Hengstey. Nach Jahren der Planung beginnen in Hagen die Bauarbeiten für den Beachclub am Hengsteysee-Bad mit Steganlage und vielem mehr.
Die Nachmittagssonne des Julis verwöhnt die überschaubare Besucherschar im Familienfreibad in Hengstey. Angesichts der fantastischen Aussicht auf den Ruhrstausee, den alten Baumbestand sowie den Höhenzug des Ardeygebirges mitsamt dem Industriedenkmal des Koepchenwerks darf man durchaus staunen, dass nicht mehr Menschen während der Ferienwochen diese Wohlfühloase am Rande der Stadt zum Ausspannen nutzen. Doch genau das soll sich bis zum nächsten Frühjahr rasant ändern: Bis zur Freibad-Saison 2024 wird neben dem neugestalteten Strandhaus mit seiner Gastroterrasse auch der neue Beach-Club mit Verweilflächen für Radwander- und Spazier-Touristen fertiggestellt sein. Damit entsteht im Herzen des künftigen Seepark-Projektes bereits ein echter Hotspot, den Besucher aus der gesamten Region ansteuern sollen, um sich dort vom Flair am Wasser und den kulinarischen Angeboten von den Theken verwöhnen zu lassen.
„Wir müssen jetzt endlich ins Bauen kommen“, sind Landschaftsarchitekt Wolfgang Schramm und sein Partner Claas Heynowski sich mit einem gesunden Schuss Ungeduld einig, dass nach vier Jahren Planungs- und Diskussionsvorlauf bei dem Millionen-Projekt endlich die Bagger rollen sollten. Und der Zeitplan steht: Pünktlich zum Ende der Sommerferien schließt nicht bloß das Freibad Hengstey, sondern auch der Fuß- und Radweg entlang des Ufers wird ab Montag, 7. August, gesperrt und während der Baustellen-Wochen über die Seestraße umgeleitet.
Steg wird 165 Meter lang
Der federführende Gestalter Schramm, den vor allem auch die historische Tradition des altehrwürdigen Bade- und Freizeitstandorts fasziniert, strukturiert die Baustelle des künftigen Beach-Clubs organisatorisch in zwei Teilen. Diese werden parallel zueinander entwickelt, ohne dass die Bauschaffenden sich dabei ins Gehege kommen. Zum einen geht es um den Garten- und Landschaftsbau zwischen der Uferkante und der künftig deutlich nach hinten versetzen Freibad-Einzäunung. Zum anderen liegt der Fokus auf der imposanten, 165 Meter langen Steganlage, die mit ihrer spektakulären Wegeführung über das Seewasser hinweg zu einer Landmarke mit hohem Wiedererkennungswert ausgestaltet werden soll.
Das gastronomische Herzstück der Anlage wird ein Stahlbauskelett bilden, das in rustikaler Seecontainer-Optik gestaltet wird. Darin werden nicht bloß die klassische Gastroküche mit Verkaufstresen und der Toilettenanlage untergebracht, sondern über einen weiteren aufgestapelten Show-Container wird auch der Steg zur Strandhaus-Terrasse hindurchgeführt und zugleich ein weiterer Aussichtspunkt mit Treppenzugang zum Beach-Club geschaffen.
„In den ersten Baustellen-Tagen im August werden wir zunächst einmal die Zaunanlage des Bades sowie die Grasnarbe entfernen“, so der Planer. Im Anschluss gilt es, mit den Kampfmittelräumern noch einmal genau zu prüfen, ob sich im Untergrund keine Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkriegs befinden, bevor die Fundamente für Seecontainer sowie den opulenten Hochsteg gesetzt werden. „Anhand der Luftbilder gibt es hier zwar keine konkreten Hinweise dafür“, betont Patrick Messerschmidt, Projektleiter bei der Hagener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (HVG), unter deren Dach auch Hagenbad agiert. „Aber natürlich möchten wir hier auch keine böse Überraschung erleben, wenn es beispielsweise im Seewasser darum geht, die Tragkonstruktion für den Steg zu gründen.“
15 Meter lange Stäbe im See
„In enger Abstimmung mit dem Ruhrverband setzen wir eine Stütze ins Wasser, auf der ein Stahlbaum errichtet wird, der am Ende im äußersten Winkel den Aussichtspunkt des Hochsteges trägt“, erläutert Schramm das statische Konzept. Dazu wird ein 4x4-Meter großer Senkkasten im Wasser platziert, durch den etwa ein Dutzend Mikropfähle mit 15 Metern Länge in den Ruhrschotter getrieben werden. „Das muss man sich vorstellen wie eine Anordnung von Mikado-Stäben“, beschreibt Claas Heynowski die Konstruktion, die letztlich für alle Zeiten unsichtbar im Untergrund verschwindet. Denn erst nach fünf Metern Sediment beginnt in der Tiefe des Sees der tragfähige Ruhrschotter – und genau hier will man letztlich sicher sein, auf keinen Bomben-Blindgänger zu stoßen.
