Hagen. Die Anlage „Ruhrbogen“ in Hagen hat es wieder erwischt. Wieso packen die Camper nicht einfach ihre Sachen?
Natürlich: es plästert. Mal von rechts. An der nächsten Ecke von links. Von oben, schräg von vorne. Die A1 ist so nah, dass man mit gesunden Augen das Schild „Westhofener Kreuz“ glasklar lesen kann. Über der Lärmschutzwand tanzt die Gischt. Dahinter faltet sich das Ardeygebirge auf. Trotz des Verkehrsrauschens von der Autobahn und der nahen Ruhrtalstraße ist das hier ein Idyll für die Camper der Anlage am „Ruhrbogen“. In 60 Jahren dachten sie hier zweimal, dass ein bisschen Hochwasser schon nichts anrichten werde. Nun aber kriecht auch die Angst in die vielen liebevoll zusammengebauten Parzellen. „Die Einschläge kommen näher“, sagt Michael Habermann. Der Klimawandel ist da.
Die Turnschuhe an seinen Füßen sind Ausdruck des Optimismus, den Männer wie er hier in sich tragen. Die Pfütze vor seinem Stellplatz ist immer noch so tief, dass er direkt bis zu den Knöcheln durchnässt wäre, wenn er hineintreten würde. Seit 18 Jahren haben er (54) und seine Partnerin (56) hier einen Stellplatz in diesem Campingclub. Club deshalb, weil das hier eine geschlossene Gemeinschaft ist. Man ist unter sich. Und das sehr gerne.
Bahn und Platz sind gleich alt
Wenn diese Zeitung zuletzt über die Anlage berichtet hat, dann ging der Dreh anders. Campen an der Autobahn trotz des Lärms und Mega-Verkehr. Am 31. August 1961 war das letzte, 20 Kilometer lange Teilstück der Bahn zwischen Hagen-Nord und dem Kreuz Dortmund/Unna fertiggestellt und für den Verkehr freigegeben worden. Autobahn und Campinganlage sind hier gleich alt. Und im Sommer, im Schatten des A1-Brückenkolosses über der Ruhr laden sie hier die Akkus auf. Innerer Tenor: Den Lärm von A1 und Abkürzungsverkehren von der A45 hören wir gar nicht mehr. Und das kann man ihnen auch glauben.
Sie haben jetzt einen viel schlimmeren Feind als Geräusche. Das Wasser. 2007 hatten sie hier bei einem Hochwasser mal nasse Füße gekriegt. Und natürlich bei der Jahrhundertflut 2021. „Die kam zum Glück im Sommer“, sagt Michael Habermann. Der warme Sommer trocknete Böden durch, lüftete Vorzelte, ließ die Schäden verschwinden. Viele bauen ihre Parzellen teilweise auf aufeinander gestellte Pflanzkübel, in der Hoffnung, dass das Wasser dann unter den Wohnwagen hindurchfließt. Aber reicht das? „Wir wissen, dass das erst der Anfang ist mit dem Hochwasser. Wir erleben das jetzt häufiger. Wir müssen uns Gedanken machen“, sagt Michael Habermann.
Die Ruhr mit großem Druck
Die Lage ist ernst. Die Ruhr steigt hier so massiv an bei Hochwasser, dass die vorderen Parzellen halb hoch im Wasser stehen. Nach hinten, zur Ruhrtalstraße hin, werden die Fußböden immer noch geflutet. Bei unserem Besuch am Freitag steht die Ruhr immer noch so hoch, dass die Aussichtsbänke am Ufer verschwunden sind. Der beste Schwimmer der Welt könnte in diesem druckvollen Fluss nicht überleben.
Sie wissen hier, sagt Michael Habermann, dass sie gar nicht zu jammern brauchen. „Warum hat man auch einen Campingplatz im Hochwassergebiet? Ich kenne all die Gegenfragen“, sagt er. „Aber erstens geht das mit dem Hochwasser jetzt erst richtig los und wir hatten nur zwei große Lagen in 60 Jahren. Und zweitens ...“ Michael Habermann unterbricht seine Erklärung kurz, öffnet die Tür zu seinem Vorzelt und sagt dann: „Kennen Sie das, wenn ihr Herz an etwas hängt?“
Die Fläche, auf der der Campingplatz liegt, gehört einem Bauern. Mit dem wollen sie mal reden. Aber worüber eigentlich? Eine Deichanlage am Flussufer? Ist das realistisch? Eher nicht. Zumal so etwas Jahre dauern kann und Wasserschutzbehörden das absegnen müssten. Und überhaupt: Retentionsflächen sind ja in aller Munde. Als Flächen, die benötigt werden zur gewollten Überflutung. „Ist auch Zukunftsmusik. Aber wir müssen bei der nächsten Versammlung solche Dinge besprechen. Manche werden sicher aufgeben. Es kostet Kraft und Geld, die Parzellen immer wieder herzurichten.“
Viele werden aber bleiben. Denn sie hängen mit dem Herzen daran. „Das ist unser Wohlfühlort hier“, sagt Michael Habermann.