Hagen. Die Autobahnpolizei ging während des schweren Unfalls auf der A1 konsequent gegen Gaffer vor. Es gab sage und schreibe 34 Anzeigen.

Der schwere Unfall auf der A1 in Hagen, bei dem am Dienstagnachmittag ein Lkw-Fahrer (62) lebensgefährlich verletzt wurde, wird für zahlreiche Autofahrer ein Nachspiel haben. Die Polizei hat gegen 34 Schaulustige ein Verfahren wegen „Gafferei“ eingeleitet.

Der schwer verletzte Mann aus Hagen musste aus seinem zerstörten Führerhaus befreit werden.
Der schwer verletzte Mann aus Hagen musste aus seinem zerstörten Führerhaus befreit werden. © Alex Talash

Denn während der Notarzt und die Rettungskräfte um das Leben des Mannes aus Hagen kämpften, drosselten auf der Gegenfahrbahn zahlreiche Verkehrsteilnehmer das Tempo, um ihr Handy zu zücken und Fotos bzw. Filmaufnahmen von dem dramatischen Geschehen zu machen.

Dabei reckten sie die Hälse und wandten in unverantwortlicher Weise ihre Augen von der eigenen Fahrbahn ab, um nur möglichst viele Details von den Rettungsarbeiten mitzuerleben: „Wir sind selbst sprachlos und schockiert ob dieser Reaktionen“, sagte Felix Groß, Sprecher der Autobahnpolizei.

Polizeibeamter fotografiert die Gaffer

Den Gaffern war offenbar nicht bewusst, dass die Polizei inzwischen auf solche Verhaltensweisen vorbereitet ist. Ein Beamter postierte sich seinerseits mit einer Kamera auf dem Mittelstreifen der A1, um die Schaulustigen bei ihrem befremdlichen Treiben zu fotografieren und die nun anstehenden Anzeigen beweissicher untermauern zu können. Die auf diese Weise ertappten 34 Auto- und Lkw-Fahrer erwarten nun mindestens 100 Euro Bußgeld (plus Verfahrenskosten) sowie ein Punkt in Flensburg.

Geprüft wird zudem, ob sich die Betroffenen nicht einer Straftat schuldig gemacht haben. Denn der erst

Hinter einer Sichtschutzwand kämpften Rettungskräfte um das Leben des Lkw-Fahrers.
Hinter einer Sichtschutzwand kämpften Rettungskräfte um das Leben des Lkw-Fahrers. © Alex Talash

vor einigen Jahren ins Strafgesetzbuch aufgenommene Paragraph 201a sieht für die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und das Zurschaustellen verletzter oder verstorbener Personen bis zu zwei Jahre Gefängnis vor.

„Verkehrsteilnehmer, die völlig unangemessen mit Geräten den Unfallort und mögliche Verletzte filmen, werden konsequent ermittelt“, teilte die Polizei mit und appellierte an alle Fahrer, sich an Unfallstellen auf das eigene Fahrzeug und die eigene Fahrspur zu konzentrieren, um nicht zur Gefahr für andere zu werden und um weitere Staus zu vermeiden.

Fahrer musste vor Ort reanimiert werden

Über den Zustand des lebensgefährlich verletzten Lkw-Fahrers aus Hagen gab es am Mittwoch keine weiteren Informationen. Er war am Dienstag gegen 15.45 Uhr mit seinem Kieslaster in Höhe des Parkplatzes Funckenhausen (in Fahrtrichtung Bremen) auf einen am Stauende abbremsenden Silozug aus Steinfurt aufgefahren und dabei in seinem Führerhaus eingeklemmt worden.

Nachdem ihn die Rettungskräfte mit schwerem Gerät befreit hatten, wurde er noch vor Ort reanimiert und schließlich mit einem Rettungshubschrauber ins Klinikum Essen geflogen.

Der mit Kalk beladene Silozug wiederum wurde in einen weiteren Sattelzug geschoben. Die Fahrer dieser beiden Fahrzeuge blieben unverletzt. Es entstand ein Sachschaden von geschätzten 100.000 Euro.

A1 erst am Mittwoch vollständig frei

Die Bergung der drei beteiligten Lastwagen sowie die Reinigung der Unfallstelle dauerte bis in die späten Abendstunden hinein an. Aus dem Kieslaster lief Treibstoff aus, die Feuerwehr streute die Fahrbahn mit Bindemitteln ab. Der Silo-Zug hatte viel Kalk verloren, der als weißer Staub auf der Straße lag.

Die Autobahn wurde in Richtung Bremen komplett gesperrt, erst nach dem Ende der Rettungsmaßnahmen gab die Polizei gegen 17.50 Uhr zunächst die linke Spur wieder frei. Alle Fahrstreifen der A1 in Richtung Bremen waren sogar erst am Mittwochmorgen ab 9 Uhr wieder befahrbar.