Nahmer. Der Untersuchungsausschuss „Hochwasserkatastrophe“ ermittelt unter anderem in der Haardtstraße in Hohenlimburg. Unsere Zeitung hört vor Ort zu.

465 Tage ist das Jahrhundertereignis an diesem Tag her. Dass es regnet, ist sinnbildlich. Michael Funke, der Hochwasser-Experte bei der Hagener Feuerwehr, spricht und spricht und spricht. Ernste Mienen, schwarze Regenschirme, ein Reisebus, der wenige Meter weiter wartet. Hier, in der Haardtstraße in der Obernahmer, steht gerade „PUA II Hochwasserkatastrophe“ zusammen. Der Untersuchungsausschuss des Landtags NRW, der die Versäumnisse und Fehleinschätzungen der nordrhein-westfälischen Landesregierung mit Blick auf die Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021 aufarbeitet. Neben dem Ahrtal ist dies hier einer der repräsentativsten Orte dafür.

Der Untersuchungsausschuss „Hochwasserkatastrophe
Der Untersuchungsausschuss „Hochwasserkatastrophe" des Landtags NRW bei seinem Besuch in der Haardtstraße in Hohenlimburg. Feuerwehr-Hochwasserexperte Michael Funke (Bildmitte) berichtet den Ausschussmitgliedern. © Mike Fiebig

Neue Details bekannt

Als die Wassermassen damals mit der Haardtstraße fertig waren, sah sie aus wie ein Streuselkuchen. Zerrissen, durchspült, teilweise verschwunden. Ein 300 Jahre altes Fachwerkhaus, das mal die Hausnummer 12 bildete, wurde so zerstört, dass es abgerissen wurde. Fotos zeigen, wie sich eine wahre Sturzflut von der Obernahmerstraße kommend in diesen Bereich ergießt. Es ist für die Anwohner der blanke Horror. Michael Funke berichtet den Untersuchungsausschuss-Mitgliedern so authentisch davon, dass man das Gefühl hat, es wäre der 14. Juli. Und manche Dinge haben die Hohenlimburger und Hagener Öffentlichkeit noch nicht gehört.

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SpaceX bietet Hilfe an

Zum Beispiel, dass es einen Anruf des von Elon Musk gegründeten US-Raumfahrtunternehmens SpaceX gegeben hat, das dem Hagener Krisenstab Hilfe anbot. Mit dem Satellitensystem „Starlink“ wollte man helfen, die Kommunikation in Hagen aufrecht zu erhalten, falls diese zusammengebrochen wäre. Weil das nicht geschah, lehnte Hagen ab. Ohnehin, so zeigt sich, waren die Katastrophenschützer vorbereitet. Alarmpläne lagen vor, ein Kreisverbindungskommando war geschult und vorbereitet. Michael Funke berichtet, wie die Retter in einen Modus schalteten, auf den sie vorbereitet waren.

Sven Wolf, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, beim Interview in der Haardtstraße.
Sven Wolf, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, beim Interview in der Haardtstraße. © Mike Fiebig

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„Das konnten wir hier in Hagen und Hohenlimburg sehr gut erfahren“, sagt Sven Wolf. Der SPD-Landtagsabgeordnete für Remscheid und Radevormwald leitet den Untersuchungsausschuss und sagt: „In Hagen war man auf eine derartige Lage vorbereitet. Für unseren Ausschuss ist es wichtig, das vor Ort von den Verantwortlichen selbst zu hören, um sich noch mal ein genaues Bild zu machen.“ Am Morgen war der Untersuchungsausschuss im Hagener Rathaus mit Oberbürgermeister Erik O. Schulz zusammengekommen. Im Anschluss an den Hagen-Rundtrip ging es nach Altena.

Versäumnisse aufgedeckt

So sei etwa kein Gebrauch von den vielfältigen Möglichkeiten gemacht worden, die Bevölkerung rechtzeitig zu warnen und zu evakuieren. Nicht zuletzt habe ein Teil des Kabinetts auf Mallorca gefeiert, während die Flut-Opfer um ihre Existenz gekämpft hätten, sagte Kutschaty. Wenige Wochen vor der Landtagswahl war die damalige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) wegen ihres Mallorca­aufenthalts während der Flutkatastrophe zurückgetreten. Es fehle aber noch ein Abschlussbericht des Ausschusses, sagte Kutschaty. „Das sind wird den Betroffenen dieser Katastrophe schuldig.“ Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern um einen würdigen Abschluss der Untersuchungen.

Dieses Foto schoss ein Polizeikommissar am Tag der Flutkatastrophe  in der Haardtstraße. Die Flutmassen stürzen die Straße herab.
Dieses Foto schoss ein Polizeikommissar am Tag der Flutkatastrophe in der Haardtstraße. Die Flutmassen stürzen die Straße herab. © WP Hagen | Polizei Hagen

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„Das können die Opfer der Katastrophe, aber auch die gesamte Öffentlichkeit zurecht von uns erwarten. Ihnen sind wir es schuldig, die notwendigen Konsequenzen für einen besseren Katastrophenschutz zu ziehen“, erklärt der Vorsitzende Sven Wolf.

Auch Wolfgang Jörg dabei

Nach der Landtagswahl in NRW am 15. Mai war bekannt geworden, dass der bis dato eingesetzte Untersuchungsausschuss Hochwasserkatastrophe weiterarbeiten soll. Auch Hagens SPD-Landtagsabgeordneter Wolfgang Jörg ist Mitglied darin. Das Gremium hatte bereits eine Vielzahl von Versäumnissen thematisiert. So sei die Bevölkerung nicht unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten gewarnt und evakuiert worden.

In der Haardtstraße wurde mittlerweile saniert. Rechts sieht man die Stelle, wo das alte Fachwerkhaus zerstört wurde. Auch hier sieht man ein neues Fundament.
In der Haardtstraße wurde mittlerweile saniert. Rechts sieht man die Stelle, wo das alte Fachwerkhaus zerstört wurde. Auch hier sieht man ein neues Fundament. © Westfalenpost | Mike Fiebig

Schaden werden bis heute abgearbeitet

In Hagen und Hohenlimburg entstand allein an städtischer Infrastruktur ein Schaden von 82,5 Millionen Euro. Bis heute arbeitet die Verwaltung Flutschäden ab. Todesopfer forderte die Flut im Vergleich zum Ahrtal hier nicht.