagen

Polizei ahndet weiterhin konsequent

Das neue Gesetz erlaubt Volljährigen, 25 Gramm Cannabis bzw. Marihuana mit sich zu führen (bis zu 50 Gramm dürfen zu Hause aufbewahrt und dort maximal drei Pflanzen angebaut werden). Aber wer kontrolliert die mitgeführte Menge? „Ein Gastronom hat dazu keine Pflicht“, betont der Polizeisprecher. Die Polizei bliebe hingegen wachsam, „erkannte Verstöße – Ordnungswidrigkeiten und Straftaten – werden nach wie vor konsequent geahndet. Um die Grammzahl bestimmen zu können, beschafft das Hagener Polizeipräsidium zeitnah Feinwaagen, mit denen die Polizistinnen und Polizisten auf den Streifenwagen ausgestattet werden.“

Gastronomen können selbst entscheiden, ob in ihren Außenbereichen Cannabis konsumiert werden darf oder nicht.
Gastronomen können selbst entscheiden, ob in ihren Außenbereichen Cannabis konsumiert werden darf oder nicht. © DPA Images | Karl-Josef Hildenbrand

Das sagt das Ordnungsamt

Und wie beurteilt Thomas Lichtenberg die derzeitige Lage? Der Leiter des Ordnungsamtes unterstreicht, dass Deutschland und somit auch Hagen mit Holland noch immer nicht zu vergleichen sei, „bei uns wird es auch künftig keine Coffeeshops geben“. Außerdem erinnert er an das Nichtraucherschutzgesetz, „rauchen ist rauchen, egal, ob Tabak oder Gras, und in geschlossenen, öffentlichen Räumen darf grundsätzlich nicht gequalmt werden. Hausrecht hin oder her“.

Anfragen von potenziellen Händlern liegen vor

Bei ihm und seinen Kollegen vom Ordnungsamt seien in den letzten Wochen etliche Anfragen von potenziellen Händlern, die Cannabis und Zubehör verkaufen wollten, eingegangen, sagt Lichtenberg, „aber das ist momentan noch nicht möglich, da dafür noch keine Rechtsgrundlage geschaffen ist. Wir als Kommune können derzeit noch nichts regeln und überwachen, da klare Definitionen fehlen. Bislang liegt die Zuständigkeit noch beim Land NRW.“

25 Gramm Cannabis im Eigenbesitz sind seit dem 1. April erlaubt.
25 Gramm Cannabis im Eigenbesitz sind seit dem 1. April erlaubt. © DPA Images | Karl-Josef Hildenbrand

Er, Lichtenberg, hoffe, dass bis Ende April endlich klare Ausführungen vom Land kommen würden, „bis jetzt ist das ganze Prozedere mit all seinen Ungereimtheiten ein ,Witz in Tüten‘“, resümiert Thomas Lichtenberg kopfschüttelnd.

Bislang fiel Cannabis unter das Betäubungsmittelgesetz

Diese Gesetze galten bislang in Deutschland: Im Gegensatz zu legalen Suchtstoffen wie Tabak und Alkohol galt Cannabis in Deutschland bislang als illegale Substanz, die neben Drogen wie Heroin oder Ecstasy unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fiel. Somit war jeglicher Besitz von Cannabis und Cannabisprodukten (Haschisch, Marihuana) bis Ende März strafbar. Bei einer geringen Menge zum Eigengebrauch konnte die Staatsanwaltschaft von einer Strafverfolgung absehen. Die Grenzen, bis zu wie viel Gramm eine Menge als gering eingestuft wurde, variierten je nach Bundesland.

