Der traditionsreiche Brauchtumverein hat ein neues Oberloßrockpaar. Und wieder wird klar, wie oft sich bei den Loßröcken Kreise schließen

Der Abend des 11. November ist traditionell der, an dem es sich entscheidet. Draußen ist es schon dunkel um diese Jahreszeit und in der Loßrockhalle an der Malmkestraße findet eine der wichtigsten Wahlen des Jahres statt. Die Loßröcke, der Boeler Brauchtumverein, wählen ihr Aushängeschild für die Karnevalssession. Den Oberloßrock. Wer das wird, steht in einer Tradition, die im Jahr 1949 in der Gaststätte „Zur Deutschen Eiche“ an der Hagener Straße begann. Und oftmals steht dieser Mensch auch in seiner ganz eigenen Tradition. So wie Marco Bötzel, 34 Jahre alt. Er ist es nun. Oberloßrock. Für ihn schließt sich ein Lebenskreis.

Man kann das nie erzählen, ohne jene Tage vor über 70 Jahren zu erwähnen, in denen die Boeler Vereine auf Initiative von Alfred Rehkopp die Idee gebaren, einen geeigneten Saal zu bauen. Die Boeler Geselligkeit sollte nach kriegsbedingten Entbehrungen wieder aufleben. Ein kleiner Kreis beschloss, eine karnevalistische Versammlung zu gründen. Helmut Wißmann als Schriftführer schrieb mögliche Interessenten an. Diese erhielten eine Einladung zur ersten offiziellen Versammlung im Januar 1950. Der inoffizielle Name der neuen Vereinigung stand schon einige Zeit vorher fest. Der Gastwirt Hans Schmidt nannte diesen Kreis sich ständig treffender Boeler schon im Oktober 1949 die „Loßröcke“. Man wollte kein Karnevalsverein sein, viel mehr sollten Aufgaben und Ziel „Pflege von Geselligkeit und Boeler Brauchtum“ sein. Dies wurde dann auch der Leitgedanke. Aber - und das schlägt den großen Bogen zum neuen Boeler Oberloßrockpaar: Bei dieser Versammlung wurde zum ersten Mal vom Karneval gesprochen. Der Brauch der „Flitzenpäiters“, in Boele einen Karnevalszug zu veranstalten, sollte wieder aufleben. So wurde der Beschluss gefasst, am Rosenmontag, dem 20. Februar 1950, den ersten Karnevalszug nach dem Krieg zu starten.

In der Linie der Väter

Marco Bötzel (34) steht nun in dieser Linie, sozusagen auf dem Erbe von Männern und Gründungsvätern wie Ludwig Brauckmann, Reinhold Petermann, Helmut Wißmann oder Bundesverdienstkreuzträger Fritz Schnettler. Die Namen sind in Boele bekannter als die buntesten Hunde jemals bekannter sein könnten. „Das ist eine riesige Ehre“, sagt Marco Bötzel, „ich habe sehr lange auf dieses Jahr geschaut.“ Dieses Jahr, damit meint er 2023. Denn vor 25 Jahren war der Kaufmann im Groß- und Einzelhandel kleiner Oberloßrock oder wie sie in Boele sagen: Teil des Oberloßrock-Nachwuchspaares.

Mutter war Pagin

Viele vor ihm spannten diese Jubiläumsklammer, schlossen den Bogen für sich. Manchmal mit Blick auf ihre Kinderzeit, manchmal mit Blick auf ihre Väter. So wie Christian Lemke, der in der Session 2018/2019 als Oberloßrock amtierte und damit in die Fußstapfen seines leider schon verstorbenen Vaters trat. „ Bei mir gibt es diesen Hintergrund auch“, sagt Marco Bötzel.“ Sein Vater Engelbert war Anfang der 2000er-Jahre selbst Oberloßrock, seine Mutter war zudem Pagin. „Für mich schließt sich einfach ein Kreis und ich freue mich sehr, dass es nun geklappt hat.“

Vier Kandidaten waren am Wahlabend angetreten, was übrigens zeigt, wie hoch das Interesse an dem hohen Amt der Loßröcke ist. Zu seiner Herzdame, wie die Begleiterin und Symbolfigur der Loßröcke genannt wird, hat Bötzel die 32-Jährige Annika Tröder, eine Erzieherin, genommen. Sie ist seine beste Freundin, die beiden Boeler kennen sich aus Kindheitstagen und „für sie war es eine besondere Freude, mich begleiten zu können.“

Marco Bötzel selbst ist übrigens Schlagzeuger der in Hagen sehr bekannten Karnevalsvand „De Drömmelköppe“. Die gesamte Band hat sich darauf verständigt, ihren Schlagzeuger durch die Session begleiten zu wollen. Deswegen wird das Band-Geschäft erstmal in der Session ruhen.