Hagen. Christian Scholz, Lehrer aus Hagen, nahm sich eine Auszeit und bereiste die Welt, statt zu unterrichten. Er stieß auf ein geheimnisvolles Volk.
Christian Scholz (40) sagt, die Geschichte, die er sich ausgedacht hat, könnte genauso in Wirklichkeit stattfinden. Es handelt sich um einen Krimi, eine Entführungsgeschichte. Aber es geht auch um Menschenrechte und ein fast vergessenes Volk: die Urak Lawoi (Menschen vom Meer) oder Chao Leh (Leute der See). „Das Schicksal dieser Menschen hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt Christian Scholz.
Deshalb hat er einen Roman über dieses kleine, auf einigen Inseln im Indischen Ozean lebende Volk geschrieben. „Der Stern der Chao Leh“ heißt das Werk, in dem es um Menschenhandel, Prostitution, Verrat und Mord geht. Um das Mädchen Dao (auf Thai: „Stern“) und den amerikanischen Ermittler Tom Bennett. „Und um die Ungerechtigkeit, die den Chao Leh tagtäglich widerfährt“, sagt Scholz.
Wie aber wird ein Hagener auf ein diskriminiertes Volk aus dem Fernen Osten aufmerksam und wie kommt er dazu, ein Buch über diese Ethnie zu schreiben? Christian Scholz, Lehrer an einer Gesamtschule in Lüdenscheid, fasste vor zwei Jahren den Entschluss, eine berufliche Auszeit zu nehmen und eine Weltreise anzutreten.
Eine Auszeit zu reduzierten Bezügen
Leicht gemacht wurde ihm das durch das sogenannte Sabbatjahr, das Lehrern in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit gibt, bei fortlaufenden, aber reduzierten Bezügen ein Jahr lang aus ihrem Beruf auszusteigen. Scholz hat vier Jahre lang nur 80 Prozent seines Gehalts bezogen, dieses Einkommen dafür aber auch während des fünften Jahres, in dem er reiste statt zu unterrichten, weiter erhalten. „Mir ist bewusst, dass ich als Lehrer gut verdiene“, sagt er.
Seine Auszeit begann in Holland („Es gibt keinen schöneren Platz als Zeeland, um zur Ruhe zu kommen“) und führte ihn dann in einem langen Satz auf die andere Seite der Erdkugel, nach Thailand, eines seiner lang ersehnten Traumziele. Doch die Freude an der atemberaubend schönen Natur des Landes und dem Unterwasserparadies des Indischen Ozeans bekam Risse, als er auf seinem Miniroller auf der Insel Lanta eher zufällig durch ein Dorf der Chao Leh fuhr. „Dort saßen die Einheimischen wie Statisten vor ihren Hütten und wuschen Fisch, den sie gefangen hatten.“
Müllkippe unweit des Dorfes
Die vermeintliche Filmkulisse entpuppte sich schnell als bittere, ärmliche Realität. Die Chao Leh würden von der Mehrheitsbevölkerung der Thai unterdrückt und besäßen kaum Rechte, berichtet Scholz.
Doch anstatt einige Fotos zu schießen und sich dann eiligst davonzumachen, um sich wieder den Sonnenseiten Thailands zuzuwenden, fühlte sich der Pädagoge aus Hagen vom Schicksal der Chao Leh magisch angezogen. Immer wieder kehrte er auf seinem Miniroller in das Dorf zurück und beschäftigte sich mit den Einwohnern, obwohl sich unweit der Ortschaft eine Müllkippe befand, von der bei ungünstigen Windverhältnissen ein bestialischer Gestank ausging. Trotz all seiner Bemühungen sei es ihm jedoch nicht gelungen, Kontakt zu den Dorfbewohnern aufzunehmen, so Scholz: „Sie wirken apathisch und blicken durch einen durch wie durch eine Fensterscheibe.“
Das Leben als Seenomaden aufgegeben
Seine Recherchen ergaben, dass viele Chao Leh ihr einstiges Dasein als Seenomaden aufgegeben haben und nur noch ein Schattendasein fristen. Ihre kulturelle Eigenständigkeit sei dem Untergang geweiht, aber auch wirtschaftliche und politische Rechte würden ihnen verwehrt: „Die thailändische Regierung verweigert ihnen Bürgerrechte und einen Pass.“ Komme zum Beispiel ein Angehöriger des Volkes schwerkrank in eine Klinik und sei nicht in der Lage, Vorkasse zu leisten, lasse man ihn einfach sterben, so Scholz.
Auf der anderen Seite faszinierte ihn, dass die Chao Leh bei dem verheerenden Tsunami im Jahre 2004, als die meisten Frühwarnsysteme versagten, die Vorzeichen der Natur erkannten und Einheimische und Touristen dazu brachten, sich auf höher gelegene Gebiete im Landesinneren zurückzuziehen. „So retteten sie zahlreiche Menschenleben.“ An ihrem Status habe das freilich nichts geändert.
Erinnerung an Khao Leh blieb haften
Nach einigen Wochen auf Lanta besann sich der Hagener dann doch wieder der eigentlichen Ziele seiner Weltreise, die er auf Bali, in Australien und Neuseeland fortsetzte. Doch die Erinnerung an das Elend der Chao Leh habe nicht verblassen wollen, so Scholz. Und so entstand schließlich die Idee, das Erlebte in einer Kriminalgeschichte zu verarbeiten und so auf die erbärmliche Situation des kleinen, fast vergessenen Volkes aufmerksam zu machen.
Die zweite Hälfte seines Sabbatjahres nutzte der Pädagoge, nicht zuletzt weil er seine Reise wegen Corona abbrechen musste, um die Geschichte von Dao, dem „Stern der Chao Leh“, zu Papier zu bringen. Es ist eine Geschichte um Mord und Verrat. Und um das Elend eines fast vergessenen Volkes, dessen Schicksal Christian Scholz nicht mehr losgelassen hat.
Der Roman „Der Stern der Chao Leh: Tom Bennetts erster Fall“ von Christian Scholz ist als E-Book, Taschenbuch und Hardcover bei Amazon verfügbar. Vom Schreiben über das Layout bis hin zur Gestaltung des Buchcovers hat Christian Scholz es selbst angefertigt. Der Roman hat 359 Seiten.