Hagen. Peter spielt bizarre Spiele. Seine Wohnung in Hagen gleicht einer Folterkammer der Lust. Im Rahmen der Serie „So liebt Hagen“ war die WP dort.
Die Vorstellung macht Phantomschmerzen am Hintern. Sich mit dieser mehrschwänzigen Geißel mit voller Wucht auf das Gesäß schlagen zu lassen, kann eigentlich nur einem Wahnsinnigen gefallen. „Nein, wahnsinnig sind die nicht, die hier in dieses Spielzimmer kommen“, sagt Peter. Das seien ganz normale Menschen. Mit dem Unterschied, dass ein bestimmter Fetisch sie die höchsten Sphären sexueller Lust erreichen lasse.
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Während Peter das erklärt, trägt er eine, wohlgemerkt echte, Uniform eines Schweizer Kanoniers und eine enge Ledermaske im Gesicht. In seiner Wohnung im Hagener Norden gibt es für Peter und seine Spielpartner, wie er sie nennt, eigentlich nichts Schlimmeres, als nackt zu sein.„Wir haben alle unseren Fetisch“, sagt er. Der eine stehe auf Satin, der andere auf Lack und Leder. Wiederum andere mag ein Mieder erregen oder ein Kostüm. Manche wollen Rollenspiele spielen. Krankenschwester, Schulmädchen, Sekretärin. „Und dann gibt es eben auch die, die auf Uniformen stehen“, erklärt Peter.
Menschen als Haustiere
Die, die das tun, sind bei ihm an der richtigen Adresse. In seinem Schrank hängen 200 echte Uniformen aus der ganzen Welt. Militärisches und Behördliches. Dazu viele Pullover oder Hosen, mit denen man in bestimmte Rollen schlüpfen kann. Und 30 extreme Kostüme wie ein Latexanzug zum Beispiel. Peters Welt geht über Krankenschwester-Fantasien hinaus. In seiner Welt wollen Menschen Haustiere sein oder von oben bis unten in enge Gummi-Anzüge gepresst sein.
Peter ist 46 Jahre alt. Seit 1988 lebt er sein Sexualleben so aus wie man das in seiner Wohnung eindrucksvoll besichtigen kann. Ein ganzes Zimmer hat er hergerichtet für seine Gäste, die er vorzugsweise im Internet kennenlernt und die nur mal schnell von der A 1 abfahren, um sich von Peter in welcher Rolle und in welcher Uniform auch immer mal ein, zwei Stunden „dominieren lassen wollen“, wie er sagt. Geredet wird dabei meistens nicht viel. (Auch lesenswert: Jung, zielstrebig und enthaltsam – Wie ein junger Mann der Selbstbefriedigung abschwört)
In Spielkleidung empfangen
Peter öffnet schon in „Spielkleidung“ die Tür und dann geht es, wie vorher verabredet, zur Sache.An der Decke seines Spielzimmers hängt ein großes Tarnnetz. An einer Leiste an der Wand hängen, nach Größe sortiert, Schlagwerkzeuge. Teppichklopfer, Rohrstöcke, Peitschen, Baseballschläger, Gummiknüppel. Auf Regalen liegen Instrumente, die man auch beim Gynäkologen oder Urologen findet. Daneben Dildos in allen Größen und sogenannte „Plugs“, die, wie Peter erklärt, in bestimmte Körperöffnungen geführt werden. Auf dem Boden ist eine dicke Gummierung ausgelegt. Es gibt einen Holzbock, über den sich die Gäste spannen lassen und eine Art Spielstuhl, der unter der Decke befestigt ist.
Ende der 80er-Jahre, als es das Internet in seiner heutigen Form noch nicht gab, habe sich ein erstaunlich gut über Mund-zu-Mund-Propaganda funktionierendes, über ganz Deutschland gespanntes Netzwerk entwickelt. „In München wusste jemand, dass in Frankfurt jemand auf etwas Bestimmtes steht. Und in Hagen wusste man, wer es in Bremen auf welche Weise braucht.“ Als das Internet dann kam, explodierte die Szene. Hunderttausende Fetisch-Liebhaber in der ganzen Republik vernetzten sich miteinander, filterten ihre Vorstellung. Fortan kam es zu viel mehr Fetisch-Reisen als vorher.
Viele HIV-positiv
Doch die Freude am Fetisch habe im extremen Teil ihrer Szene auch immer eine dunkle Seite gehabt. „Ungeschützter Partnertausch war früher gang und gäbe“, sagt Peter. Und so ist ein nicht gerade kleiner Teil der älteren Szene-Mitglieder, zumindest die, die Peter kennt, HIV positiv. Peter selbst auch. Und vor diesem Hintergrund sei es erstaunlich, wie viele Fremde nach einer ersten Kontaktaufnahme im Internet seine Wohnung betreten würden und dennoch bereit sind, mit einem wiederum Fremden Geschlechtsverkehr zu haben.
Denn auch der gehört, neben der Liebe zur Kostümierung und zum Schlüpfen in Rollen, zum Spiel. Wer auf diese Weise spiele, wie Peter es tue, der trage eine große Verantwortung, sagt er. Und zwar für denjenigen, der sich oft hilflos in die dominanten Hände des Anderen begibt. Mit dem Opfer werden vorab Codewörter vereinbart. „Stopp“ bedeutet nur eine kleine Unterbrechung. „Erdbeereis“ heißt, dass zum Beispiel mit etwas anderem weitergeschlagen werden soll. Und „Weihnachtsbaum“ bedeutet totaler Abbruch, weil es nicht mehr geht.
Eine Form von Liebe
Viele „Opfer“, so nennt Peter die Spielgefährten immer wieder, müssten vor extremen Sessionen auch aufgewärmt werden.Er wisse, wie hart und bizarr das in den Ohren von jemandem klinge, der ein klassisches Sexualleben führe. „Viele tun das, was wir hier tun, als pervers ab. Aber es ist auch eine Form von Liebe, Lust und Leidenschaft“, sagt Peter, „und danach fragen Sie in ihrer Liebes-Serie ja.“