Hagen. Es ist ein Blickwinkel, den Hagener wohl selten oder nie einnehmen. Sven Söhnchen hat in allen 16 Hotel der Stadt geschlafen. Dies ist sein Report.
Klar, das Mercure. Das ist ja auch ein dicker Klotz. Das Saxx ist jetzt ziemlich bekannt. Es ist neu und Sylvester Stallone und Bryan Adams haben hier geschlafen. Vielleicht noch das Hotel Dresel, eine sehr schicke Adresse dieser Stadt. Und das Arcadeon, logisch. Dann wird es aber dünn beim Nachdenken darüber, wo es in Hagen Hotels gibt. Wann spielt man schon Gast in der eigenen Stadt? Dabei sind es weitere zwölf Stück. Und Sven Söhnchen, der kein Hotel-Tester ist, hat sie alle besucht. Das Jahr 2023 hat er dazu genutzt, zwei Nächte in jedem Hotel dieser Stadt zu schlafen. Wie eine Art Udo Lindenberg von der Volme quasi. Durch die Betten Hagens. Eine Reise mit ganz neuem Blick durch die eigene Stadt.
Gästebuch voller Prominenter
Achtung, wörtliche Zitierung: „Frederic Schmidt führt das Familienunternehmen in der dritten Generation - obwohl er noch lieber bei seiner Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern in Berlin weilen würde. Der Hausherr gibt mir einen Einblick in die Geschichte des Hotel Schmidt und erzählt mir auch noch einmal von dem Mord, der hier vor etlichen Jahren passierte. Ein Drama, bei dem die Nachbarschaft und Öffentlichkeit natürlich viel mehr Interna kannten, als die betroffene Familie. Während des Gespräches gesellt sich noch der Onkel hinzu. Zu dritt kommen wir ins Plauschen - über den Wandel der Jahrzehnte in unserer gemeinsamen Heimatstadt. Mir wird das Gästebuch gezeigt, welches in den 70ern und 80ern des vergangenen Jahrhunderts bestens geführt wurde: neben dem Generalkonsul von Haiti in Hamburg, etlichen Basket-, Volley- und Handballern, bleiben mir vor allem Heino und Hannelore, die Wildecker Herzbuben, Drafi Deutscher und Suzi Quatro in Erinnerung. Erstmals schlafe ich in einem Hotel in dem auch Pur genächtigt hat. Es ist ein wahres Abenteuerland.“
Diese Zeilen stammen aus einem Buch, dass das Licht der Welt noch nicht erblickt hat und streng genommen auch noch gar keinen Titel hat. Sven Söhnchen hat es geschrieben. Immer mittwochs meistens. Denn eingebucht hat er sich in die 16 Hotels der Stadt immer von dienstags bis donnerstags. „Ich bin ja kein Schreiber“, schickt er vorweg. Stimmt. Über 20 Jahre saß der Mann im Rat der Stadt. Im bürgerlichen Leben ist er gesetzlicher Betreuer, organisiert aber auch Kulturveranstaltungen, inszeniert Lesungen. Er ist so einer, der an mehreren Stellen dieser Stadt sein Stempelchen aufdrückt und sich vor allem hochgradig mit ihr verbunden fühlt. Eben diesen Mann habe es „besonders getriggert“, als in Hagen vor zwei Jahren die Kampagne „Sei Gast in deiner Stadt“ ausgerufen wurde, die Leute in die Hotels locken sollte. „Mir war sofort klar: Da mache ich mein eigenes Ding draus.“
Und so zog er los, legte sich eine Reise-und Schlafroute durch die Stadt zurecht. Er startete im Hotel Art Ambiente und endete im Arcadeon. Dazwischen das „Saxx“, das City Hotel, das Waldhotel Lemberg in Rummenohl, Auf‘m Kamp in der Selbecke, Haus Kehrenkamp, das Mercure, das Strandhaus, der Alte Reher Hof, das „Lex“ am Theater, das Amical Hotel, die Waldlust, Hotel Dresel, das Campus Hotel und besagtes Hotel Schmidt. Der Redaktion liegt das Buchskript vor und es wäre an dieser Stelle leicht, daraus zu zitieren. Das soll aber einer Veröffentlichung vorbehalten bleiben.
Begegnungen mit Menschen
Nur so viel: Söhnchen schreibt sehr privat, lässt die Hotels und ihre Macher auf sich wirken, die Szene, die Atmosphäre, das Drumherum. Begegnungen, Gespräche, Spaziergänge durch das jeweilige Viertel. Es ist eine mitunter sehr sublokale Reise durch die Stadt, bei der Sven Söhnchen nicht wie ein kritischer Tester daher kommt, sondern wie jemand, der erstmal grundsätzlich wertschätzt, welche Arbeit, da von den Inhabern und Familien geleistet wird. „Das ist es nämlich, was neben dem Mercure jetzt vielleicht mal, alle eint. Sie sind inhabergeführt, haben eine Geschichte und Menschen, die dafür stehen. Es war mir ein Erlebnis, die alle kennenzulernen und Hagen von dieser Seite zu sehen.“
Eine Seite, auf der sich die Stadt als Gastgeber präsentiert, wie ein Erstkontakt für Reisende, die bei ihren Weiterzählungen davon berichten, wie das so war in Hagen. Immer mittwochs setzte sich Söhnchen hin und schrieb kurze Kapitel. Mal übers Frühstücksbuffet, mal über die Nachbarn im Nebenzimmer, mal über Blicke, über kulturelle Anschlussmöglichkeiten, das Essen oder einfach Gedanken, die einem in so einem Hotel eben hochkommen. „Vielleicht nicht die ganz große Literatur“, übt sich Söhnchen in Understatement. Denn bestätigen tut sich das nicht. Es sind viele schöne Klammern, viele neue Blickwinkel und erfrischende Sprache darin. So rund, dass der heimische Ardenku-Verlag es nun als Buch herausbringt. Es kann dort schon vorbestellt werden.
„Mir war wichtig, dass das kein Werbeblock wird. Ich habe mich an keine Kampagne der Stadt gehängt oder so. Das ist meine eigene Nummer. Und ich freue mich, wenn einige vielleicht Lust haben, mit auf die Reise zu gehen“, sagt Sven Söhnchen. Übrigens: auch musikalisch. Bei Spotify gibt es bereits eine für alle aufrufbare Musikliste „Sei Gast in deiner eigenen Stadt.“ In der Reihenfolge der genannten Hotels hat Sven Söhnchen dort für jedes Haus einen Song hinterlegt, der zu diesem Besuch passte. Von „Enjoy the silence“ bis „Wilhelmsplatz“ von Stefan Kleinkrieg.