Altenhagen. Familie Duman lebt auf Augenhöhe mit einer Hauptverkehrsader in Hagen. Was sie über einen möglichen Abriss oder einen Park auf der Brücke denken.

Sie sind nicht unzufrieden, die Dumans. Nein. Ganz und gar nicht. „Ich habe 1999 das Haus hier gekauft. Wir fühlen uns hier wohl. Und an den Verkehr gewöhnt man sich auch“, sagt Isa Duman und zuckt mit den Schultern. Das Haus an der Altenhagener Brücke – vielen Hagenern als Ebene 2 bekannt – ist seit vielen, vielen Jahren das Zuhause der Familie. Und viele Menschen, die hier entlang der Straße wohnen, vor allem in den oberen Stockwerken, blicken von ihren Balkonen und Schlafzimmern aus auf den tristen Betonklotz, über den täglich tausende Autos und Lkw in Richtung Vorhalle oder Innenstadt rauschen. Die in den 60er-Jahren in Hagen gebaute Hochbrücke verbindet die Innenstadt mit dem Hagener Norden. Und irgendwie auch die Menschen, die entlang der Straße wohnen.

„Hier zu leben, ist gar nicht so schlimm, wie viele meinen. Meine Frau und ich sitzen gerne mal vorne am Balkon und trinken Kaffee. Wenn die Fenster zu sind, kriegt man vom Verkehr nichts mit. Man kriegt hier in der Nähe alles was man braucht, hier leben viele nette Menschen“, sagt der Familienvater, der die Wohnungen im Haus alle renoviert und modern gestaltet hat, und lächelt. Auch, wenn die Familie hinter dem Haus noch einen kleinen Innenhof in ein Gartenparadies mit Trampolin und Grillecke verwandelt hat, sitzen sie gerne auf dem kleinen Balkon mit Blick über die Stadt.

Von einem Abriss der Brücke hält Isa Duman nichts. „Dann bricht hier ein Verkehrschaos aus. Das sage ich offen und ehrlich.“ Und ein Stadtteilpark in luftiger Höhe, den die Stadtverwaltung zuletzt ins Spiel gebracht hat? So richtig überzeugt sind Isa Duman und seine Frau Sahime nicht. „Der Ausblick wäre schöner, das stimmt schon“, sagt der 54-Jährige, der ein Foto des ersten Entwurfes der grünen Brücke in seinem Wohnzimmer an die Schrankwand geklebt hat. „Aber es würde bestimmt nachts deutlich lauter werden, wenn sich dort Leute betrinken und dort die ganze Nacht verbringen. Und bestimmt gibt es Probleme mit Müll – die haben wir hier ohnehin schon genug“, ärgert sich der 54-Jährige über die teilweise unhaltbaren Zustände im Quartier.

Es gibt die Idee, die Ebene 2 in Hagen künftig als Attraktion zu nutzen - beispielsweise als Stadtteilparks in luftiger Höhe. Einen ersten Entwurf dazu gibt es schon
Es gibt die Idee, die Ebene 2 in Hagen künftig als Attraktion zu nutzen - beispielsweise als Stadtteilparks in luftiger Höhe. Einen ersten Entwurf dazu gibt es schon © Stadt Hagen

Entscheidung dauert noch lange

Ein Quartier, das Problemecken und Herausforderungen hat – in dem die Dumans aber dennoch gerne leben. „Ich bin 1975 das erste Mal nach Deutschland eingereist – dann aber für ein paar Jahre zurück in die Türkei. Um 1980/81 rum bin ich dann wieder nach Deutschland, um genau zu sein nach Hohenlimburg gezogen und habe später noch mal ein Jahr in Letmathe gelebt“, erinnert sich der Hagener, der vier Kinder und ein Enkelkind hat, zurück. Sie haben hier in Altenhagen alles was sie brauchen – und sind glücklich in Hagen. „Ich habe jetzt noch alle Bäder saniert. Das war viel Arbeit. Im Garten verbringen wir auch viel Zeit mit den Kindern, Nachbarn oder Freunden.“

Ein Blick auf Altenhagener Hochbrücke: So wird der Verkehr heute geleitet. Könnte auf die Brücke verzichtet werden?
Ein Blick auf Altenhagener Hochbrücke: So wird der Verkehr heute geleitet. Könnte auf die Brücke verzichtet werden? © Michael Kleinrensing

Duman befürchtet, dass der Verkehr ohne Brücke nicht funktionieren kann (auch wenn ein erstes Gutachten der Stadt davon ausgeht). „Wo sollen die ganzen Autos denn hin? Sie müssen mal sehen, was hier morgens los ist, Hunderte Autos“, befürchtet der Hagener lange Staus, viel Verkehr und mehr Lärm für Anwohner, wenn sich die Autofahrer nicht auf die untere Ebene, also den Märkischen Ring, und die zweite Ebene verteilen. Und so ganz ohne Brücke? „Das wäre auch komisch. Dann lieber ein Park“, sagt Duman.

Keine aktive Bearbeitung

Welche Option es dann am Ende wird, ist noch offen – und wird es noch für eine ganze Weile bleiben. Wie Stadt-Sprecherin Clara Treude auf Nachfrage der Redaktion mitteilt, „wird das Projekt seitens der Stadt nicht aktiv bearbeitet.“ Das liegt schlichtweg daran, dass der Zeithorizont so groß ist: Die Hagener Politik hat sich zwar schon dafür ausgesprochen, im Zuge der dringenden Erneuerungen der Fuhrparkbrücke und Eckeseyer Brücke auf den Anschluss der Ebene 2 zu verzichten und die Verkehrsströme auf der B 54 anders zu managen.

Aufgrund eines komplexen Planverfahrens könnten die Hagener aber frühestens in acht Jahren mit dem Neubau der Fuhrparkbrücke rechnen, in ungefähr zehn Jahren, wenn überhaupt, ginge es dann um die Eckeseyer Brücke und die Ebene 2 – wenn alles gut läuft.

Und dann muss noch einmal geprüft werden (ein erstes Gutachten vor etwa zwei Jahren hat bestätigt, dass ein Verzicht auf die Hochbrücke durchaus möglich wäre), ob der Verkehr auch ohne die zweite Ebene funktioniert. Auch, bis die Planungen – also in der Hagener Politik und in nötigen Bürgerversammlungen – starten können, werden noch viele Jahre ins Land ziehen.

Familie Duman wird also auch die nächsten Jahre über morgens den gewohnten Ausblick auf die vorbeirauschenden Autos im Berufsverkehr haben.

Und das finden sie nicht schlimm, nein, sie verbinden mit der Hochbrücke auch irgendwie ihr Zuhause.