Hagen. Aus für die Firma Meierling aus dem Lennetal in Hagen. Der Hersteller von Anhängern stellt die Produktion endgültig ein. Die Hintergründe.

Hiobsbotschaft für die Mitarbeiter der Firma Meierling: Das Unternehmen aus Hagen, das im Oktober trotz voller Auftragsbücher Insolvenz annehmen musste, wird aufgelöst. Das wurde den Beschäftigten am Montagnachmittag vom Insolvenzverwalter mitgeteilt. „Wir wurden mit sofortiger Wirkung freigestellt“, berichtete der um Fassung bemühte Vertriebsleiter Tim Rogasch: „Jetzt stehen wir alle auf der Straße. Und das wenige Tage vor Weihnachten.“

Das Unternehmen gehört seit zweieinhalb Jahren zur Gossens GmbH, einem Kies- und Sandwerk aus Neukirchen/Vluyn am Niederrhein. Geschäftsführer Bernd-Robert Gossens entschloss sich, als er feststellte, dass der defizitäre Geschäftsbetrieb nicht weiter finanzierbar war, beim Amtsgericht Hagen einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen.

Während Gossens sich nicht zu den Vorgängen äußeren wollte, sind Wut und Enttäuschung groß bei den 17 Beschäftigten der Firma, die Nutzfahrzeuge herstellte, vor allem Anhänger und Auflieger aus Aluminium. Das Unternehmen habe nicht Bankrott gehen müssen, davon sind alle überzeugt. „Unsere Auftragsbücher waren bis zuletzt voll“, sagt Tim Rogasch, der mehrere Gründe für den plötzlichen Niedergang anführt.

Explodierende Preise und keine eigene Halle

Da sei zum einen der Krieg in der Ukraine, der dazu beigetragen habe, dass die Materialpreise explodierten und zudem wichtige Komponenten kaum noch verfügbar waren. So haperte es mit Halbleitern für die Bremsanlagen der Trailer.

Hinzu komme, dass Meierling, seit 1991 im Lennetal ansässig, über keine eigene Halle verfüge, sondern in einem Gebäude der Entsorgungsfirma Lobbe arbeitet. Und das Iserlohner Unternehmen wolle die Halle nun selbst nutzen, sagt Rogasch. Vergeblich suchte Meierling zuletzt nach einem Alternativ-Grundstück.

Ohne ausreichendes Material und ohne Aussicht auf eine neue Bleibe muss die Firma nun liquidiert und abgewickelt werden. In der kommenden Woche wird das Insolvenzverfahren, obwohl noch 40 Aufträge ausstehen, offiziell eröffnet.

Keine Gleitklausel in den Verträgen

Zum Insolvenzverwalter wurde der Hagener Rechtsanwalt Thorsten Klepper bestellt. Er bestätigte, dass die Auftragsbücher des Unternehmens aus dem Lennetal voll seien: „Allerdings fehlt das Material, um die bestellten Fahrzeuge auch bauen zu können.“

Zudem seien die vereinbarten Verkaufspreise nicht mehr kostendeckend. Das seien sie vielleicht zu dem Zeitpunkt gewesen, an dem die Verträge geschlossen worden seien, so Klepper. Seitdem verzeichneten einige Produktbestandteile Preisanstiege von über 60 Prozent, in den Verträgen fehle jedoch eine entsprechende Gleitklausel, die es Meierling erlaube, die Preise anzupassen.

Defizitärer Geschäftsbetrieb

Zudem habe bei den Kunden keine Bereitschaft vorgelegen, die Preisanpassungen mitzugehen, sagt Klepper. Der Geschäftsbetrieb verlief somit defizitär und sei durch Einlagen der Gesellschafterin Gossens GmbH aufgefangen worden. Schließlich seien die Einkaufspreise aufgrund des Russland-Ukraine-Krieges weiter gestiegen und die Verfügbarkeit der einzelnen Fertigungskomponenten habe sich weiter verschlechtert, auch aufgrund erster Zahlungsschwierigkeiten.

Ein weiterer defizitärer Geschäftsbetrieb sei schließlich aus den finanziellen Mitteln der Gesellschafterin nicht weiter finanzierbar gewesen, so dass am 21. Oktober ein Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht Hagen erfolgte.

