Hagen. Hagens ehemaliger Party-Tempel: Millionen-Investition am Graf-von-Galen-Ring wertet das Bahnhofsquartier deutlich auf.

Die Zeiten sind noch gar nicht so lange her, dass die Namen der Disko-, Club- und Party-Locations am Graf-von-Galen-Ring beinah im Drei-Jahres-Rhythmus wechselten: Aus dem legendären „Alibi“ wurde irgendwann das zünftige „Alpenrausch“, die Vofi-Abiparty-Szene (Vofi = Vorfinanzierung der großen Sause zur Abizeugnis-Ausgabe) versammelte sich später im „Galea“, bevor man sich zuletzt im „Lions“ traf. Vorbei: Die Disko-Kugeln und basslastigen Wummer-Boxen sind längst abgehängt, das DJ-Pult demontiert und die Bar-Tresen zerhackt. Bauschaffende haben den stadtbekannten Feierschuppen, an dem bis heute noch ungezählte Geschichten, Anekdoten und Erinnerungen haften, in ein modernes Bürogebäude verwandelt. In direkter Nachbarschaft zum Hagener Jobcenter wird hier in den nächsten Wochen schrittweise die Jugendberufsagentur der Arbeitsverwaltung einziehen, die zurzeit noch an der Goldbergstraße angesiedelt ist.

Investor Udo Krollmann und seine rechte Hand Janine Schneider sind fest davon überzeugt, dass die Gestaltung der neuen Jugendberufsagentur nicht bloß einladend wirkt, sondern zugleich auch die richtige Atmosphäre für vertrauliche Gespräche bietet.
Investor Udo Krollmann und seine rechte Hand Janine Schneider sind fest davon überzeugt, dass die Gestaltung der neuen Jugendberufsagentur nicht bloß einladend wirkt, sondern zugleich auch die richtige Atmosphäre für vertrauliche Gespräche bietet. © Alex Talash | Alex Talash

Angesichts der hellen, vollklimatisierten sowie von Glas und Licht dominierten Bürowelten könnte es glatt passieren, dass junge Frauen und Männer auf der Suche nach einem beruflichen Kompass angesichts der qualitätvollen Arbeitsplätze hier am liebsten gleich bleiben würden, um ihr erstes Geld zu verdienen. Denn mit der einst gewollt schummerigen Immobilie, in der die Hagener Feier-Szene sich jahrelang an den imposanten Türstehern vorbeidrängte, haben die 850 Quadratmeter des Graf-von-Galen-Rings 47 heute rein gar nichts mehr zu tun.

Im Eingangsbereich erinnert nichts mehr an die einstige Diskotheken-Vergangenheit.
Im Eingangsbereich erinnert nichts mehr an die einstige Diskotheken-Vergangenheit. © Alex Talash | Alex Talash

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Investor und Immobilien-Kaufmann Udo Krollmann hat die gesamte Vorderfront des Objektes vorzugsweise durch heimische Betriebe öffnen und mit einer dreifachverglasten Fensterfront versehen lassen, sodass hinter der sich elektrisch öffnenden Doppel-Schiebetür am Entree das Getöse des Bahnhofsquartiers der absoluten Stille weicht.

Obwohl der Graf-von-Galen-Ring direkt vor der Tür verläuft, sorgt die Dreifachverglasung der Jugendberufsagentur für absolute Stille.
Obwohl der Graf-von-Galen-Ring direkt vor der Tür verläuft, sorgt die Dreifachverglasung der Jugendberufsagentur für absolute Stille. © Alex Talash | Alex Talash

Beratung rund um einen Lichtschacht

Die ersten Schritte führen in einen großzügigen Empfangsbereich, in dessen Mitte ein imposanter Lichtschacht die Blicke der Besucher fesselt. Eine Stahlbeton-Zwischendecke im Industrie-Style löscht jegliche Erinnerungen an den einstigen Diskotheken-Saal mit seiner umlaufenden Empore aus, die früher reichlich Raum für die schmachtende Blicke der Jägerinnen und Jäger auf der Suche nach amourösem Glück bot. Der gläserne Mittelpunkt des Gebäudes, der durch die Decke des bis zu sechs Etagen hohen Baus bricht, strukturiert und schafft zugleich luft- und lichttechnischen Kontakt zur Außenwelt. Hier wird künftig eine Info-Kraft die Gäste der Jugendberufsagentur willkommen heißen und an die richtigen Stellen im Gebäude lotsen: „Das genaue Setting der Kundensteuerung muss erst noch definiert werden“, betont Katja Heck, Chefin der Agentur für Arbeit in Hagen, dass es vor allem die Bedürfnisse der Jugendlichen zu respektieren gelte.

