Hagen. Was er gestohlen hatte, war lapidar. Aber dass ein Hagener Ladendieb ein 20-Zentimeter-Messer dabei hatte, änderte alles.

Vor Amtsrichter Thorsten Kirschner ging es um drei geklaute Tafeln Schokolade (Verkaufspreis: 5,94 Euro). Was den Fall jedoch so heikel machte: Im Jackenärmel des Diebes steckte ein Schlachtermesser.

In Handschellen wurde der Angeklagte von zwei Wachtmeistern in den Gerichtssaal geleitet. Am Dienstag vergangener Woche war der 30-Jährige zunächst vorläufig festgenommen worden, nachdem er gegen 14.25 Uhr bei Lidl an der Elberfelder Straße beobachtet worden war, wie er sich die Schokoladentafeln in den Hosenbund geschoben hatte. Als er den Kassenbereich passierte, ohne bezahlt zu haben, wurde er von einem Ladenmitarbeiter ins Büro gebeten.

20 Zentimeter lange Klinge

Auf dem Weg dorthin fasste er den Ladendieb an den Jackenärmel und bemerkte dabei einen festen Gegenstand: ein Fleischermesser mit 20 Zentimeter langer Klinge, das sich der Mann unter den Arm geklemmt hatte. „Diebstahl mit Waffen“, lautet in solchen Fällen der Vorwurf und die gesetzliche Freiheitsstrafe bewegt sich dann in einem Strafrahmen zwischen sechs Monaten bis zu zehn Jahren Gefängnis. Die zuständige Amtsrichterin erließ deshalb direkt nach der Tat einen Haftbefehl.

Nachdem der Schokoladen-Dieb fünf Tage in Untersuchungshaft verbracht hatte, wurde er am Montagmittag Amtsrichter Kirschner vorgeführt. Mit einem festen Wohnsitz in Deutschland wäre er wohl gar nicht erst in Haft gekommen. Doch ohne festen Wohnsitz hierzulande bot es sich an, den Fall im beschleunigten Verfahren zu verhandeln. Der Ungar räumte die Tat ein, er hätte großen Hunger gehabt. In Deutschland wisse er nicht, wo er bleiben soll, ohne Wohnung und ohne Arbeit und ohne Geld: „Überall, wo ich hingehe, bin ich fremd. Aus Ungarn wurde ich auch weggejagt. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.“

Letztlich eine Geldstrafe

Besser als den ihm zur Seite gestellten Pflichtverteidiger hätte der Angeklagte wohl einen Sozialarbeiter gebraucht. Aber schnell wurde, übersetzt durch einen Dolmetscher, deutlich, dass das während der Tat mitgeführte Schlachtermesser nicht dazu dienen sollte, die erbeuteten Schokoladen-Tafeln im Ernstfall zu verteidigen oder womöglich einen Ladendetektiv abzuwehren: „Das ist ganz wichtig, sonst säßen Sie beim Landgericht und wir wären beim Raub“, machte Richter Kirschner dem Angeklagten deutlich.

Da er bisher in Deutschland das erste Mal als Ladendieb aufgefallen ist, konnte es bei der Verurteilung zu einer Geldstrafe bleiben: Diebstahl mit Waffen in einem minder schweren Fall, 900 Euro Geldstrafe, das Messer wird amtlich eingezogen. Für den Verurteilten das Wichtigste: Er wurde auf der Stelle aus der Untersuchungshaft entlassen. Offen ist, ob es beim vorläufigen Happy-End bleiben wird: ohne Geld, ohne Unterkunft, ohne Arbeit, ohne Sprachkenntnisse - ganz allein in einem fremden Land.

Und sollte er die 900 Euro Strafe nicht bezahlen, wird er eines Tages zurück ins Gefängnis müssen: 90 Tage, wegen drei Tafeln Schokolade.