Elsey. Von Schokolade zum Dank und Shisha-Rauchern im Zelt: Nach zwei Jahren schließt die Drive-In-Teststelle Hohenlimburg. Die Betreiber blicken zurück
Ein paar Stäbchen für die Abstriche liegen noch im Regal, doch auch die werden bald eingelagert: Es herrscht Abbaustimmung an der Corona-Teststelle am Kirchenberg. Ende Februar endete dort der Betrieb. Das letzte Zelt wird bis zum Wochenende vom Parkplatz verschwunden sein. Ein Besuch.
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Rund 110.000 Testungen
Sie können nicht exakt sagen, wie viele Menschen in den zurückliegenden zwei Jahren mit ihren Autos durch die Zelte auf dem Kirchenberg gefahren sind, um sich auf das Corona-Virus testen zu lassen. Zwischendurch wechselte der Betreiber und auch die digitale Erfassung hatte Aussetzer. Aber irgendwo zwischen 110.000 und 120.000 wird die Zahl der Testungen liegen, rechnet Sabrina Grube vor. Mit ihrem Ehemann Sebastian hat sie im Frühjahr 2021 die erste Corona Drive-In Teststelle im Bezirk Hohenlimburg eröffnet. Auch gab es auf dem Gelände am Kirchenberg mehrere Impfaktionen, bei denen sich insgesamt 10.000 Menschen per Drive-in haben Impfen lassen – eine der größten privat organisierten Impfaktionen in der Region.
Stimmung übertragen
Während die Pandemie heute aus vielen Köpfen fast verwunden ist, befand sich bei der Eröffnung der Teststelle im April 2021 das Land gerade mittendrin in Debatten um Impfpflicht und Corona-Demos. Teststellen wie die am Kirchenberg wirkten dabei immer auch wie Barometer, an denen die aktuelle Stimmung in puncto Pandemie ablesbar war. „Man hat sofort gemerkt, wem das Wasser bis zum Hals stand, wer Angst hatte und wer sich seinen Lebensstil durch das Virus gerade nicht verbieten lassen wollte“, erinnert sich Sebastian Grube an viele Begegnungen und Gespräche zurück. Manche Leute waren schlicht genervt, andere brachte die Pandemie an den Rand des Verkraftbaren, etwa wenn ältere Menschen ihre Enkel nicht mehr treffen durften.
Sisha im Zelt geraucht
Von Vandalismus dagegen blieb die Teststation verschont – weitgehend. Kleine Erlebnisse lassen Sabrina Grube eher schmunzeln: „Anfangs sind mal ein paar Pylone über Nacht abhanden gekommen. Der Klassiker war, dass Schilder und Richtungspfeile auf dem Parkplatz umgedreht wurden, sodass Autos nicht mehr wussten, wie sie zum Testzelt fahren mussten.“ Weniger witzig dagegen, als Jugendliche des Nachts mal Shisha in dem Zelt geraucht und Zigarettenstummel auf das Zeltdach geschnippt haben. „Dadurch hatten wir einzelne Brandlöcher im Dach“, so Grube. „Das war aber mit das Schlimmste, was es an Vandalismus gab.“
Viel Dankbarkeit
Unterm Strich – das heben die Betreiber stellvertretend für ihr Team hervor – haben sie in der Begegnung mit den Menschen vor allem Dankbarkeit erlebt. Mal kam jemand mit belegten Brötchen für das Team vorbei, mal gab es Schokolade und Berliner zur Verpflegung oder zu Silvester ein Schnäpschen geschenkt.
Sabrina Pfeil und Sandra Röhl kennen diese Geschichten zu gut. Sie gehören zu den Mitarbeitern, die täglich Abstriche gemacht und die Ergebnisse dokumentiert haben. Nicht immer ein nüchterner Akt. „Man könnte meinen, das ist ein Drive-In-Test und die Leute haben keine Lust auf Gespräche, aber so war es nicht“, sagt Sabrina Pfeil. Seit einem Jahr hat sie in der Teststelle gearbeitet und dabei viele Gesichter mehr als einmal gesehen.
Persönliche Gespräche
„Es gab Menschen, die uns das Jahr fast täglich begleitet haben, weil sie Angehörige im Krankenhaus oder Altersheim haben und dafür einen Corona-Test brauchten“, erzählt die gelernte Arzthelferin (MFA). Sie erinnert sich an einen älteren Herren, der nach dem Tod seiner Frau mit Tränen in den Augen an der Teststelle stand. Sehr persönliche Fälle, in denen auch mal getröstet und vor allem viel gesprochen wurde. Sprechen – das mussten sie in der Testelle generell sehr viel. Es galt die immer neuen Corona-Regeln und Verordnungen zu erklären, von denen sie hier teils schon aus den Medien wussten, bevor amtliche Verlautbarungen des Bundes durchgedrungen waren. Dass man sich Zeit zum Reden nahm und nach Lösungen suchte, kam bei vielen an.
Kostenpflichtige Tests
Ein Auto fährt einsam über den leeren Parkplatz, steuert auf das Gerippe zu, das mal ein Corona-Testzelt war. Aus dem Autofenster schaut Markus Budde. Der Hohenlimburger holt für sich ein paar letzte Corona-Tests. Seine Mutter liege im Krankenhaus, erzählt er. Er will verhindern, dass er mit dem Besuch das Virus anschleppt. “Ich war ja auch Karneval feiern. Man geht wieder raus unter Leute.“ Corona, soviel ist klar, gibt es immer noch. Und mit der Schließung der Teststellen bleiben manche auf der Strecke. „Es ist schwierig für die Leute, die sich Corona bewusst sind und gefährdete Menschen in ihrem Umfeld nicht anstecken möchten“, sagt Sabrina Grube. „Wo gehen diese Menschen nun hin? Zehn Euro sind viel Geld für einen qualifizierten Test.“
Lob für Gesundheitsamt
Viel Lob von den Betreibern gibt es derweil für das Gesundheitsamt der Stadt. Seit Beginn der Pandemie gab es regelmäßige Videomeetings der Behörde mit den Teststellen im Stadtgebiet. Ein Forum zum Austausch, für Absprachen, für Rückfragen, das die gesamte Pandemie über bis zuletzt bestand. „Das war sehr viel wert“, sagt Sebastian Grube. Auch das Gesundheitsamt sei immer ansprechbar gewesen.
Familienleben geprägt
Mit der Schließung der Teststelle will das Ehepaar Grube nun mit dem Thema Pandemie abschließen. Für die Eltern von drei jungen Kindern (2, 3 und 5 Jahre) geht damit ein Kapitel zu Ende, das auch das Familienleben geprägt hat. „Die Kinder kennen es gar nicht anders. Sie fragen, Mama, warum haben wir keine Teststelle mehr?“ Der Blick geht nach vorne und sie hoffen, dass mit den kommenden warmen Monaten das normale Leben immer mehr zurückkehrt.
Zelte an de Feuerwehr
Zwei der Zelte von der Teststelle haben sie an die Feuerwehr gegeben, eines geht an eine gemeinnützige Organisation. Hygienemittel, die nicht mehr gebraucht wurden, schickten sie zu den Erdbebenopfern in die Türkei. Und mit seiner Firma für Brandschutztechnik hat Sebastian Grube bereits die Folgen einer anderen Katastrophe im Blick: Er kümmert sich um den Brandschutz in der Rathausgalerie in Hagen, die bei der Starkregen-Flut 2021 überflutet und schwer beschädigt wurde – und Ende März wieder öffnen soll.