Eigenbedarf und Eigenanbau: Cannabis ist im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen.Erwachsene dürfen bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit bei sich haben. Zu Hause sind der Besitz von bis zu 50 Gramm getrocknetem Cannabis sowie bis zu drei Cannabispflanzen pro erwachsener Person erlaubt. Überschreitungen der erlaubten Mengen um 5 Gramm (unterwegs) bzw. 10 Gramm (zu Hause) und mehr werden als Ordnungswidrigkeit geahndet. Auf den Besitz größerer Mengen steht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Erwachsene dürfen Cannabissamen für den privaten Eigenanbau aus EU-Mitgliedsstaaten einführen oder online bestellen.
Cannabis-Konsum in NRW: Laut einer Erhebung aus dem Jahr 2021 hatte fast jede zehnte Person in NRW in den zurückliegenden zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert. Den Zahlen zufolge wurde vor allem in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen gekifft, hier lag der Anteil bei knapp 22 Prozent. Am geringsten war der Anteil (ca. zwei Prozent) in der Altersgruppe zwischen 60 und 64 Jahren (Quelle: NRW-Gesundheitsministerium).

So reagiert Disco-Betreiber Stephan Ley

Ein Abstecher aufs Elbersgelände zu Stephan Ley, Betreiber der Großdisco Capitol: „Ich habe zu dem neuen Gesetz eine ganz klare Meinung: Auch wenn der Besitz und der öffentliche Konsum von Cannabis seit Anfang April legalisiert sind, bleibt beides auch in unseren Raucherbereichen verboten.“ Ley weiter: „Wir folgen damit u.a. dem Beispiel der niederländischen Discotheken. Trotz Legalisierung haben diese das Verbot beibehalten, und auch in Deutschland wird sich wohl die Mehrzahl der Discotheken dieser Praxis anschließen.“

Wir folgen damit u.a. dem Beispiel der niederländischen Discotheken. Trotz Legalisierung haben diese das Verbot beibehalten.
Stephan Ley - Capitol-Chef, über sein Hausrecht

Cannabis in Jacke an Garderobe abgeben

Der legale Eigenbesitz von 25 Gramm würde, so der Club-Betreiber, seiner Meinung nach alle Türen für illegalen Handel öffnen, „wir werden uns diesbezüglich keinen weiteren Kontrollaufwand aufbürden lassen, und deswegen bleibt es beim bisherigen Komplettverbot. Wer gewisse Mengen für den Eigenbedarf mit sich führt, kann diese problemlos in seiner Jacke oder Tasche an der Garderobe abgeben.“

„Ich habe zu dem neuen Gesetz eine klare Meinung: Auch wenn der Besitz und der öffentliche Konsum von Cannabis seit Anfang April legalisiert ist, bleibt beides auch in unseren Raucherbereichen verboten“, sagt Stephan Ley, Betreiber der Großdisco Capitol auf dem Elbersgelände in Hagen.
„Ich habe zu dem neuen Gesetz eine klare Meinung: Auch wenn der Besitz und der öffentliche Konsum von Cannabis seit Anfang April legalisiert ist, bleibt beides auch in unseren Raucherbereichen verboten“, sagt Stephan Ley, Betreiber der Großdisco Capitol auf dem Elbersgelände in Hagen. © WP | Michael Kleinrensing

Besagte Ausführungen hat Stephan Ley Anfang April auf Social-Media-Kanälen gepostet, „und die Zustimmung darauf war immens. Fast alle unserer Gäste denken ähnlich“, so Ley.

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Das sagt Dehoga

Lars Martin, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Hagen und stv. Hauptgeschäftsführer von Dehoga Westfalen, erklärt auf Nachfrage der Redaktion, dass einige Gastrobetriebe in seinem Bereich bereits von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht hätten und das Kiffen auch in ihren Außenbereichen verboten hätten. „Und jene, die es dulden, müssen sich bewusst sein, dass im Jugendschutz strenge Regeln gelten.“

Für 70 Gastrobetriebe in Hagen zuständig

Lars Martin liefert ein Beispiel: „In unmittelbarer Nähe von Kindern und Jugendlichen ist der Konsum von Cannabis verboten. Im Klartext: In einem Biergarten, in dem sich Familien aufhalten, darf nicht gekifft werden. Oder es muss ein gesonderter ,Kiffer-Bereich‘ eingerichtet werden.“ Auch Lars Martin, der für 3000 Gastrobetriebe in Westfalen (davon 70 in Hagen) zuständig ist, hofft, dass das neue Gesetz überarbeitet und mit eindeutigen Definitionen ausgestattet wird, „eine Interpretationshilfe vom Bund muss dringend her“.