Die offene Gestaltung der Besprechungs- und Beratungsräume entspricht den Konzepten für moderne Bürowelten.
Die offene Gestaltung der Besprechungs- und Beratungsräume entspricht den Konzepten für moderne Bürowelten. © Alex Talash | Alex Talash

„Wir haben neben der Klima- und Lüftungstechnik das Gebäude komplett gedämmt, fünf Kilometer Kabel verlegt, eine Heiztechnik aus Gasversorgung in Kombination mit Wärmepumpe etabliert, an sämtlichen Fenstern Rollos integriert und natürlich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert“, verweist Krollmann auf den neusten energetischen Standard in dem Gebäude. Zusammen mit der baulich direkt verbundenen Immobilie des ebenfalls komplett neu entstandenen Jobcenters (G.-v.-Galen-Ring/Ecke Hugo-Preuß-Straße) hat der Investor in den 5000-Quadratmeter-Komplex in den vergangenen Jahren knapp zehn Millionen Euro investiert. „Dabei hat es viele Stunden der Besinnung auf das Ziel gegeben“, beschreibt er um diplomatische Contenance bemüht den oft hürdenreichen Sanierungsweg.

Das moderne Facelifting der Gebäude des Jobcenters (links) und der Jugendberufsagentur (rechts) werten das Bahnhofsquartier deutlich auf.
Das moderne Facelifting der Gebäude des Jobcenters (links) und der Jugendberufsagentur (rechts) werten das Bahnhofsquartier deutlich auf. © Alex Talash | Alex Talash

Büros in den Obergeschossen

Im ebenfalls ganz in Weiß gehaltenen ersten Obergeschoss erinnert zumindest das Schachbrettmuster der Betondecken-Streben noch an die Disko-Vergangenheit des Hauses. Ansonsten dominieren die gläsernen Wände der Beratungs- und Seminarräume die ohnehin transparente und offene Atmosphäre des Gebäudes, das natürlich auch über ein komplett neues Treppenhaus, Aufzüge sowie Unisex-Toiletten auf jeder Etage verfügt.

So sah es noch vor zweieinhalb Jahren am Graf-von-Galen-Ring aus: Damals waren an der Ecke „Bellinda‘s Pub“ und das „Galea“ zu Hause.
So sah es noch vor zweieinhalb Jahren am Graf-von-Galen-Ring aus: Damals waren an der Ecke „Bellinda‘s Pub“ und das „Galea“ zu Hause. © WP | Michael Kleinrensing

Die weiteren Obergeschosse der Immobilie, in denen einst Drei-Zimmer-Wohnungen untergebracht waren, bleiben vorzugsweise den Mitarbeitern der Jugendberufsagentur vorbehalten, die dort moderne Büroräume mit Teeküchen vorfinden. Darüber hinaus entstand im Untergeschoss, wo einst das Café der Diskothek zu vorgerückter (Morgen-)Stunde noch koffeinhaltige Stärkungen bot, noch ein großzügiger Sozialraum für Pausen abseits der Schreibtischwelten. „Wie die etwa 45 Mitarbeiter sich hier organisieren, ist noch nicht endgültig abgestimmt“, erinnert Heck daran, dass die Kollegen, seit sie nach der Jahrhundertflut den Büroturm an der Körnerstraße räumen mussten, an der Goldbergstraße in ihrer Interimsbleibe sich ein gutes Dutzend Schreibtische teilen. Das sei, trotz der Homeoffice-Angebote und zahlreichen Außentermine, immer wieder eine logistische Meisterleistung. Hier bietet die neue Immobilie wieder ganz neue Arbeitsmöglichkeiten.

Auf jeder Etage des Gebäudes finden sich Unisex-Toiletten für die Mitarbeiter.
Auf jeder Etage des Gebäudes finden sich Unisex-Toiletten für die Mitarbeiter. © Alex Talash | Alex Talash

Die Millionen-Investition, die nicht bloß der Anmutung des Graf-von-Galen-Rings schmeichelt, sondern sich auch für Krollmann angesichts des potenziell stets solventen Mieters aus dem Reich der deutschen Behördenwelt rechnen sollte, schafft der Jugendberufsagentur eine Anlaufstelle auf Dauer: „Der Mietvertrag läuft zwar zunächst nur für fünf Jahre mit der Option auf zweimalige Verlängerung. Aber wir sind optimistisch, dass die gute Ausstattung des Gebäudes und das Wohlbefinden der Mitarbeiter für langlebige Treue sorgen werden“, zeigt sich der Investor vom Ergebnis der Gebäude-Sanierung überzeugt.