Hagen. Das A1-Teilstück zwischen Hagen und Unna wird 60 Jahre alt. Für Camper an der Ruhr gehören die Autobahn und die Lärmentwicklung zum Leben dazu.
Wenn der Wind aus Norden kommt und Regen auf die Fahrbahn peitscht, ist es besonders laut. „Dann schallt der Fahrzeug-Lärm von der Autobahnbrücke auf der A1 noch mehr als sonst auf unseren Platz“, sagt Frank Heidrich vom Camping-Club Garenfeld Ruhrbogen
Zusammen mit seiner Familie hat er seit 22 Jahren eine 100 Quadratmeter große Parzelle auf dem Campingplatz an der Ruhr in Hagen-Garenfeld, in unmittelbarer Sicht- und vor allem Hörweite zur Autobahn. Ein kleines Paradies mit festgestelltem Wohnwagen und ausgebautem Vorzelt.
„Wir sind so gut wie jedes Wochenende hier“, sagt Heidrich. Die Familie möchte das Camping-Leben an der Autobahn nicht mehr missen. Auch wenn es durchaus auf die Ohren gehen kann: „Es ist schon eine durchgängige Geräuschkulisse“, sagt Heidrich.
Großes Jubiläum in zwei Jahren
In zwei Jahren wird der Camping-Club Garenfeld Ruhrbogen 60 Jahre alt. Bereits heute kann die „Ruhrtangente“ der A1 zwischen Köln und dem Kamener Kreuz das runde Jubiläum feiern: Am 31. August 1961 wurde das letzte, 20 Kilometer lange Teilstück zwischen Hagen-Nord und dem Kreuz Dortmund/Unna fertiggestellt und für den Verkehr freigegeben.
In der ARD-Mediathek findet sich ein Schwarz-Weiß-Film über die für 102 Millionen Mark gebaute „Strecke der Superlative“, der am 2. September 1961 in dem WDR-Info-Klassiker „Hier und heute“ ausgestrahlt wurde. O-Ton über das neue Teilstück: „Vorbildliche Einfügung in die Landschaft, eine landschaftlich reizvolle Strecke, gut gesichert durch Leitplanken und auf den Bergstrecken Kriechspuren für Lastkraftwagen.“
Wenn Lkw heute über die Brücke kriechen, hat das mit dem gestiegenen Verkehrsaufkommen zu tun – und mit den vielen Staus. „Insbesondere an Wochenenden“, sagt Michael Habermann, 1. Vorsitzender des Camping-Clubs Garenfeld Ruhrbogen, und blickt von seiner – wie überall auf dem Platz – sehr gepflegten und liebevoll eingerichteten Parzelle auf das gut 250 Meter entfernte Viadukt.
Ausweichstrecke am Campingplatz
Daher nutzten viele Verkehrsteilnehmer „freitags zwischen halb 3 und halb 6“ die am Campingplatz vorbeiführende Ruhrtalstraße als Ausweichstrecke. „Die fahren an der A1-Ausfahrt Hagen-Nord runter und dann bei Schwerte-Ergste auf die A 45.“ Man muss kaum erwähnen, dass zwar wegen der Staus der Lärmpegel von der A1-Brücke nicht so hoch ist – aber die vermehrten Fahrzeugbewegungen auf der Umgehungsstraße hörbar zu vernehmen sind.
Habermann besitzt seit 15 Jahren eine Parzelle in Garenfeld. Früher war die Familie mal hier, mal dort zum Campingurlaub.
Auch der Sohn besitzt eine Parzelle
Als die beiden Kinder groß waren, hat man sich für den festen Platz an der Ruhr entschieden. Ein Sohn hat sich vergangenes Jahr „eine freie Parzelle geholt“, ist einer von 225 Vereinsmitgliedern.
Je nach Windverhältnissen, sagt Habermann, „kann es hier schon laut werden. Aber, ehrlich gesagt: Wir hören die Beschallung gar nicht mehr.“ Habermann wohnt übrigens in Unna in der Einflugschneise des Dortmunder Flughafens. „Man gewöhnt sich auch daran.“
Wenn der 52-Jährige freitags nach der Arbeit sich mit seiner Frau ins Auto setzt, die 25 Minuten „zu unserer zweiten Heimat“ fährt und dann in seinem Liegestuhl sitzt, könne er sich „wunderbar“ zurückziehen und entspannen. Habermann öffnet den Eingang zum ausgebauten Vorzelt vor der Tür zum Wohnwagen, das wie ein Einraum-Appartement mit Wohnzimmer und Küche aussieht. Man ahnt, dass man auch an einer vielbefahrenen Autobahn einen Ruheort finden kann.
Vor Wochenenden verabreden sich Mitglieder des Camping-Clubs meist schon über ihre Whatsapp-Gruppe zum Wiedersehen mit Grillwurst und gekühlten Getränken. Über die Jahre sind Freundschaften entstanden, über die Jahre weiß man, dass man Zeit an einem Idyll an der Ruhr verbringt.
Wenig Wasser in der Ruhr
Mit der Möglichkeit einer Schwimm-Runde bei frischen Wassertemperaturen um die 15 Grad. „Nur in diesem Sommer nicht“, sagt Habermanns Nachbar Frank Heidrich.
Wegen der alles andere als sommerlichen Außentemperaturen? „Nein“, sagt der Dortmunder, „die Ruhr führte die meiste Zeit einfach zu wenig Wasser.“ Unglückliche Ausnahme: das Hochwasser, das viele Schäden auf dem Platz verursachte.
Und dennoch: Nie war der Campingplatz für die Mitglieder des Camping-Clubs Garenfeld Ruhrbogen so wertvoll wie heute. Als Rückzugsort in der Pandemie.
Der Camping-Boom ist spürbar
Man bemerke nicht nur anhand der Reisemobile und Wohnwagen auf den Autobahnen den Camping-Boom, sagt Vereinsvorsitzender Michael Habermann. „Auf unserer Homepage hatten wir in diesem Jahr schon mehr als 170 Anfragen von Menschen, die sich für den Kauf einer unserer 112 Parzellen interessierten.“ Ein fast aussichtsloses Unterfangen: „Meist werden die Plätze an Familienmitglieder weitervererbt.“
Auch sie können Habermann zufolge „vier- bis fünf Mal im Jahr“ bei Anbruch der Dunkelheit ein Feuerwerk bewundern: „Wenn in der nahen Spielbank Hohensyburg der Jackpot geknackt wird.“ Dann staunen die Mitglieder des Camping-Clubs Garenfeld Ruhrbogen und denken sich, dass sie hier in ihrem Idyll ihr großes Los gezogen haben.