Bis Oktober, so die aktuelle Planung, sollen die Stahlskelette für die Brückenkonstruktion sowie das Fundament für den Gastro-Container fertiggestellt sein, bevor dann per Tieflader die vorgefertigten Stegelemente angeliefert und am See montiert werden können. Bis dahin sollten die Landschaftsbauer auch das Seeufer einschließlich einer zusätzlichen Wasserfläche neu modelliert haben. Dazu zählt auch, dass durch Sandsteinfelsen terrassierte Wiesenflächen entstehen, auf denen Radwanderer reichlich Platz finden, um zu pausieren oder auch zu picknicken. Erst direkt vor dem Gastro-Container entsteht die gut 400 Quadratmeter große Beach-Club-Area mit Sanduntergrund, an die sich zudem eine 325 Quadratmeter große Terrasse anschließt.
Natürlich gehören zu den Ruhezonen neue Baumpflanzungen und Sichtschutzhecken, die die Freibadbesucher vor allzu neugierigen Blicken schützen. Eine Fahrrad-Abstellanlage bietet hier künftig Platz für gut 60 Zweiräder. Der verbliebene Alt-Baumbestand wird in die Grüngestaltung komplett integriert. Außerdem wird die Uferpromenade bereits schon so großzügig dimensioniert wie sie künftig entlang des gesamten Sees gestaltet werden soll, um allen Freizeitaktivisten dort genügend Raum zu bieten.
„Wir gehen davon aus, den Beach-Club zur Frühjahrssaison 2024 eröffnen zu können“, formuliert Projektleiter Messerschmidt eine klare Zielvorstellung, die dem Landschaftsplanungsbüro aber auch keine zusätzlichen Schweißperlen auf die Stirn treibt. Bei der HVG verbindet man damit zugleich die Hoffnung, dass dieses attraktive Angebot nicht bloß das Strandhaus zusätzlich attraktiviert, sondern auch die Besucherzahlen im klassischen Freibad in die Höhe treibt. Bis dahin dürfen die neugierigen Baustellen-Kiebitze auf der Terrasse des Strandhauses, die natürlich einen Panorama-Blick auf die Arbeiten eröffnet, die Umsätze der Restauration aufbessern.
Baukosten gehen durch die Decke
Die Baukosten für den künftigen Freizeit-Hotspot am Seeufer sind seit der ersten Projektidee durch die Decke geschossen. Ursprünglich hatte man in Reihen der Planer die ambitionierte Vorstellung, die Baumaßnahme bereits für 2,75 Millionen Euro den Hagenern bescheren zu können. Zuletzt hat der Haupt- und Finanzausschuss zum wiederholten Male grünes Licht für Mehrkosten gegeben: Mit der Bewilligung weiterer 950.000 Euro sind die Kosten für Strandhaus, Steg, Promenade und Beachclub auf inzwischen 5,7 Millionen geklettert – eine Gesamtsteigerung von satten 107 Prozent.
Wesentlicher Kostentreiber war die energetische Sanierung des in die Jahre gekommenen Strandhauses – ein Gutachten hatte festgestellt, dass sowohl das Dach, als auch die Außenwände und die Terrasse der Immobilie unzureichend gedämmt seien und auch die meisten Fenster nach 40 Jahren nicht mehr dem Standard entsprächen. Zudem sollten die Gründungsarbeiten für die Steganlage im Ruhrwasser etwa 550.000 Euro teurer werden.
Weil obendrein vor allem die Materialkosten für Stahl rasant geklettert sind und es zudem weitere Auflagen für das Ab- und Regenwasserkonzept des Beachclubs, den Wiederaufbau der Fischfauna, die Entsorgung kontaminierter Erde sowie für das Beleuchtungskonzept zum Schutz von Fledermäusen und Wassergetier gibt, werden für Steg, Beachclub und Planer weitere 770.000 Euro fällig.
Hinzu kommen noch ein sechsstelliger Extra-Betrag für die teurer gewordene Sanierung des Strandhauses. Damit addieren sich die Gesamtkosten des Projektes auf inzwischen 5,7 Millionen Euro. 16,4 Prozent der Investitionssumme trägt die Stadt (932.520 Euro), den Rest muss die ohnehin mit roten Zahlen operierende Stadttochter übernehmen.