Hagen. Polizei, Feuerwehr und Rettungsflieger sind entsetzt angesichts einer völlig neuen Dimension von Schaulustigen. Die Gaffer, meistens mit Smartphone, gehen in Hagen mittlerweile eindeutig zu weit.
- Furchtbare Szenen bei Unfall am Hauptbahnhof
- Gaffer überschreiten Grenzen
- Über Spanntücher hinweggefilmt
Es nimmt, man muss es so sagen, immer perversere Züge an. Als am vergangenen Mittwoch ein Mädchen (10) am Graf-von-Galen-Ring angefahren wird und ein Rettungshubschrauber kommen muss, um es in eine Spezialklinik zu bringen, überschreiten Gaffer mit ihren Smartphones mehrfach die Grenzen menschlicher Neugierde.
Einer reißt eines der weißen Tücher herunter, die das schwer verletzte Mädchen vor den Blicken der Schaulustigen schützen soll. Dabei sagt er zu den Rettungshelfern: „Das muss ich so machen, ich kann sonst nicht richtig filmen.“
Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste empört
Polizei, Feuerwehr und Rettungsflieger sind entsetzt angesichts einer völlig neuen Dimension von Schaulustigen. Noch am gleichen Nachmittag postet die Hagener Polizei bei Facebook unter anderem: „Merkt euch für die Zukunft eins: Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei sind da, um Leben zu retten und nicht, um durch euch Gaffer in ihrer Arbeit behindert zu werden. Jeder von uns könnte der Nächste sein, und bei der Menschenrettung zählt jede Sekunde. Wir haben im Einsatz echt was Besseres zu tun, als uns auch noch um euch zu kümmern.“
Das Posting erreicht umgehend mehr als zwei Millionen Menschen, die den Appell der Polizei unterstützten. Thomas Gutsfeld, Leiter der Direktion Gefahrenabwehr: „Es gibt im Laufe der letzten Jahre die negative Entwicklung, dass Rettungskräften sehr offensiv entgegengetreten wird. Dabei entstehen vor Ort unnötige und behindernde Konfliktsituationen.“ Für Gutsfeld handeln solche Gaffer aus reiner Geltungssucht und bedienen damit den immer stärker um sich greifenden Trend, dass jeder alles und zu jeder Zeit filmen, fotografieren und kommentieren muss, um es direkt ins Internet zu stellen.
Persönlichkeitsrechte verletzt
„Das Gaffen ist strafrechtlich nur schwer zu verfolgen. Wenn überhaupt käme hier Paragraf 201a des Strafgesetzbuches in Betracht, der die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen betrifft.“ Die Hagener Polizei will weiterhin konsequent gegen Gaffer vorgehen. Einsätze, bei denen angesichts der Örtlichkeit vorab eine hohe Zahl an Schaulustigen zu erwarten sei, erledige man dazu extra schon in größerer Personalstärke.
Paragraf 201a regelt Verletzung durch Bildaufnahmen
Der Wortlaut des § 201a (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) lautet:
1. Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt;
2. eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt;
3. eine durch eine Tat nach den Nummern 1 oder 2 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
4. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.
Marcel Göbel vom Einsatzdienst der Hagener Feuerwehr zeigt sich schockiert und verärgert: „Heutzutage sind viele mit ihren mobilen Geräten als selbst ernannte Journalisten unterwegs. Jeder will sich hervorheben und zeigen, dass er was weiß. Das Riskante bei der Gafferei ist, dass die Hilfeleistung erstmal in den Hintergrund gerät, weil wir die Gaffenden bitten müssen, zurückzutreten.
Für mich persönlich ist das eine Form von unterlassener Hilfeleistung“. Für Göbel gehe es noch dazu um die Persönlichkeitsrechte von Unfallopfern, die geschützt werden müssen. „Dass man neugierig ist und schaut, was Rettungskräfte tun, ist etwas ganz Normales und Menschliches. Aber bitte: Das muss man mit gebührendem Abstand tun und so, dass niemand behindert wird.“