Boele. Sie ist eine der letzten ihrer Art: die Sterbekasse in Boele. 250.000 Euro schlummern noch darin. Ihre Hüter suchen nun nach Nachfolgern.
Mehr noch, als dass es um Geld geht, geht es um etwas, dass man nicht versichern, nicht beleihen, nicht wertsteigern und nicht verhandeln kann: Solidarität und Gemeinschaft in einem Ortsteil – auch über den Tod hinaus. Nur wenn man diesen Kontext versteht, kann man nachvollziehen, wie es in einer Zeit erschwinglicher Sterbeversicherungen noch so etwas gibt wie die Sterbekasse „Nachbarschaft Hagen-Boele“ mit ihrem eigentlich symbolischen Einzahlungsbetrag von höchstens 40 Cent im Monat. Doch nun steht ihre Zukunft quasi vor einer Weiche.
250.000 Euro im Bestand
Keine Sorge, dass wird kein Aufsatz über die bäuerlichen Strukturen des frühen 20. Jahrhunderts in Boele. Doch als zu einer Zeit der starken Geldentwertung Anfang der 1920er-Jahre die Sargpreise derartig stiegen, dass es manchen Familien sehr schwer fiel, die Kosten für die Beerdigung auzubringen, veranlasste das Boeler Presbyterium die Einrichtung einer gemeinschaftlichen Begräbnishilfe. Fast 100 Jahre später gibt es diese Kasse immer noch. Sie hat immer noch knapp 450 Mitglieder und kann ihren Geldbestand durch kluge Anlagen aktuell bei rund 250.000 Euro halten.
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Höchstens 1061 werden ausgezahlt
In die Kasse kann aufgenommen werden, wer das 17. Lebensjahr vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht überschritten hat. Kinder können mitversichert werden. Das Sterbegeld kann – je nach Alter, Eintrittsdatum und Einzahldauer bis höchstens 1061 Euro betragen. „Das mag vielleicht nicht die Welt sein“, sagt Raimund Bitter, „aber es gibt viele Hinterbliebene, die vielleicht kein großes Portemonnaie haben und auf diese Hilfe wirklich angewiesen sind.“ Insofern sei die Sterbekasse, so antiquiert sie in Augen mancher auch wirken mag, auch ein soziales Instrument. Immer noch eine Versicherungsgemeinschaft, die auf Nächstenliebe Fuße.
Bürokratischer Überbau gewaltig
Raimund Bitter (77) und Bernd Michael Schneider (73) führen die Kasse – noch. Denn sie suchen nach Nachfolgern. Das hat vor allem mit dem gewaltigen bürokratischen Überbau zu tun, dem sich derlei kleine Sterbekassen gegenübersehen. Alle fünf Jahre ordnet die Bezirksregierung Arnsberg ein versicherungsmathematisches Gutachten an. Dutzende Seiten stark. Vorgaben, Richtlinien und Prüfungen seien so streng geworden, dass Zeit und Muße fehlen, der Sache Herr zu werden. „Jüngere Menschen, denen etwas an Boele und dem Fortbestand der Kasse liegt, fällt das sicher leichter“, sagt Bernd-Michael SchAuch aktuell sind 18- oder 19 Jährige frisch versichert worden. In den meisten Fällen, weil die Großeltern oder Eltern sie mitversichern. Zehn bis elf Sterbefälle gibt es pro Jahr, was das Auszahlvolumen in etwa andeutet.
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Das Geld der Kasse ist satzungsgemäß größtenteils in Anleihen gebunden. „Neuzugänge zahlen heute 60 Cent Beitrag“, sagt Raimund Bitter, dem es vor allem um den solidarischen Charakter der Sterbekasse geht. Sollte sich die Kasse auflösen, stünde ihre Abwicklung und Auszahlung an. Auch eine Fusion wäre denkbar. „Das geht aber nur mit größeren Versicherungsvereinen“, sagt Bernd-Michael Schneider. Und dann wiederum verliere die Kasse ihre lokale Identität. Gesucht werden also junge Kassenführer, die Lust haben diese wertvolle Tradition aufrecht zu erhalten.