Hagen. . Es klingt ungewöhnlich, vielleicht sogar befremdlich: Eine Gruppe junger Hagener hat der Selbstbefriedigung abgeschworen. Uns erklären sie ihre Beweggründe.

  • Sie haben der Selbstbefriedigung abgeschworen
  • Es geht um ein Zeichnen gegen den Pornokonsum
  • Es gilt, die Sinne für die wesentliche Dinge zu schärfen

Dieser Artikel soll nicht die Frage klären, ob Selbstbefriedigung gut oder schlecht ist. Ob sie zu mehr geistiger Leistungsfähigkeit führt oder ob sie die Sinne vernebelt. Das Gespräch mit Timo (17, Name von der Redaktion geändert) in einem Café in der Hagener Innenstadt hat das Thema Masturbation dennoch als seinen zentralen Inhalt. Timo und die Mitglieder seiner gleichdenkenden Gruppe haben der Selbstbefriedigung nämlich abgeschworen. Weil sie lähme. Weil sie dafür sorge, dass sie ihre persönlichen Ziele nicht konsequent verfolgen könnten. Weil sie den Blick auf das Unwesentliche lenke, nicht auf die Prioritäten. „Seit wir es nicht mehr tun“, sagt Timo, „sind wir komplett andere Menschen. Ich hätte niemals geglaubt, was das für einen Einfluss auf die Persönlichkeit hat.“

Eine junge, wirklich sehr attraktive Kellnerin bringt zwei Cappucino an unseren Tisch. Prüfend wandert Timos Blick von Kopf bis Fuß der jungen Dame. Als sie sich wieder umdreht und zurück Richtung Barbereich läuft, wirft er ihr einen weiteren Blick hinterher, ehe er sich ohne Regung, ohne erkennbare Mimik wieder dem Gespräch widmet.

Er sagt: „Pornographie und Selbstbefriedigung hängen in meiner Generation unglaublich nah zusammen. Weil Pornos heute immer und zu jeder Zeit zugänglich sind, machen sie junge Leute in meinem Alter abhängig. Das sorgt zum einen dafür, dass sie immer härteren Stoff brauchen, aber auch, dass sich ihr Frauenbild und ihre Vorstellung von Sex völlig verändert. Pornos sind die Zigaretten von morgen. Und ich will das einfach nicht.“

NoFap – nicht zu übersetzen

Das sei aber nicht der Hauptgrund, warum er sich der weltweit von vielen Überzeugten gelebten NoFap-Idee angeschlossen habe. Den Begriff kann man nicht wörtlich übersetzen. „No“ soll nein oder nicht bedeuten. „Fap“ sei im Englischen ein lautmalerischer Begriff für das Geräusch, was bei der Selbstbefriedigung entstehe. „Ich war an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich große Probleme hatte. Ich war unzufrieden und hatte mangelndes Selbstbewusstsein. Ich habe dazu meine Ziele aus den Augen verloren. Zwei Jahre später habe ich herausgefunden, woher das alles kam.“

Seine Eltern hatten ihm von je her erzählt, dass Selbstbefriedigung eine schlechte Sache sei. Dass sie krank mache. Es sei paradox gewesen, denn in der Schule würden es so gut wie alle Jungen tun. Genau wie sie Pornos schauen und sie teilen würden. „Dann hat mir einer erzählt, dass er einen Monat lang aufgehört habe, sich selbst zu befriedigen und dass es ihm plötzlich erstaunlich gut gehe.“ Timo recherchierte im Internet dazu und stieß auf die Seiten der NoFap-Bewegung. „Ich war erst äußerst skeptisch, doch je mehr ich las, desto überzeugter wurde ich. Ich habe dann beschlossen, ebenfalls damit aufzuhören.“

Schwer sei das gewesen, einem natürlichen Verlangen, einem Trieb zu widerstehen. Vor allem morgens falle ihm das schwer. Er habe sich zur Selbstkontrolle eine App auf sein Handy geladen, die Alarm schlage, wenn er gewisse Internetseiten mit nicht jugendfreiem Inhalt besuche. „Aber seitdem ich widerstehe, habe ich eine richtige Wandlung vollzogen. Ich bin motivierter, selbstbewusster, zielstrebiger. Ich will Medizin studieren. Dafür muss ich starke Leistungen in der Schule bringen. Jetzt gelingt mir das wieder.“ Eine Freundin hat er nicht. Nicht, weil sich da nichts ergeben hätte, sondern weil ihn eine Beziehung aktuell zu sehr von seinen Zielen ablenken würde.

In seiner Jahrgangsstufe an einem Hagener Gymnasium berichtete er ganz offen über seinen Verzicht auf Selbstbefriedigung. Die meisten Mitschüler hätten sich schockiert gezeigt. „Es waren aber auch welche dabei, die sehr großes Interesse gezeigt haben. Vielleicht, weil sie selbst schon bemerkt haben, in welcher Lage sie sich auch durch die Folgen von Pornografie befinden.“

Freude auf erfülltes Sexualleben

Gegründet wurde die NoFap-Bewegung laut Timo in den USA, wo auch das weltweit größte Internetportal dazu seinen Stammsitz habe. In dem riesigen Forum gebe es Bereiche für Männer und Frauen, die der Idee folgen würden. „Ein Professor aus Erlangen hat sich neulich darunter gemischt“, sagt Timo, „er will darüber forschen, welche Auswirkungen Selbstbefriedigung und der Verzicht darauf haben kann.“ Für Timo zeige das, welche Wichtigkeit die Idee des „NoFap“ erlangt habe. „Ich werde versuchen, sie weiterzuverfolgen. Mir tut es einfach nur gut.“ Wenn er in Zukunft eine Partnerin finden würde, freue er sich auf ein erfülltes Sexualleben mit ihr – frei von jeglichen Bildern und Werten, die eine gewaltige Internetindustrie geschaffen habe.