Hagen. Aufgrund des Fachkräftemangels können sich Arbeitnehmer ihre Stelle heute aussuchen. Strategie-Entwickler Wrobel erklärt, was Chefs tun können.
Das Blatt hat sich gewendet: „Früher hat man sich um einen Ausbildungsplatz oder einen Job beworben, und der Arbeitgeber konnte sich aus dem Bewerberkreis den seiner Meinung nach geeignetesten Mitarbeiter aussuchen. Das ist heute andersrum“, sagt Alexander Wrobel.
Der 38-jährige Geschäftsführer der Online-Marketingagentur Online-Experience ist gebürtiger Hagener, „und mir und meinem Team liegt der Standort Hagen sehr am Herzen“.
Die jüngst in dieser Zeitung veröffentlichten Ergebnisse einer in Hagen durchgeführten Unternehmerbefragung – hierbei benannten die teilnehmenden Unternehmer den Fachkräftemangel und Hagens schlechtes Image als eklatanteste Probleme – überraschen Alexander Wrobel nicht. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, ermutigt er jeden Arbeitgeber, sich zu bewegen. „Als Unternehmer muss ich sagen können, ,Ich bin ein attraktiver Arbeitgeber’, und die Aussage kann sich auf Kleinst- wie Großbetriebe und auf verschiedene Bereiche beziehen.“
Ein Wechsel muss sich lohnen
Alexander Wrobel, der (Online-)Strategien für Unternehmen entwickelt und Webseiten und Social-Media-Kanäle erstellt, liefert Beispiele: „Als Arbeitgeber kann ich ein bestimmtes Wertesystem in den Vordergrund rücken. Ich kann mit Familienfreundlichkeit werben und mich dafür zertifizieren lassen, ich kann flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, intelligente Teilzeitmodelle und eine betriebliche Altersvorsorge anbieten. Als Arbeitgeber muss ich heute wirklich viele Fäden ziehen, um zusätzliches Personal zu rekrutieren.“
Es ginge letztendlich um Benefit, „für den Arbeitnehmer muss es sich lohnen, gerade zu diesem einen Arbeitgeber zu wechseln.“
Schon mit vermeintlichen Kleinigkeiten könnte ein Unternehmen signalisieren, dass ihm am Wohl und an der Gesundheit der Mitarbeiter gelegen sei.
„Das fängt an bei Getränken, die kostenlos zur Verfügung gestellt werden und geht über Gratis-Obst oder Snacks“, sagt Wrobel. Mitarbeiter in der Produktion, die vielfach körperlich harte Arbeit verrichten würden, könnten durch Massagen, die der Arbeitgeber bezahlt, Wertschätzung erfahren. Einige Unternehmen würden ihren Mitarbeitern kostenlos Job-Fahrräder zur Verfügung stellen, andere Tankkarten ausgeben, „und in einigen Firmen bekommen sogar schon Azubis einen kleinen Dienstwagen“, berichtet der Strategie-Entwickler. Die kleinen Flitzer seien mit dem Spruch „Azubi on Tour“ foliert, der Unternehmer mache dadurch auf positive Weise auf sich aufmerksam. Und Firmen-Events oder Feiern würden für ein positives Betriebsklima sorgen.
Work-Life-Balance ist mehr als ein neumodischer Begriff
Heute geht es nicht mehr allein um die Höhe des Gehaltes oder des Lohnes, weiche Faktoren spielen mittlerweile eine ebenso wichtige Rolle bei der Besetzung von Stellen. Work-Life-Balance ist mehr als ein neumodischer Begriff, sondern eine Lebenseinstellung, die sich immer mehr verbreitet.
