Hagen. Ganz Haßley wird mit Internet versorgt, nur das Neubaugebiet nicht. Was beim hitzigen Ortstermin mit der Bundesnetzagentur herauskam.
„Turbo-Internet für alle“ steht auf dem Schild an dem erst vor kurzem aufgestellten Netzverteiler. Für die Bauherren, die sich vor dem Kasten platziert haben, muss der Spruch – flapsig ausgedrückt – wie ein Witz in Tüten klingen. Die 15 Bauherren werden nach jetzigem Stand nicht nur kein super-schnelles Internet bekommen, sondern gar keins.
Die Rede ist vom Neubaugebiet auf Haßley, bei dem sich niemand für die Versorgung mit zeitgemäßen Kommunikationsmöglichkeiten zu interessieren scheint. Außer die Häuslebauer, die das Problem zwar kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, denen aber die Hände gebunden sind.
Rundgang über die Baustelle
Jetzt war ein Vororttermin (rechtlich: Anhörung) mit großem Bahnhof, sprich, einem halben Dutzend beteiligter Parteien. Vorweg nur soviel: Noch bevor der Rundgang über die Baustelle startete, verkündete Horst-Peter Heinrichs von der Bundesnetzagentur: „Heute werden wir das Problem nicht klären und es wird nichts entscheiden.“
Wer sich auf Haßley versammelt hatte? Neben den Bauherren – von den 15 waren (trotz Urlaubszeit) zwölf erschienen – auch Vertreter der Deutschen Glasfaser, Vertreter der Agentur für Kommunikation Atene Kom (Fördermittelgeber) sowie Vertreter der Stadt Hagen.
30-köpfige Truppe verschafft sich einen Überblick
Die etwa 30-köpfige Truppe verschaffte sich einen Überblick über die Rohrverlegung, Straßenführung und die angrenzenden Straßen und Häuser.
Was unfassbar erscheint: Vor kurzem wurden sämtliche Haushalte auf Haßley im Rahmen eines Förderprogramms vom Telekommunikationsunternehmen Deutsche Glasfaser mit Glasfaser versorgt. Nur die linke Seite der Raiffeisenstraße, wo sich das Feld, das nun bebaut wird, befindet, wurde ausgespart, auf der anderen Seite des Feldes wurde vor dem Wasserturm abgebrochen.
Zum Hintergrund: Die Telekommunikationsmindestversorgungsverordnung (TKMV) besagt, dass jedem Haushalt in Deutschland eine Mindestversorgung mit 10 Megabit pro Sekunde zusteht. Die meisten Haushalte bekommen heute allerdings schon wesentlich mehr an Bandbreite geliefert.
Die Bundesnetzagentur befasst sich mit jenen Fällen, in denen die Bürger noch ohne ein Mindestangebot an Telekommunikationsdiensten stehen. In solchen Fällen kann die Bundesbehörde die Anbieter (zum Beispiel Telekom, Vodafon oder Deutsche Glasfaser) verpflichten, ein Mindestangebot bereit zu stellen. Horst-Peter Heinrichs geht von deutschlandweit etwa 330.000 unterversorgten Haushalten aus.
Aber zurück nach Haßley: Für die Häuslebauer ist es bis heute unverständlich, dass ihnen erschlossenen Grundstücke verkauft worden sind – allerdings ohne eine Versorgung mit Internet vorzusehen.
Leerrohre liegen im Erdreich
„Wir haben Leerrohre im Erdreich mit verlegt, das heißt, die Grundstücke sind öffentlich erschlossen. Für eine privatwirtschaftliche Erschließung mit Internet ist die HEG nicht zuständig“, unterstrich Patrick Bänsch, Prokurist bei der Hagener Entwicklungsgesellschaft (HEG). Um den Bauherren entgegen zu kommen, bietet Bänsch der Deutschen Glasfaser an, besagtes Leerrohr kostenlos nutzen zu dürfen, was normalerweise nicht üblich ist.