Lobbe will Halle selbst nutzen

Seitens der Firma Lobbe bestätigte Geschäftsführer Gustav Edelhoff, dass sein Unternehmen die Halle selbst nutzen wolle: „Um dort eine Kunststoffrecyclinganlage zu errichten.“ Er verwies darauf, dass Lobbe ja in unmittelbarer Nachbarschaft bereits einen großen Logistikstandort besitze. Er habe der Firma Meierling jedoch nicht gekündigt: „Sondern wir haben die Immobilie mit einem bereits gekündigten Mietvertrag übernommen.“

Tatsächlich sei Meierling ohne die Generosität von Lobbe längst am Ende, so Insolvenzverwalter Klepper. Der Mietvertrag sei bereits im Juni abgelaufen, dennoch habe das Entsorgungsunternehmen aus Iserlohn weiterhin die Öl- und Heizkosten übernommen.

Kräne und Tore nicht mehr betriebssicher

Auf der anderen Seite entsprächen einige technische Betriebseinrichtungen wie Kräne und Tore nicht mehr den Sicherheitsstandards, so dass Lobbe deren Nutzung untersagt habe: „Die Firma Meierling befindet sich in einem fremden Gebäude, das in einem desolaten Zustand ist“, so Klepper: „Und die kalkulatorischen Aufträge, die es noch gibt, lassen sich nicht realisieren.“ Am Ende des Tages gebe es für Meierling keine Zukunft mehr: „Das ist unwiderruflich.“

Was das für die Arbeiter und Angestellten bedeute, sei „nicht schön“, so der Rechtsanwalt. Aufgrund von „Masseunzulänglichkeit“ sei kein Geld mehr vorhanden, um die Beschäftigten zu bezahlen. „Wir sind faktisch im Insolvenzverfahren erneut insolvent und zahlungsunfähig.“

Und so wurden die Beschäftigten ohne Hoffnung auf eine Zukunft für ihre Firma in die Weihnachtstage geschickt.

Das bedeuten Gleichwohlgewährung und Differenzlohn

Da die Kündigungsfristen noch nicht abgelaufen sind, müssen die Beschäftigten der Firma Meierling bei der Agentur für Arbeit „Gleichwohlgewährung des Arbeitslosengeldes“ beantragen.

Da das Arbeitslosengeld geringer ist als das Gehalt, steht den Beschäftigten zusätzlich der sogenannte Differenzlohn zu. Dabei handelt es sich um den Betrag zwischen erhaltenem Arbeitslosengeld und Nettoentgelt während der Kündigungsfrist.

Der Insolvenzverwalter nennt ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat ein Bruttoeinkommen von 3000 Euro. Aus dem Bezug von Arbeitslosengeld erhält er während der Freistellung bis zum Ende der Kündigungsfrist 1218 Euro im Monat. Das normale Nettoentgelt wäre 2013,38 Euro.

Die Differenz in Höhe von 795,38 Euro ist der sogenannte Differenzlohnanspruch, den der Betroffene im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend machen kann.

137-jährige Unternehmensgeschichte

1885 wurde das Unternehmen Meierling in Dortmund als Schmiedewerkstatt und Wagenbau gegründet.

Anfang der 1950-iger Jahre erfolgte der Umzug nach Schwerte. Das Unternehmen entwickelte sich zum namhaften Hersteller von Kipp- und Coilfahrzeugen und produzierte mit als einer der ersten Fahrzeugbauer in Deutschland Ende der 60er Jahre Aluminium-Hinterkippmulden.

In den 70er Jahren führte Meierling die Verwendung von hochwertigen Feinkornstählen im Chassisbereich ein.

Anfang der 80er Jahre ein Meilenstein der Eigengewichtsreduzierung bei Nutzfahrzeugen: das erste Aluminium-Fahrgestell von Meierling.

Nach der Übernahme durch die Becker/MTB-Gruppe 1987 erfolgte 1991 der Umzug in die neuen Fertigungshallen in Hagen. Mit Wirkung zum 1. März 2020 wurde Meierling von der Gossens GmbH übernommen.