„Bei einigen konservativen Unternehmen und häufig auch bei älteren Chefs hat dieses Umdenken allerdings noch nicht stattgefunden“, resümiert Alexander Wrobel und fährt fort: „Aber Patriarchen haben es heute schwer.“
Unternehmer, die nicht wahrhaben wollten, dass sich heute viele Arbeitnehmer einen neuen Arbeitsplatz aussuchen könnten, hätten den Wandel verschlafen, „dann sollte man auch loslassen können und die Führung vielleicht einem Jüngeren oder jemandem, der in der neuen Zeit angekommen ist überlassen.“
Ländliche Standorte haben es oft schwer
Der Geschäftsführer von Online-Experience hat zahlreiche Firmen auf ihrem Weg „in die neue, digitalisierte Zeit begleitet. Seit etwa einem Jahr arbeiten wir mit dem Glashersteller Ritzenhoff, der seinen Hauptsitz im sauerländischen Marsberg hat, zusammen. Für die Produktion und die Verwaltung sucht Ritzenhoff Mitarbeiter – kein ganz leichtes Spiel an einem so ländlichen Standort“, sagt der 38-Jährige, der für Ritzenhoff eine Karrierewebsite entwickelt hat.
Auch für die katholische Kirche (für die Gemeindeverbände in Hagen und Dortmund), ist Online-Experience seit zwei Jahren tätig und hat dem Auftraggeber u.a. einen zeitgemäßen Online-Auftritt verpasst. „Die Gemeindeverbände suchen Fachpersonal für ihre Kitas und ihre Verwaltung.“
498 Unternehmen kontaktiert
Die Hagener Wirtschaftsentwicklung (HA.WE, früher Hagen-Agentur) hat die Unternehmerbefragung bei der Gesellschaft für angewandte Kommunalforschung (GEFAK) mit Sitz in Marburg in Auftrag gegeben.
Von den 498 kontaktierten Unternehmen haben 110 verwertbare Antworten geliefert.
Jene 110 Betriebe benötigen nach eigener Aussage derzeit insgesamt 500 Arbeitskräfte, wobei sich der Bedarf auf alle Qualifikationsstufen, sprich, auf ungelernte Kräfte, Fachkräfte sowie auf Akademiker gleichermaßen verteilt.
Was Alexander Wrobel immer wieder betont? „Personalsuche ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Der Weg, bis sich Erfolg einstellt, kann lang sein.“
Hagens Image ist schlecht
Themenwechsel: Ein weiteres Ergebnis der durch die Gesellschaft für angewandte Kommunalforschung (GEFAK) durchgeführten Umfrage unter heimischen Unternehmern: Zwar ist die Identifikation mit der Stadt groß, doch das Image von Hagen schlecht. Das Ergebnis kann Wrobel, wenn er an seine eigenen Kunden denkt, bestätigen. „Auch andere Städte haben Probleme mit Müll, Kriminalität oder Luftverschmutzung, doch setzen etwas Anderes, etwas Positives, dagegen“.
So käme bei vielen Dortmundern doch noch immer der Stolz auf die frühere Industriekultur durch, „und auf Fußball sowieso“. Selbst in einer Stadt wie Köln liefe nicht alles reibungslos, aber da würden die Rheinländer dann das ,besondere Jeföhl’, das Köln ausmache, dagegen setzen.
Und Hagen? „Einzig und allein des Basketballs wegen zieht niemand nach Hagen. Im allgemeinen liegen die Gründe, warum jemand in eine andere Stadt zieht, doch auf der Hand: der Liebe wegen, aufgrund einer Ausbildung oder eines Studiums, aufgrund eines attraktiven Arbeitsplatzes oder weil die Stadt – dabei handelt es sich allerdings meistens um Metropolen wie Berlin oder Hamburg – einfach ,Spirit’ hat.“
Für Hagen sieht Wrobel eine Stellschraube, an der es sich lohnt, zu drehen: „Wenn der Spruch ,Ich will ein attraktiver Arbeitgeber werden’ tatsächlich umgesetzt wird, könnte der Fachkräftemangel geringer und das Image der Stadt besser werden.“