Breckerfeld. Vor sechs Monaten haben wir Familie Ropatan aus der Ukraine besucht. Wie sieht ihr Leben in Breckerfeld aus? Was bewegt sie?
Ping. Eine neue Nachricht ploppt auf dem Handy von Tatjana Ropatan auf. Eigentlich hatte sie sich fest vorgenommen, abends nicht mehr aufs Handy zu schauen. Weil sie sowieso nichts ändern kann. Weil es einfach so ist wie es ist. „Und das ist schlimm. Man fühlt sich machtlos“, sagt die 43-Jährige.
Bilder und Videos aus der Ukraine flackern täglich über die Bildschirme, zieren Titelbilder, ploppen per Eilmeldung auf den Handys auf. Auch in Breckerfeld. Bei Familie Ropatan. Seit mittlerweile mehr als sechs Monaten ist der Krieg nach Europa zurückgekehrt. Und Millionen Menschen sind auf der Flucht. Und seit mittlerweile mehr als sechs Monaten leben Tatjana (43), Galina (66) und Vova (18) Ropatan in ihrer neuen Heimat auf Zeit: Breckerfeld. Weil auch sie fliehen mussten.
Die Flucht hat Spuren hinterlassen, „das nimmt einen mit, natürlich. Wir sind mit den Gedanken bei Bekannten und Freunden in der Heimat und hoffen, dass ihnen nichts passiert. Und dass es bald wieder Frieden gibt. Wir halten Kontakt. Es ist schwierig. Aber uns ist auch bewusst, dass wir unfassbares Glück hatten“, sagt Tatjana Ropatan und schaut zu ihrem Sohn Vova und ihrer Mutter Galina.
Sie haben mittlerweile eine eigene Wohnung in Breckerfeld. Zentral gelegen – und selbst renoviert. Zwei Zimmer, eine Küche, alles, was man zum Leben braucht.
Arbeit als Deutschlehrerin
Tatjana Ropatan spricht einwandfreies Deutsch – hat in ihrer Heimatstadt Odessa als Deutschlehrerin gearbeitet und unterrichtet jetzt hier ukrainische Flüchtlinge am Rahel-Varnhagen-Kolleg. Vova besuchte zunächst das Hildegardis-Gymnasium, hat nach zwei Praktika jetzt eine Ausbildung bei dem Unternehmen IT-Dienstleister Materna in Dortmund angefangen, Galina besucht aktuell einen Online-Deutschkursus.
„Wir planen mit Blick auf die Zukunft erstmal nichts“, sagt Tatjana Ropatan. Erstmal wollen sie hier bleiben, das steht fest. Tatjanas Arbeitsvertrag läuft ein Jahr, die Ausbildung von Vova dauert – wie üblich – drei Jahre. „Wir sind zufrieden hier, wir hatten ganz großes Glück“, betont die Ukrainerin noch einmal.
Unterstützung durch deutsche Familie
Glück mit Breckerfeld. Glück mit den Jobs. Und vor allem Glück damit, dass Familie Emde sie hier zunächst bei sich aufgenommen und unterstützt hat – auch bei der Wohnungssuche. „Ganz tolle Menschen“, sagt Vova und lächelt. „Sie gehören für uns jetzt auch zur Familie.“
Mit den Emdes pflegen sie bis heute engen Kontakt, besuchen sich gegenseitig, treffen sich. „Und wenn wir Fragen haben, dann sind sie immer für uns da“, bekräftigt auch Tatjana.
Die schlechten Nachrichten vergessen
Ja, das Leben in Deutschland musste sich erst einspielen. Es mussten viele bürokratische Fragen geklärt werden. Aber es klappt. „Ich unterrichte jetzt drei Klassen, fast 70 Menschen, am Kolleg“, erzählt Tatjana Ropatan von ihrer Arbeit. „Es ist schön, dass man sich hier einbringen kann, nicht die ganze Zeit zuhause sitzt. Die Arbeit lenkt einen ab, und man vergisst die Nachrichten aus der Heimat für ein paar Stunden. Wir müssen jetzt alle einfach das Beste daraus machen“, sagt die 43-Jährige.
Auch Vova spricht gut Deutsch – hat in Odessa an der Schule, an der auch seine Mutter unterrichtet hat, gelernt. „In der Berufsschule ist das natürlich etwas anderes. Aber ich liebe meinen Job, und es macht richtig viel Spaß“, sagt der 18-Jährige, der sich eine Zukunft in Deutschland gut vorstellen kann und entweder mit Bus und Bahn nach Dortmund pendelt oder mitgenommen wird. „Ich habe immer nur gehört: Die Busse und Bahnen hier sind immer pünktlich. Das ist nicht so“, sagt er und lacht.
In der Heimat tobt der Krieg
Er brauche gut zwei Stunden mit dem ÖPNV, um zur Arbeit oder Berufsschule zu kommen, Tatjana von Breckerfeld bis zum Kolleg gut eine Stunde. „Aber es passt alles“, will sich die Familie nicht beschweren. Sie sind zufrieden hier.
So zufrieden, wie man eben sein kann, wenn in der Heimat der Krieg tobt. „Wir hoffen einfach, dass es bald wieder Frieden gibt“, sagt Tatjana Ropatan. Und auch wenn sie sich fest vorgenommen hat, nicht mehr abends die Nachrichten zu lesen, sondern ein paar Seiten ihres Buches, ertappt sie sich doch immer wieder dabei. „Es ist einem halt nicht egal. Es nimmt uns trotzdem mit.“