Hagen. Ein Freier ist unzufrieden und will sein Geld zurück – dann schlägt er plötzlich zu, greift sich den Rucksack mit den Einnahmen und flüchtet.

Dieser Bordellbesuch in Hagen hat Folgen: Sowohl für die Prostituierte, aber auch für den Freier. Der sitzt seit fünf Monaten in Untersuchungshaft und ist jetzt vor dem Landgericht angeklagt. Schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung lautet der Vorwurf.

Einen Tag vor Silvester, in der Düppenbeckerstraße. Gegen 0.30 Uhr torkelt ein angetrunkener Mann (34) im Laufhaus an den Vitrinen vorbei. Hinter einer Glasscheibe bietet eine zierliche Frau (31) ihre Dienste an. Beide werden sich einig. Sie ziehen sich auf ein Zimmer in der ersten Etage zurück. 50 Euro sind ausgemacht.

Nach 20 Minuten ist die vereinbarte Zeit abgelaufen. Der Mann ist unzufrieden, knöpft mürrisch seine Hose zu. Was er der Frau verschwiegen hat: Direkt zuvor war er bereits bei einer Kollegin von ihr gewesen. Offensichtlich hatte er sich selbst überschätzt, als er ein zweites Mal mit aufs Zimmer ging. Die Situation ist nun angespannt, die Frau greift zu dem Jeans-Rucksack, in dem sie ihre Einnahmen aufbewahrt. Sie wollte von sich aus, so sagt sie später, dem enttäuschten Freier 20 Euro zurückgeben. Doch plötzlich bekommt sie einen schweren Schlag, „wie mit einem Stein", ins Gesicht.

Freier schließt Prostituierte im Zimmer ein

Der Mann hat ein Kerzenglas ergriffen und hämmert damit regelrecht auf die Prostituierte ein. Etwa zehn Schläge treffen sie am Kopf, am Hals und an der Schulter. Die Frau versucht, die Angriffe mit ihren Armen und Händen abzuwehren. Als sie schreit, greift ihr der rabiate Freier an den Hals und hält ihr den Mund zu. Dann entreißt er ihr den Rucksack mit einem Portemonnaie, in dem sich ihre Tageseinnahmen von 800 Euro befinden und verlässt fluchtartig das Zimmer. Der Schlüssel steckt noch, er schließt von außen ab. Was der Mann in der Hektik der Situation oder aufgrund seiner Alkoholisierung aber nicht bemerkt hatte: Ihm war das Portemonnaie mit dem Geld aus dem Rucksack gefallen. Es lag im Zimmer auf dem Boden.

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Draußen kommt es zu einer weiteren brenzligen Situation. Die im Zimmer eingesperrte Frau reißt das Fenster auf und schreit um Hilfe. Ein Unbeteiligter auf der Straße bekommt das mit. Er versucht den Flüchtenden aufzuhalten. Doch dieser zückt, so die Anklage, ein Küchenmesser mit etwa 15 Zentimeter langer Klinge und droht damit. Es gelingt ihm schließlich, über die Volmestraße zu entkommen. Den leeren Rucksack wirft er an der Springe weg. Dort findet ihn später die Polizei. Dummerweise hatte er jedoch seine Bauchtasche mit den Ausweispapieren und einem Einhandmesser auf dem Zimmer der Prostituierten vergessen. So war es später ganz einfach, ihn als möglichen Täter ausfindig zu machen.

Prozess wird fortgesetzt

„Beruflich verlege ich Internetleitungen, deshalb brauche ich eine Klinge für meine Arbeit", erklärte der Angeklagte am ersten Prozesstag. Gegenüber der Polizei hatte er noch angegeben, er hätte das Messer kurz vor der Tat auf der Straße gefunden. Warum er der Prostituierten den Rucksack entrissen hätte, will Vorsitzender Richter Christian Hoppe wissen. „Aus Versehen", so die Antwort. Zuvor sei er von der Frau angegriffen worden. Sie sei wütend gewesen, weil er sein Geld zurückhaben wollte. Eigentlich hätte er nur nach seiner Bauchtasche greifen und abhauen wollen. Bei dem gedimmten Rotlicht im Zimmer hätte er auch gar nicht bemerkt, dass es stattdessen ihr Rucksack mit dem Geld war. Schließlich sei er auch betrunken gewesen. Eine halbe Flasche Whisky will er zur Tatzeit intus gehabt haben.

Die geschädigte Prostituierte, die inzwischen in einem Dortmunder Bordell tätig ist, schildert die heikle Situation im Zimmer ganz anders: „Ich bin als Frau alleine. Da mache ich doch keinen Streit mit einem Freier", empört sich die Zeugin, die bei der körperlichen Auseinandersetzung eine Beule und Kopfschmerzen sowie Schmerzen im Schulterbereich davontrug. Verteidiger David Lakwa glaubt, „dass das Geschehen in Wirklichkeit nicht so schwarz und weiß war, wie es die Zeugin dem Gericht verkaufen will. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte." Am heutigen Freitag wird der Prozess fortgesetzt.