Kein High-Speed-Internet
Erik Massarczyk, Regulierer bei der Deutschen Glasfaser und Ansprechpartner für die Bundesnetzagentur, betonte, dass es seiner Ansicht nach technisch kein Problem sei, dass Neubaugebiet an die jüngst durchgeführte Erschließung anzubinden. Knackpunkt: Die Bestandshäuser sind Förderprogramm-Haushalte. Massarczyk weiter: „Wir sprechen hier allerdings nicht von High-Speed-, sondern von langsamem Internet.“
Auch Bert Schmidtke, Gigabit-Koordinator der Stadt Hagen, war zur Anhörung erschienen. „10 Megabit sind zu gering, das bringt den Bauherren hier nichts“, urteilte er und plädierte dafür, dass die Deutsche Glasfaser sich bereit erkläre, das Netz auf besagtem Gebiet auf eigene Kosten auszubauen und die Zustimmung und Unterstützung von Fördermittelgeber Atek Kom einzuholen.
Von der Variante, dass die Stadt Hagen einen neuen, erweiterten Förderantrag bei Atek Kom bzw. beim Land NRW stelle, hält er nichts, „der Vorgang dauert viel zu lange“.
Zeitintensives Prozedere
Auch das Prozedere, dass die Bundesnetzagentur die Deutsche Glasfaser verpflichte, die 15 Haushalte mit 10 Megabit pro Sekunde zu versorgen, hält Schmidtke für zu zeitintensiv, „das kann locker 13 Monate dauern, und dann kann immer noch gegen die Entscheidung geklagt werden“.
Maximilian von Heyden, Fördermittelberater bei Aten Kom, sieht für eine Förderung des Breitbandausbaus kein Problem, „die neuen Haushalte auf Haßley fallen eindeutig in die Kategorie ,weiße Flecken’, da dort eine Unterversorgung existiert. Ich kann die Stadt Hagen nur ermutigen, einen Änderungsantrag zu stellen, so dass die Zusatzadressen in die Förderung aufgenommen werden.“
Unnötiges Kräftemessen
Und die Bauherren? Sind verunsichert durch die undurchsichtige Lage und klagen darüber, dass bei der Stadt die rechte Hand nicht wisse, was die linke tue. „Seit Jahren steht fest, dass auf dem Feld ein Neubaugebiet entsteht. Die Stadt stellt einen Förderantrag für sämtliche Haßleyer Haushalte und tut jetzt so, als habe sie vom Neubaugebiet nichts gewusst“, echauffiert sich einer der Sprecher der Bauherren.
HEG hat Grundstücke 2019 gekauft
Auf Haßley in Nähe des früheren Restaurants „Goldstück“ bzw. „Haus Haßley“ - also auf einem echten Filetstück auf Hagens Höhen – entstehen besagte 15 frei stehende Einfamilien- und Doppelhäuser.Die Hagener Erschließungs- und Entwicklungsgesellschaft (HEG) hat die Gesamtfläche 2019 gekauft.Die 15 Bauherren haben die Grundstücke von der HEG erschlossen erworben und sind deshalb davon ausgegangen, dass das auch Internet und Telefonie umfasst.Jedes der Baugrundstücke hat eine Durchschnittsfläche von circa 500 Quadratmetern.
Wie es nach der Anhörung weitergeht? Die Bundesnetzagentur schreibt ein Protokoll und versendet es an alle Beteiligten. Im Rahmen des Verfahrens wird dann ein Kommunikationsunternehmen verpflichtet, eine 10 Megabit Versorgung herzustellen.
Bis die Bauherren, die nach dem Vororttermin enttäuscht von juristischen Spitzfindigkeiten, unnötigem Kräftemessen und überflüssigem Schwarzen-Peter-hin-und-her-schieben sprechen, Klarheit über ihre künftige Internetverbindung bekommen, werden wohl etliche Monate ins Land ziehen.