Hagen. Die Springe wird zum Verweilen genutzt, dort gibt’s Gastronomie und unter den Bäumen leider auch Müll. Ein Bummel über den früheren Parkplatz.

Die Sonne scheint auf den Springeplatz. Tauben picken irgendetwas vom Boden, lassen sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als eine Familie aus der Fußgängerzone kommend, den Platz vor der Johanniskirche passiert und durch eine Hofeinfahrt geht. Anscheinend Vater, Mutter und ihre vier Kinder. Die Eltern schleppen Tüten mit Lebensmitteln. Es ist Mittagszeit­, vermutlich gibt’s gleich Essen.

Tauben fühlen sich auf der Springe in Hagen wohl.
Tauben fühlen sich auf der Springe in Hagen wohl. © Michael Kleinrensing

Zwei Männer sitzen auf blauen Drahtstühlen direkt an der Volme. Sie haben sich unter einem Baum einen schattigen Platz gesucht. Leere Bierflaschen stehen vor ihnen, jeder­ hält eine noch gefüllte Flasche in der Hand. Erst will ich vorbeigehen, doch dann bleib ich stehen, und wir kommen irgendwie ins Gespräch. Einer der beiden, er heißt Andi, ist redselig. „Ich hab’ drei Jahre gesessen. Das war eine Zeit . . . Jetzt mach’ ich nichts mehr.“

Knirps auf seinem Rad hat Spaß

Ein kleiner Junge brettert auf seinem Kinderfahrrad an uns vorbei, hat seinen Spaß. Wir lachen, der Kniprs ebenfalls. Hier auf der Springe säßen er und seine Kumpel oft, „Läden und Kiosk sind nicht weit weg, und die ,Tuche’ ist ja auch gleich da vorne“, sagt Andi. Richtig, das Männerasyl in der Tuchmacherstraße ist nur einen Steinwurf entfernt. Die Obdachlosen müssen die Hagener Einrichtung morgens verlassen, und dann geht’s für einige erst mal auf die Springe.

„Tschüss. macht’s gut“, sage ich zu den beiden Männern. „Ja, du auch“, antworten die beiden freundlich und drehen sich eine Zigarette.

Früher ein Parkplatz

Vor Jahrzehnten wurde die Springe, also die große Fläche, die direkt an die Innenstadt grenzt, als Parkplatz genutzt. Wenn meine Eltern und ich früher in der Stadt etwas zu besorgen hatten oder einfach bummeln wollten, haben wir dort immer geparkt. Kostenlos, das waren noch Zeiten.

Mein Blick schweift nach rechts, wo Vangelis vor der Tür eine Kundin verabschiedet. Ich geh’ rüber zu Haargenau Catwalk.

Vor dem Friseur Haargenau Catwalk und der Pizzeria „La Candela“ ist es normalerweise recht ruhig. Wenn dort der Wochenmarkt stattfindet oder das Springefest veranstaltet wird, ist es auf dem Platz natürlich trubeliger.
Vor dem Friseur Haargenau Catwalk und der Pizzeria „La Candela“ ist es normalerweise recht ruhig. Wenn dort der Wochenmarkt stattfindet oder das Springefest veranstaltet wird, ist es auf dem Platz natürlich trubeliger. © WP | Michael Kleinrensing

Vor Karsten Grolls Friseursalon begrüßt mich Vangelis. „Mensch, hallo, lange nicht gesehen“, sagt der Friseur und Stylist, den ich seit einer Ewigkeit kenne. Wir gehen kurz rein, wechseln ein paar Worte. „Heute ist es auf dem Platz ruhig, aber wenn hier samstags Markt ist, dann ist hier mächtig was los“, sagt Vangelis, „und auch, wenn hier der Trödelmarkt aufgebaut wird“.

Kaffee für die in der Schlange stehenden Leute

Wir schauen rüber zu Andi und seinem Kumpeln. „Die Männer halten sich meist direkt an der Volme auf, machen keinen Ärger und pöbeln auch nicht rum“, sagt Vangelis. Wenn die Suppenküche im Gemeindehaus gegenüber des Salons montags und donnerstags vormittags Essen an Bedürftige ausgebe, würden sie – also er oder seine Kollegen von Catwalk – den in der Schlange stehenden Leuten schon mal einen Kaffee rausbringen, „einige kennt man ja mittlerweile“.

Vor der Pizzeria „La Candela“ ist der Außenbereich halb gefüllt. Die hellgrünen Sitzkissen in den Stühlen und die cremefarbenen Sonnenschirme wirken einladend. Über die Frankfurter Straße rollen zahlreiche Autos und Busse. Doch Straßenverkehr samt Lärm scheinen die Gäste, die vor der Pizzeria sitzen, nicht zu stören. Oder sie blenden beides aus.

Mariacron und Zigaretten

Ich gehe Richtung Kino. Im unter einem Baum angelegten Beet bietet sich kein schönes Bild: eine leere Flasche Mariacron und ein Dutzend leerer „Kleiner Klopfer“-Fläschchen samt dazu gehöriger Pappschachtel.

Leere Flaschen, Becher und Pappschachteln „zieren“ den Platz.
Leere Flaschen, Becher und Pappschachteln „zieren“ den Platz. © Michael Kleinrensing

Vermutlich haben die Mini-Likör-Fläschchen Jugendliche geleert, schließlich gilt „Kleiner Klopfer“ als beliebtes Partygetränk. Egal, aber jeder sollte seinen Müll entsorgen. Wozu auch die sechs, sieben leeren Zigarettenschachteln zählen, die ebenfalls das Beet „zieren“.

Restaurants im Cinestar-Komplex

„Baba’s Streetfood“, das Burger-Restaurant im Cinestar-Komplex, hat mittags noch geschlossen, anders das vor knapp zwei Monaten eröffnete „Pibosa“. Der Gastrobetrieb, in dem es Pizza, Bowls und Salate zum Bestellen, Abholen oder dortigen Verzehr gibt, hat bereits um 11 Uhr geöffnet.

Drei schlacksige Jungs um die 16, 17 Jahre stehen vor den langen Theken mit den Zutaten. Katja, die freundliche Bedienung hinter der Theke, erklärt, was es mit Edamame und kohlenhydratfreiem Blumenkohlreis auf sich hat, empfiehlt spezielle Kombinationen und macht auf Chilli-Mango-Dressing oder Basilikumpesto Appetit.

Rückweg steht an

Was die drei Jungs schließlich bestellen? Das bekomme ich nicht mehr mit, denn ich mach’ mich auf den Rückweg. Die Tauben picken noch immer irgendetwas vom Boden, und der Knirps auf seinem Fahrrad wird nicht müde, seine Runden über die Springe zu drehen. Mitte August ist hier Springefest, dann wird der Platz an drei Tagen zum Leben erweckt.

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